2021 : Ein Annus Horribilis für die Volksparteien?

Anfang des Jahres 2021 war die Welt der europäischen Konservativen noch in Ordnung: Sebastian Kurz glänzte im Amt und auch die Umfragewerte der regierenden deutschen Unionsparteien waren großartig (~35%). Die Corona-Pandemie warf aber schon die ersten Schatten auf die Regierungsperformance. Im Herbst kam es dann Schlag auf Schlag: CDU-Kandidat Armin Laschet verlor die deutsche Bundestagswahl haushoch und in Österreich wurde Sebastian Kurz nach einer Medienkampagne vom linken Koalitionspartner gestürzt. Zudem fiel nach 16 Jahren die konservative Hochburg Graz an ein linkes Bündnis, angeführt von den Kommunisten! Da stellt sich natürlich die Frage: Wie konnte das alles 2021 geschehen?

In Europa verloren die Konservativen damit im Laufe des Jahres massiv an Boden. Sebastian Kurz, wie auch die deutschen Unionsparteien waren die starken Stimmen der europäischen Konservativen. Mit dem Brexit fehlt zudem das von den Tories konservativ regierte Großbritannien. Wie auch Frankreich, das bei den Kommunalwahlen 2021 zwar wieder mehrheitlich konservativ wählte, wo die Konservativen aber zwischen Macron und Le Pen bei den entscheidenden Wahlen zerrieben wurden.

Gegenwärtig werden in der EU „nur“ mehr mittelgroße und kleine Länder wie Österreich, Slowenien, Kroatien, Rumänien, Griechenland, Zypern, Litauen und Lettland bürgerlich-konservativ regiert. Dazu kommen Nationalkonservative in Polen, Tschechien und Ungarn. Die wichtigen Beneluxstaaten und Frankreich sind in der Hand der Liberalen, wie übrigens auch Irland und Estland. Sozialdemokratische Regierungschefs findet man auf der iberischen Halbinsel in Spanien und Portugal, in Skandinavien (Dänemark, Schweden, Finnland) sowie nun seit kurzem in Deutschland. Italien und Bulgarien werden von Technokraten geführt.

In diesem Artikel wollen wir nun ein politisches Resümee aus dem Jahr 2021 ziehen.

Die politische Ausgangslage 2021

Anfang 2021 war die politische Welt der Konservativen noch weitestgehend in Ordnung! Europa wurde von den Konservativen (unter der Führung Angela Merkels) regiert, wie auch Australien (unter Premier Scott Morrison) und US-Präsident Joe Biden ist auch nicht gerade ein gesellschaftspolitischer Linker. Mit seinen Werten, dem Glauben und dem „Buy American“ plus westlicher Eigenverantwortung und einer werteorientierten Außenpolitik stünde er in Deutschland wohl fest in der CDU. Die westliche Linke führte dagegen Regierungen nur mehr in kleinen Ländern an: Neuseeland, Schweden, Finnland, Portugal sowie – als letzte „Schwergewichte“ – Spanien und Kanada. Also allesamt Länder die politisch nicht wirklich eine nennenswerte Rolle spielen.

Noch Anfang des Sommers lag die deutsche SPD bei 15% in den Meinungsumfragen zur Bundestagswahl, die steirischen Kommunisten waren weit weg vom Wahlsieg in Graz (weshalb ÖVP-Bürgermeister Nagl Neuwahlen ausrief) und auch Sebastian Kurz und seine Entourage waren in Amt und Würden. Während der grüne Koalitionspartner von Kurz in der Presse als Lakai und machtpolitischer Verlierer geschmäht wurde. Die Presse baute Stück für Stück Druck auf die österreichischen Grünen auf. Nicht wegen ihrer unterirdischen Performance im Gesundheitsministerium, sondern wegen ihrer „Nachgiebigkeit“ als 13-%-Partei gegenüber einer 37-%-Partei.

Freilich zehrte die anhaltende Corona-Pandemie am politischen Rückhalt in Österreich und Deutschland! Diese radikalisierte zunehmend die politischen Ränder und erforderte gute Antworten von den Politikern der Mitte. Welche diese naturgemäß in so einer dynamischen Situation nicht immer parat hatten. In Deutschland kam dazu eine von den Medien dahergeschriebene politische grüne Hegemonie. Allenthalben wurde vom deutschen Mainstream die Idee von einer „Klimawahl“ proklamiert. So als ob sich der weltweite Klimahandel mit einem Wahlsieg der deutschen Grünen lösen lassen würde. Die Kalkulation der Mainstreammedien: CDU-Wähler sollten „wegen dem Klima“ diesmal die Grünen wählen. Das der Klimawandel aber nur in Peking, Washington und Neu Dehli eingeämmt werden kann fiel unter den Tisch.

