Verfolgt man deutschsprachige Qualitätsmedien wie den Standard, den SPIEGEL, die Presse et cetera fragt man sich wer eigentlich in den USA eigentlich so „verrückt“ sein kann Donald Trump und die Republikaner zu unterstützen. Das gilt für den Großteil der Medien in Europa übrigens. Begründet liegt das darin, dass in der Regel die politische Position der amerikanischen Demokraten in Europa medial vertreten wird. Deshalb wundert man sich dann als Europäer seit Jahrzehnten über die Wahl von Reagan, Bush senior, Bush Junior und nun Trump. Ein wichtiger Einflussfaktor wird bei dieser Berichterstattung nämlich oft weggelassen: Die zunehemnd ausgeprägte Ethnisierung der amerikanischen Politik.
Eines ist nämlich Fakt: Die europäischstämmigen Amerikaner, die McConnels, Smiths und Muellers, unterstützen mehrheitlich die Republikaner und Trump. Anders ausgedrückt: Trump ist der „europäische“ Kandidat. Wäre Österreich also hypothetisch ein US-Bundesstaat, wäre es in dem aktuellen ethnischen Klima in den USA ziemlich wahrscheinlich eine republikanische Hochburg ! Wir vom März erklären warum!
Fakten: Die US-Präsidentenwahl 2016
Folgende Grafik zeigt das Wahlergebnis der US-Präsidentenwahl 2016 aufgeschlüsselt nach dem ethnischen Wahlverhalten. In den USA ist das ein großes Thema, weshalb dies auch genau erhoben und kontrovers diskutiert wird. Für Europäer sind solche Statistiken dagegen eher gewöhnungsbedürftig.
Während also nur circa ein Drittel der weißen, europäischstämmigen US-Amerikaner damals Hillary Clinton unterstützte, entfielen auf US-Präsident Trump fast ganze 60 Prozent der weißen Stimmen. Die obere Karte demonstriert das Wahlverhalten der Weißen (besonders jener ohne Universitätsabschluss) grafisch wunderbar, sodass die Situation ganz klar dargestellt wird. Die Republikaner sind also ganz klar die Partei der europäischstämmigen Amerikaner. Während die Demokraten eher die Partei der Minderheiten sind: Schwarze, Latinos, LGBTQ et cetera.
Dementsprechend wird auch Politik gemacht: Während die Demokraten 2020 in den Vorwahlen über Reparationszahlungen an Afroamerikaner infolge der Sklaverei diskutieren (geschuldet ihrer schwarzen Wählerbasis), diskutieren die Republikaner über Probleme infolge der hohen lateinamerikanischen Einwanderung. Demokraten fordern regelmäßig eine positive Diskriminierung der Weißen an Schulen, Unis und am Arbeitsplatz zugunsten der Minderheiten ein („affirmative action„), während die Republikaner sich darüber echauffieren.
Die Ethnisierung der US-Politik: Identity Politics
War einst das Ziel der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung eine Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Ethnien in den USA zu erreichen, so hat sich durch den Siegeszug der „affirmative action“ und der „political correctness“ vieles dort verändert. Quoten und positive Diskriminierung nach der ethnischen Herkunft hielten Einzug in den USA. An den US-Unis gilt es heute oft ethnische Quoten zu erfüllen. Ähnliche Quoten werden teils in der öffentlichen Administration und teilweise auch im privaten Business eingemahnt oder durchgesetzt. Der Leistungsgedanke tritt hier also hinter den Gedanken der ethnischen Quote zurück. Kritik daran wird als „politisch unkorrekt“ abgetan und kann heute nicht nur Freundschaften, sondern auch Arbeitsplätze gefährden.
Die Universität Harvard nimmt etwa Studenten nicht in erster Linie nach der Leistung, sondern auch nach der ethnischen Herkunft auf. Asiaten mit besseren Noten werden etwa zugunsten von Latinos und Schwarzen mit schlechteren Noten bei der Aufname diskriminiert. Es gilt eine ethnische Gesellschaft quotengerecht aufzubauen. Diversität ist das Schlagwort. Das gilt mittlerweile in allen US-Lebenslagen. Und nicht nur dort: Eine Geschichte im Vereinigten Königreich erregte Aufsehen, als britische Schulen in Rankings verloren, weil sie zu wenige nicht-weiße Schüler aufwiesen. Besonders kurios war dies in ländlichen Einzugsgebieten ohne farbige Schüler.
Hollywoods neue „Diversitätsquoten“
Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die jedes Jahr die berühmten Oscars vergibt, hat im Sommer 2020 neue Regeln für die Nominierung in der Kategorie „Best picture“ verkündet. Bill Maher spottete darüber in folgendem Segment mit dem natürlich bezeichnenden Titel: „Oscars, No White“!
