Wird England bald zur fünften Kolonne Chinas in Europa?

Westminster Palace – Houses of Parliament

Dunkle Wolken ziehen auf über dem Westminister Palace, wo die britischen Parlamentarier sitzen. Den die Beziehungen des Vereinigten Königreichs mit der Volksrepublik China verschlechtern sich. Die Behandlung Hong Kongs durch die Zentralregierung hat den britischen Übergabevertrag von 1997 deutlich verletzt. Dazu kommen weitere Entwicklungen wie Covid-19, das bis dato zu rund 60.000 Toten im Königreich geführt hat. Das Coronavirus wurde ja zu Beginn von Peking lange geleugnet und gezielte Desinformation der Welt betrieben. Falschinformationen und daraus resultierende Unterschätzung haben auch in Großbritannien einen hohen Preis gefordert.

Durch diese Meinungsverschiedenheiten wird nun deutlich welche gefährlichen Abhängigkeiten das Vereinigte Königreich im Hinblick auf China in den letzten Jahren eingegangen ist. Auf die britische Kritik folgten nämlich sofort explizite chinesische Drohungen. Und die Chinesen haben mittlerweile ökonomisches Gewicht, um der Rhetorik auch „Action“ folgen zu lassen. Und dieser Einfluss betrifft längst nicht mehr nur britische Unternehmen am chinesischen Markt, sondern auch viele chinesische Investitionen im Königreich selbst.

Im Jahr 2015 war das gemeinsame Verhältnis noch anders als den Chinesen sprichwörtlich der goldene Teppich in London ausgelegt wurde, wie der folgende Clip zeigt:

Das Ende des „Goldenen Zeitalters“ nach 5 Jahren?

Noch vor fünf Jahren sprachen also der britische Premier David Cameron und auch sein Schatzkanzler George Osborne von einem „Goldenen Zeitalter“ der beiderseitigen Beziehungen Großbritanniens und Chinas. Man wollte auf allen Ebenen mit Peking zusammenarbeiten – Infrastruktur, Hochtechnologie, Immobilien und Energieversorgung wurden den Chinesen angepriesen. Was nun zur Folge hat, dass die Chinesen Atomreaktoren aus eigener Produktion im Vereinigten Königreich bauen werden. Viele der britischen Hoffnungen zerschellten aber spätestens 2020 an der Realität der kommunistischen Einparteiendiktatur. So ist das Prinzip „One Country, Two Systems“ in Hong Kong nun leider Geschichte und damit auch das bilaterale britisch-chinesische Abkommen von 1997.

London reagierte darauf mit einer politischen Gegenoffensive: Es bot drei Millionen Bewohnern Hong Kongs die britische Staatsbürgerschaft an. Eine Maßnahme die man 1997 noch aus guten Gründen vermieden hatte, denn Großbritannien war damals nicht bereit drei Millionen Chinesen aufzunehmen. Und es wäre auch nicht in der Lage deren Sicherheit gegenüber dem chinesischen Staatsapparat in der Volksrepublik zu garantieren. Man befindet sich also in einer politischen Sackgasse. Auf keinen Fall kann man aber weiterhin gegenüber China klein beigeben. Das haben die britischen Politiker schon viel zu lange praktiziert und die Chinesen haben dies nie ausreichend gutiert. Ein Strategiewechsel ist deshalb mehr als angebracht. Die politische Praxis zeigt ja auch, dass repressive Regime ja in der Regel auch eher jene Stärke außenpolitisch respektieren die sie selbst im Inneren verkörpern.

Die 5te Kolonne Chinas in London

Dieser Politikwechsel ist dabei gar nicht mehr so einfach wie man als Beobachter glauben möchte. Der chinesische Einfluss in London ist mittlerweile nämlich ziemlich groß. In der Periode 2010-2018 wurden rund 80 Milliarden Pfund durch Chinesen im Königreich investiert. Peking finanziert drei Atomkraftwerke, die Schnellzugstrecke HS2, investierte in die Londoner Wasserversorgung und hält Anteile am Flughafen Heathrow. Chinesische Gelder flossen in die Ölproduktion in der Nordsee, den Konzern British Steel und in LTI – den Hersteller der legendären Londoner Taxis.

Aber nicht nur in der Industrie findet man mittlerweile chinesische Investoren! Gleich drei der 20 stolzen Premier-League Klubs haben heute chinesische Besitzer. Ein Drittel der ausländischen Studenten sind Chinesen. Dies schlägt sich ebenfalls finanziell wieder: Chinesische Studierende zahlen jedes Jahr 1,7 Milliarden Pfund an Studiengebühren an die britischen Universitäten. Diese Universitäten bekamen dann auch noch große Zuwendungen von spendierfreudigen Chinesen. Eine Entwicklung die Abhängigkeiten verschärft und den China-Befürwortern viele ökonomische Argumente gibt. Dazu kamen dutzende neue Lobby-Organisationen voller gut bezahlter britischer Expolitiker, die nun für China lobbyieren.

Dies veranlasste die konservative britische China-Expertin Juliet Samuel zu folgender erschreckender Analyse des Einflusses von China im Königreich:

Nirgendwo ist die Elite so umfassend gekauft worden wie hier

Juliet Samuel in „Die Presse“ (15./16.08.2020): S. 20

Für die Briten stellt sich zunehmend die Frage: Business oder Prinzipien?