Die CDU: von der Macht von den Medien weggeschrieben

Angela Merkel war nie eine klassische CDUlerin, sondern machte ihre Karriere zunächst als ostdeutsche „Quotenfrau“ von Helmut Kohl und erarbeitete sich dann durch machtpolitisches Geschick ihre politische Karriere. Ideologin war sie nie. Geprägt hat Merkel politisch die nur knapp abgewendete Niederlage gegen Gerhard Schröder bei der Bundestagswahl 2005. Die Wahl schlug sie mit einem bürgerlichen Programm. Merkels Conclusio daraus bestand in der Folge unideologisch Politik zu machen und im Zweifel nach links zu rücken. Das erzeugte ein rechtskonservatives politisches Vakuum in dem etwa die AfD entstand. Und degradierte die CDU zu einem politisch beliebigen Merkel´schen Kanzlerwahlverein.

Die Auswahl ihrer Nachfolger als Parteichef der CDU ab 2018 gestaltete sich dementsprechend schwierig. Die Parteiführung war mittlerweile ideologisch offenbar völlig verunsichert, beliebig aufgestellt und versuchte zunächst mit Annegret Kramp-Karrenbauer einen moderaten Schwenk nach Mitte-Rechts. Das scheiterte an AKK. Dann folgte mit der Wahl Armin Laschets ein Schwenk hin zu einer beliebigen Mitte. Die konservativere Parteibasis wurde bei diesen Prozessen bewusst ausgeschlossen, denn sie hätte wohl schon 2018 Friedrich Merz bevorzugt. Stattdessen wählten Parteidelegierte die Kandidaten des Establishments. Laschet wurde solange von deutschen meinungsbildenden Medien hochgeschrieben bis er im Amt des CDU-Parteichefs war.

Vor der Wahl 2021 begann dann eine Kampagne gegen den Kandidaten Laschet in den Medien. Absurde Themen, wie ein Lacher im Hintergrund einer Rede des Bundespräsidenten, wurden verwendet um gegen ihn zu kampagnisieren. Außerdem trübten nach der Kür des liberalen „Türken-Armins“ (Spitzname aus seinem Heimatbundesland) viele Medienberichte die Lust der konservativen Basis auf Laschet massivst. In Ostdeutschland wie in Bayern regte sich erfolgloser Widerstand. Ideologisch weichgespülte CDU-Vorstandsmitglieder setzten also auf eine Version Merkel 2.0 : Ideologielos, etwas christlichsozial und maximal machtpolitisch flexibel. Das war freilich zuwenig, denn SPD-Kandidat Scholz war exakt genauso. Laschets Niederlage war absehbar.

Die CDU braucht wieder eine klare bürgerliche Haltung und authentische Kandidaten.

Kurz: Der türkise Goliat (2017-2021)

Österreich ist kein einfaches Pflaster für die ÖVP: Seit dem Jahr 1971 gelang es der Partei nur bei drei Wahlen die stimmenstärkste Partei zu werden (2002, 2017, 2019). Zwei mal davon war bekanntermaßen Sebastian Kurz der Spitzenkandidat. Grund dafür ist, dass das bürgerliche Lager zwischen ÖVP, FPÖ und den NEOS geteilt ist. Dies ist auch der Grund warum die SPÖ so lange den Kanzler stellen konnte (40 Jahre), obwohl sie nur 12 Jahre mit einer absoluten linken Mehrheit regierte. Deshalb fällt es der ÖVP nicht leicht von dem Ausnahmetalent Sebastian Kurz Abstand zu nehmen. Die alte Mitterlehner-ÖVP war ja meilenweit politisch entfernt nur eine relative Mehrheit im bürgerlichen Lager zu bekommen.

Kurz hat das Migrationsthema nach 2015 im Gegensatz zu seinen Vorgängern entschieden aufgegriffen, weil er erkannte das immer mehr Österreichern die massiven demographischen Veränderungen Sorge bereiten. Demographisch ist der Anteil der gebürtigen Österreicher auf unter 80 Prozent gefallen (beim Nachwuchs sogar nur mehr knapp 60%+). Parallel dazu steuert der Anteil der Muslime in Österreich mit mehr als 8% an der Gesamtbevölkerung neue Höchstwerte an (#4 in der EU!). Das ist eine Verachtfachung seit dem Jahr 1990! Kurz punktete entschieden mit der Schließung der Balkanroute und organisierte eine gestaffelte und von Mazedonien bis Österreich akkordierte Rücknahme der Grenzöffnungen 2015. Dies beendete die Migrationswelle in Kombination mit Merkels Türkei-Deal. Die hilflose SPÖ reagierte mit Gewährenlassen und Polemik gegen Kurz und träumte ihrerseits von der Flüchtlingsverteilung in der EU, die nie stattfand. Ein entschiedener Sieg nach Punkten gegen die SPÖ.