Nachdem Hollywood schon bisher in der Kategorie „best picture“ gerne kommerziell wenig erfolgreiche, aber „politisch dafür umso korrektere“ Filme ausgezeichnet hatte, ging die Academy mit diesem Regelwerk noch einen Schritt weiter.
Um in dieser Kategorie überhaupt als Film nominiert zu werden muss ein Film mindestens einen führenden Schauspieler laut Kategorie A (siehe https://variety.com/2020/film/news/oscars-inclusion-standards-best-picture-diversity-1234762727/ ) haben. Für den oder die gilt es ethnische Kriterien zu erfüllen: Er muss aus folgenden „ethnisch unterrepräsentierten“ Gruppen stammen: Asiate, Latino, Schwarz, Amerikanischer Ureinwohner, Mittlerer Osten /Nordafrika, Pazifischer Inselbewohner. Also kurz gesagt aus allen ethnischen Gruppen, ausgenommen natürlich Weiße.
Mehr als 30 Prozent (!) der übrigen Schauspieler des Films müssen aus folgenden Gruppen kommen: Frauen, rassische oder ethnische Gruppen, LGBTQ+, Menschen mit kognitiven oder physischen Behinderungen. Und ebenso vorgegeben ist die Story des Films. Thema oder Narrativ des Films müssen Frauen, rassische oder ethnische Gruppen, LGBTQ+ und Menschen mit kognitiven oder physischen Behinderungen thematisieren ! Auch bei den kreativen Posten, Marketing-Stellen, Praktika bei diesem Film ist in Zukunft genau vorgeschrieben welche ethnischen Gruppen unbedingt vertreten sein müssen !
Diese technokratische Vorgehensweise wird natürlich irgendwann auch der stoischen weißen Mehrheit sprichwörtlich zu bunt. Karrierechancen von Schauspielern und Beschäftigten der Filmindustrie werden hier beschnitten zugunsten von ethnischen Quoten. Nicht die Qualität der eigenen Arbeit zählt in erster Linie, sondern die „Mitgliedschaft“ in einer benachteiligten Gruppe, die Ethnie und das Geschlecht. Liberale vermögendere Schichten wie in Hollywood mögen diese Gedankengänge vielleicht noch verstehen. Viele Amerikaner in der Mittelschicht denken hier allerdings ganz anders.
Die Gegenreaktion auf diese Form der „Affirmative Action“
Solch ein Verhalten liberaler Eliten sorgt natürlich mittelfristig für eine klassenübergreifende Solidarität der Benachteiligten. Waren Weiße aus der Arbeiterklasse lange eine fixe Basis der Demokraten, ändert sich dies in den letzten Jahren. Präsident Trump ist genau deswegen deren Champion geworden. Die amerikanischen Minderheiten haben ihre eigene gegenseitige ethnische Solidarität im Umgang mit dem Rest der USA lange vorgelebt. Mit Trump geschah nun auf einmal dasselbe mit der Bevölkerungsmehrheit der Weißen. US-Polittalker Bill Maher formulierte das so:
Auf einmal wählten die Weißen wie die Minderheiten der Schwarzen und Latinos! Sie fokussierten sich mit überwältigender Mehrheit auf den Kandidaten der versprach Politik für Ihre Ethnie zu machen. Das war nun eben Trump, der sich gegen „affirmative action“ aussprach und der sich gegen den inflationären Rassismusvorwurf stellte. Während die Demokraten den Weißen immer noch ausrichteten, dass sie bald zur Minderheit werden würden. Und sie stetig erinnerten wie unfair ihre Vorfahren und sie die anderen Minderheiten behandelt hätten und das sie sich deshalb immer ihrer „weißen Privilegien“ bewusst sein müssten.
Die politischen Themen der Demokraten bestanden darin, in einer Gruppe weißer Spitzenpolitiker breit zu diskutieren wie man sexuellen und ethnischen Minderheiten künftig besser beistehen könnte. Diese Identitätspolitik ist in der Folge natürlich eine politische Position von der sich ein arbeitsloser weißer Fabrikarbeiter im Mittleren Westen naturgemäß nur wenig kaufen kann. Dieser verspürt dann auch kein positives Gefühl bei seinem Privileg ein arbeitsloser Weißer zu sein.