Brexit-Großbritannien zwischen den Polen USA und China

Die britischen Großbanken HSBC und Standard Chartered haben sich in dieser Frage schon gegen ihre Regierung und den Westen und für China (und ihr China-Business) entschieden. Zu wichtig scheint den Bankern das Business in der Volksrepublik. US-Außenminister Pompeo sprach daher von einem Kniefall dieser Banken vor dem kommunistischen China. Für die Briten besteht nun die Gefahr einer amerikanischen Reaktion auf ihre Kooperation mit China. US- Sanktionen für diese 2 Banken im Zuge des Zollkrieges mit China, würde die Briten mit ihrem starken Bankensektor und dem Finanzplatz London hart treffen.

Deshalb haben die Briten in anderen wirtschaftlichen Fragen bereits den Wünschen der Trump-Administration zum Nachteil Chinas entsprochen. So wurde entschieden Huawei vom Ausbau des 5G-Netzwerks auszuschließen. Die USA und viele andere Länder befürchten mit Huawei die chinesische Staatssicherheit in die zentralen Kommuniktionsnetzwerke des digitalen Zeitalters zu lassen. China drohte London daraufhin mit strengen Gegenmaßnahmen. Alleine in Hong Kong gibt es ja über 600 Firmenniederlassungen britischer Unternehmen und China ist natürlich einer der Hoffnungsmärkte für die britische Wirtschaft. Diese Entwicklungen zeigen wie das einst stolze Großbritannien zu einem Spielball im pazifischen Handelskrieg zu werden droht.

Wirtschaftliche Abhängigkeiten des Vereinigten Königreichs

Der Status-Quo der gemeinsamen Handelsbeziehungen ist für China heute voller Vorteile, weil das britische Handelsdefizit mittlerweile massiv angewachsen ist. War dieses im Jahr 2000 noch ziemlich ausgeglichen, betrug es 2020 bereits rund 30 Milliarden Pfund Sterling pro Jahr. Die folgende Grafik zeigt diese Entwicklung der Importe und Exporte zum Nachteil der Briten:

Das britische Handelsdefizit mit China; Quelle: IMF, zitiert nach der Financial Times: https://www.ft.com/content/804175d0-8b47-4427-9853-2aded76f48e4

Fazit

Das Vereinigte Königreich droht innenpolitisch (durch den Einfluss der Lobbys) wie wirtschaftlich in eine gefährliche Abhängigkeit von China zu geraten. Druck aus den USA und der Brexit schwächen dabei die geopolitische Verhandlungssituation der Insel, die schon bisher China gegenüber wirtschaftlich viel zu offen auftrat. Und dabei offensichtlich weniger von der Partnerschaft profitieren konnte als Peking.

Nach dem Brexit sind die Briten wohl weiter geschwächt und genau deshalb sollten ihre westlichen Partner den Druck auf London erhöhen, sodass diese keine „falschen“ (zu weitreichende) Zugeständnisse an China machen. Es wäre für den Westen nämlich von großem Nachteil wenn die Chinesen über das Vereinigte Königreich indirekt wirtschaftlichen Einfluss auf die EU und USA ausüben könnten. Die größte Gefahr besonders für die Europäer wären dabei wohl wirtschaftliche Verwerfungen im Zuge des Brexit und ein dadurch China umso devoter eingestelltes Großbritannien. Das nach einem späteren Handelsdeal mit der EU dann eventuell auch noch chinesische Waren an den europäischen Regeln vorbei in den EU-Binnenmarkt schleusen würde.

Es ist deshalb besonders für die EU essentiell eine einheitliche wirtschaftliche Politik gegenüber London wie Peking zu betreiben. Die USA exerzieren dies bereits vor und scheuen auch härtere Maßnahmen gegenüber den Chinesen nicht. Und sie demonstrieren auch den Briten im Zuge der Verhandlungen um ein neues Handelsabkommen eine gewisse Unnachgiebigkeit. So werden die Briten sich wahrscheinlich bald mit amerikanischen „Chlorhühnchen“ in ihren Regalen anfreunden müssen.

Abseits von Wirtschaft und Handel würde aber auch die britische Demokratie früher oder später ernsten Schaden nehmen, wenn chinesische Lobbygruppen weiterhin einen derartig mächtigen Einfluss auf die britische Politik ausüben können. Eine nachhaltige Kertwende der britischen Chinapolitik wäre daher unbedingt notwendig. Druck von Seiten der EU und insbesondere der USA (Huawei) sind dabei sicher wichtig und hilfreich, um die wirtschaftliche Abhängigkeit der Briten von China in einem gewissen Rahmen zu lassen.

Weiterführende Links & Quellen

Rath, Gabriel (15./16.08.2020): Das „goldene Zeitalter“ ist vorbei. In: „Die Presse am Sonntag“ vom 15./16.08.2020: S. 20

https://www.reuters.com/article/us-china-britain/china-britain-to-benefit-from-golden-era-in-ties-cameron-idUSKCN0SB10M20151017

https://www.bbc.com/news/world-asia-48868140

https://www.ft.com/content/804175d0-8b47-4427-9853-2aded76f48e4