Kurz gewann in der Folge entschieden die Wahlen 2017 und 2019. Und formte eine äußerst beliebte Koalition mit der FPÖ, die dann 2019 aufgrund einer Intrige und einer betrunkenen Nacht auf Ibiza vorzeitig endete. Neuer Koalitionspartner waren dann 2019 die Grünen, was sich als politischer Fehler herausstellen sollte.

Der Kanzlersturz im Herbst 2021

Kurz wurde letztlich also nicht vom politischen Erzgegner SPÖ gestürzt. Auch nicht vom beleidigten Ex-Koalitionspartner FPÖ, sondern vom eigenen Koalitionspartner: den Grünen. Weil diese Ermittlungen der WKStA gegen Thomas Schmid zum Anlass nahmen. Dieser saß in der Mitterlehner Ära an zentraler Stelle im Finanzministerium und war zwischen 2013 und 2019 der mächtige Kabinettschef unter gleich vier Finanzministern, lange vor Kurz Ära als Parteichef. Dieser fiel nun durch die veröffentlichten Chats durch besonderen Ehrgeiz, Zynismus und unzählige ungustiöse Aussagen auf. Da Schmid sich Kurz angedient hatte wurde auch dieser angepatzt. Weshalb Kurz nun im Visier der Justiz steht als jemand, der politische Vorteile aus Schmids mutmaßlichen Handlungen der Untreue gezogen haben soll. Es gibt dafür keine Anklage, keinen Prozess und keine Geständnisse. Nur viele angeberische Chatnachrichten und politische Vorverurteilungen. Welche die Grünen in einem macchiavellistischen Zug nutzten, um der ÖVP ein Ultimatum zu stellen:

Rücktritt von Kurz oder Neuwahlen!

Kurz stand nun vor der Wahl von einer Konzentrationsregierung SPÖ-FPÖ-NEOS-Grüne abgelöst zu werden und für ungewisse Zeit in der Opposition zu landen. Und sich dann in einem kommenden Wahlkampf Monate oder Jahre später für Schmid-Chats rechtfertigen zu müssen. Eine schwere Wahl! In dieser Situation trat Kurz die Flucht nach vorne an und opferte seine politische Karriere für den Erhalt der Koalition. Auch weil die Landeshauptleute der ÖVP nicht länger ihn vorbehaltlos unterstützen wollten.

In den letzten Monaten war aber mein politischer Alltag kein Wettbewerb der besten Ideen mehr, sondern viel eher die Abwehr von Vorwürfen, von Anschuldigungen von Unterstellungen und von Verfahren. Und meine Leidenschaft für Politik … die ist sicherlich in dieser Phase auch ein Stück weit weniger geworden.

Wenn ich heute den Abschied aus der Politik nehme, dann möchte ich noch einmal betonen, … dass es wichtig ist, dass es eine starke VP gibt.

Kurz´Rücktrittsrede; Quelle: https://www.oe24.at/oesterreich/politik/kurz-die-ruecktritts-rede-im-wortlaut/501509078

Für mehr Details siehe: https://www.dermaerz.at/kurz-wie-ein-polittalent-abgeschossen-wurde

Graz: Verpeilte Bürgerliche verwechseln die KPÖ mit der Caritas

Graz ist eine wirtschaftlich wie demographisch boomende (nun ehemalige) bürgerliche Hochburg, die bis 2021 von einer schwarz-blauen Koalition regierte wurde. Vom Langzeitbürgermeister Siegfried Nagl (2005-2021) von der ÖVP. Das Stammwählerpotential der dort beheimateten KPÖ liegt laut Experten konstant bei rund fünf Prozent. Bei der Gemeinderatswahl erreichte die Partei dann aber ganze 28,8 Prozent. Was war also passiert? Die Partei erreichte einen Wähleranteil im Ausmaß von rund 15 Prozent von der SPÖ. Die verbleibenden 8 Prozent der Grazer Wähler, die der KPÖ zu Platz eins verhalfen, waren allerdings bürgerliche Wähler ! Die Gründe dafür sind so banal wie stupide:

(Es wurde) nicht die Kommunistin Elke Kahr gewählt, sondern die Sozialarbeiterin. … (Es kam zur) Verwechslung von Sozialpolitik mit Telefonseelsorge aufgrund einer Mischung von politischer Ahnungslosigkeit mit einer gewissen Frivolität.