Die Auswirkungen
Der einseitige politische und kulturelle Fokus der Demokraten auf alle Nicht-Weißen hat in den letzten Jahren somit viele europäischstämmige Wähler in die Arme Trumps getrieben. Dazu gehört auch die Angst, ausgelöst durch den demographischen Bedeutungsverlust der weißen Amerikaner zugunsten der Minderheiten. Das ganze Theater um Posten für weiße Amerikaner hat dann natürlich auch außenpolitische Auswirkungen: Die engen Verwandschaften zwischen den USA und Europa über den großen Teich haben nämlich kulturelle UND ethnische Wurzeln. Ein afroamerikanischer Präsident wie Obama teilte diese nur bedingt: Er wurde in Hawai und Indonesien sozialisiert.
Das verzerrte Bild hierzulange: Wen wollen wir – die europäischen Europäer – im Weißen Haus?
In Europa ist die Präferenz klar: Trump auf keinen Fall und bei den Favoriten liegt vermutlich der linke Senator Bernie Sanders ganz vorne. Man hofft das Trump eine Panne der Geschichte ist, und betrachtet ihn als Projektionsfläche für alle US-Vorurteile. Zusätzlich befeuert dieses einheitliche Ablehnungsbild einen vor allem linken Antiamerikanismus bei uns im deutschsprachigen Raum. Das zeigt auch die ambivalente Haltung vieler Europäer zu den USA! Im Kalten Krieg und bei militärischen Interventionen gegen den Islamischen Staat waren die USA immer hochwillkommen, aber gleichzeitig sieht sie ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung auch als lästige Kriegstreiber und Besatzer. Wenn man nun konsequent wäre und diese Sentiments zur öffentlichen Politik machen würde, wäre dies für Europa höchst gefährlich. Der deutsche Exaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) beschrieb die Folgen eines Ausfalls der Supermacht USA so:
Wenn eine Supermacht ausfällt, ist das eine Gefahr für die ganze Welt. Und wenn der Polizist weg ist, dann kommen die Gangster.
Sigmar Gabriel, zitiert nach Presse (08.09.2020): S. 23
Diese „Gangster“ sind heute weltpolitisch da und militärisch in Libyen, Syrien, Armenien, Libanon überall präsent. Sie bestimmen heute mit über die illegale Migration nach Europa und scheuen sich auch nicht den Westen zu erpressen. Die EU aber – wirtschaftlich stärker als alle aktiven nahöstlichen Kriegsparteien zusammen – ist diplomatisch und militärisch abgemeldet.
Welchen US-Präsidenten SOLLTEN die Europäer wollen?
Basierend auf unserer frappierenden militärischen und außenpolitischen Schwäche auf jeden Fall keinen Barrack Obama. Der durch seinen Isolationismus zuerst Libyen und dann Syrien außer (westliche) Kontrolle geraten ließ. Dann die Flüchtlingswelle 2015 nicht verhindern oder zumindest vorraussagen konnte. Ebensowenig wie die militärisch im Nahen Osten präsenten USA zunächst nicht verhinderten, dass der IS ein Gebiet von der Größe Großbritanniens erobern konnte. In Obamas isolationistischen Fußstapfen wandelt nun übrigens teilweise Trump, etwa was die Zurückhaltung im Nahen Osten und die Nichteinmischung gegenüber der russischen und türkischen Expansion betrifft. Nicht was den IS betrifft zum Glück – man möchte nicht wissen, wann die Europäer diesen besiegt hätten. Europas geheimer Favorit Bernie Sanders wäre übrigens ein noch viel schlimmerer Isolationist. Da könnten dann europäische Soldaten alleine auf Terroristenjagd im Nahen Osten gehen und die europäische Linke hätte auf einmal tatsächliche außenpolitische Streitthemen.
Es ist also etwas in Schwung geraten: Die Amerikaner sind nicht länger bereit einen so großen Anteil für die Sicherheit Europas zu leisten. Die Sache der Kurden, Syrien und Libyen sind europäische Probleme und erst in zweiter Linie amerikanische. Sigmar Gabriel hat recht, wenn er warnt, dass einerseits die EU viel stärker auf die USA setzen muss, aber andererseits auch ein „richtiger Präsident“ künftig nicht die Lösung aller Probleme ist. Ein Präsident Biden würde den Ton wohl massiv verbessern, aber auch er hat die „Obama-Agenda“ mitgetragen. Die USA sind nämlich von ihren Engagements im Nahen Osten mental und finanziell ausgeblutet und nicht bereit weiter unilateral den Kopf hin zu halten.
Europa braucht deshalb eine starke eigene Außenpolitik, die in der Welt respektiert wird und Respekt verschafft. Und es braucht bei starken Gegnern wie China und dem Islamismus einen Schulterschluss auf Augenhöhe mit den USA. Europa wird deshalb künftig auch in Vorleistung gehen müssen: militärisch, wirtschaftlich und diplomatisch.