Hans Winkler (02.11.2021): S. 22

Die Wahl einer KPÖ-Bürgermeisterin erregte im ganzen Westen etwas Aufsehen (ob der Absurdität) und ist ein politisches Armutszeugnis. Von der steirischen KPÖ sind Elegien auf Lenin, Tito und andere kommunistische diktatorische Führer bekannt. In der Kommunalpolitik ist die KPÖ in Graz vor allem durch Linkspopulismus und „Dagegen sein“ aufgefallen. Sie kaufte sich mit Spenden ihrer Mandatare einen Platz in den Herzen des Kleinbürgertums. Welches mit sozialen und persönlichen Anliegen zu den Kommunisten kommen konnte, die dann finanziell aus dem Sozialfonds der KPÖ bedient wurden. Dieser Fonds wird von Beiträgen aus den Gehältern der KPÖ-Mandatare gefüllt. Was ein einzigartiges System des niederschwelligen Stimmenkaufs darstellt, welches Österreich seit Jahrzehnten nicht gesehen hat. Deshalb wählten viele Bürgerliche die „kommunistische Caritas“ angeführt von der Elke Kahr. Da bleibt nur eines zu sagen:

Die KPÖ fordere etwa Enteignung von Banken und den EU-Austritt – sei sie nur gewählt worden, weil sie „als Kommunistin in Graz nichts anrichten“ könne?

ZIB 2- Anchor Armin Wolf zu Elke Kahr

Fazit

Die Konservativen sind also nicht an ihrer Programmatik gescheitert, sondern sie haben sich selbst machtpolitisch falsch aufgestellt. Und die politische Situation völlig falsch eingeschätzt. Die CDU ignorierte ihre konservative Basis bis die Bundestagswahl verloren war und suchte für ihr Spitzenpersonal lieber die politisch wertlose Bestätigung in der linken deutschen Mainstream-Presse. Kurz koalierte mit den Grünen, der linkesten Partei im Nationalrat. Die den Großteil des Jahres 2021 in der – ihnen gewogenen – Mainstreampresse ausgerichtet bekam, wie wenig sie sich denn durchsetzen könnten. Bis der Boden politisch soweit aufbereitet war, dass die Grünen den Regierungschef Kurz per Ultimatum zum Rücktritt zwingen konnten. Auf Zuruf der Medien und der Opposition. In Graz zog Ex-Bürgermeister Nagl die Gemeinderatswahl siegesgewiss vor ohne den Kommunisten machtpolitisch Paroli zu bieten. Das waren drei machtpolitisch unnötige Niederlagen, deren Wurzeln in den zwei Jahren davor gelegt wurden.

Söder oder Merz hätten die Union in die Bundestagswahl 2021 führen müssen. Kurz hätte 2019 den „Schüssel 2002“ machen sollen, die Koalition mit einer geschwächten Nobert-Hofer-FPÖ fortsetzen sollen und seine politische Fortüne nicht die Hände des grünen Parlamentsklubs legen dürfen. Der Grazer VP fehlt seit Jahren ein wirksames Programm gegen die Kommunisten, welches sie nun in der Opposition ohnehin entwickeln muss. Was doch keine politische Unmöglichkeit sein sollte, wenn man gegen eine Partei antritt die Lenin, Stalin und Tito verherrlicht.

Die Sozialdemokraten und die Linken generell hatten auch im Jahr 2021 auf die meisten brennenden Fragen der Zeit keine besseren Antworten! Das einzige Programm: Kurz muss weg! Nagl muss weg! Die CDU muss weg! Weshalb es umso bitterer für die Konservativen sein muss im Herbst 2021 soviel Macht einzubüßen. Aufgrund eigener Fehler, falscher Kandidaten und einer feindlich gesinnten Medienlandschaft. Vor allem weil die übertriebene politische Korrektheit, anhaltende Massenzuwanderung und linke Enteignungsphantasien weiterhin als Programatik nicht mehrheitsfähig sind. Allesamt aber Teil der linken Parteiprogramme.

Links & Quellen

Christoph Landerer: Land der Konservativen zukunftsreich? In: „Die Presse“ vom 21.10.2021: S. 30

Hans Winkler: Ein bürgerliches Trauerspiel in drei Akten. In: „Die Presse“ vom 2.11.2021: S. 22

Wolfgang Böhm: Abschied von der Macht für Europas Volksparteien. In: „Die Presse“ vom 21.10.2021: S. 8

https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinderatswahl_in_Graz_2021