Ausblick: Ethnisierung der Politik in Europa
Anknüpfend an die zuvor diskutierte „Identity Politics“ gilt leider, dass hier der liberale Mainstream in Europa zunehmend den USA folgt. Dies fällt umso mehr auf fruchtbaren Boden, als dass es in der EU immer mehr ethnische und religiöse Minderheiten in Europa wie Schwarze und Muslime gibt, die sich zunehmend gerne instrumentalisieren lassen. Die Black Lives Matter Proteste in Wien und anderen großen Städten zeigen dies. Hier wird eine neue politisierte migrantische Generation von europäischen Liberalen herangezogen, die für sich eine bevorzugte Behandlung einfordert. Basierend auf den Erfahrungen und Slogans der jahrhundertelangen US-Diskriminierung von Schwarzen. Die es so in Europa nie gegeben hat. Im Frankreich, Deutschland und Österreich der Zwischenkriegszeit und Nachkriegszeit gab es beispielsweise keinerlei Einschränkungen gemischter Ehen zwischen Afrikanern und Europäern. Während diese in den USA untersagt waren. Ebensowenig leben migrantische Gruppe seit bis zu 400 Jahren in Europa und wurden von anderen Gesellschaftsteilen ausgebeutet.
Londons Bürgermeister Sadiq Khan ist hier ein Vorreiter im negativen Sinne. Er zeigte in seiner politischen Karriere bereits mehrmals seine politische Bereitschaft die amerikanische Ethnisierung ins Herz Europas zu tragen. So buhlte er bei seiner Wahl zum Londoner Bürgermeister einerseits offensiv um islamische Wähler und richtete andererseits weißen Beschäftigeten bei den Londoner Verkehrsbetrieben aus, dass es zu viele weiße Briten (!) bei den Londoner Verkehrsbetrieben anstelle von Minderheiten gäbe. Ein mehr als unfreundlicher Akt in der größten „weißen“ Stadt der EU.
Fazit
Die „Identity Politics“, die Identitätspolitik der Demokraten war also extrem erfolgreich spezifische Gruppen von Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und diesen Bedürfnisse zuzuschreiben. Und daraus Forderungen gegen die weiße Mehrheitsgesellschaft zu konstruieren. In einem Land wie den USA, dass auf der Idee der Leistung und Selbstverwirklichung aufgebaut ist. Es braucht also niemanden in Europa wundern, warum die Idee von Sozialleistungen (= ethnischen Transfers für vermeintliche Minderleister) in den USA heute ein derartiges Reizthema ist. Umverteilung ist hier keine Tugend sondern eher eine Zumutung für viele.
Trumps politische Resonanz beruht auch auf seiner Zertrümmerung der politischen Korrektheit, die heute vielen Amerikanern den Alltag schwer macht. Diese Korrektheit wird zur Belastung, die sie drei mal überlegen lässt im Beruf beispielsweise Kritik an Personen mit einer anderen Hautfarbe zu üben. „Social Justice-Warriors“ rufen Weiße vielmehr zur Selbstkritik und „Selbstgeiselung“ auf. Demonstriert wurde dieser Zustand in den USA in einem ORF-Interview mit dem österreichischen Schwimmstar Markus Rogan, der sich im Jargon der Zeit für seine weißen Privilegien als Europäer on air untertänigst „entschuldigte“.
Viele europäischstämmige Amerikaner wählten also Trump, weil er versprochen hatte für sie Politik zu machen. Sie wollten Jobs statt positiver Diskriminierung und demokratischer Identitätspolitik. Diese starken Motivatoren sollte man in Europa verstehen, wenn man die US-Politik durch eine eigene Linse betrachtet. Die USA sind außerdem auch immer ein Ausblick in unsere eigene Zukunft gewesen!
Wir Europäer in der EU brauchen vor allem ein starken US-Präsidenten, der unseren gemeinsamen Gegnern entgegen tritt. Auf jeden Fall gilt: Je weniger Isolationist desto besser (und kostengünstiger) für uns ! Trumps Druck für höhere NATO-Militärbudgets ist aber auf jeden Fall gerechtfertigt. Vor allem wenn sich die EU als Global Player von morgen behaupten will.
Quellen und Links
https://www.bbc.com/news/election-us-2016-37889032
Hans Winkler: Welchen US-Präsidenten wollen die Europäer? In: „Die Presse“ vom 08.09.2020: S: 22f.
https://www.sueddeutsche.de/politik/jugend-in-indonesien-als-obama-noch-soetoro-hiess-1.361525
https://variety.com/2020/film/news/oscars-inclusion-standards-best-picture-diversity-1234762727/