Die blaue Steiermark: Ein Wiener Bauernopfer?

Landtagswahlergebnis Steiermark 2024 nach Gemeinden
Die Landtagswahl 2024 in der Steiermark mit den jeweils stimmenstärksten Parteien pro Gemeinde

Die Steiermark hat gewählt und hat ein ziemlich deutliches Ergebnis abgeliefert: 35% erreichte am Ende die von Mario Kunasek angeführte FPÖ landesweit. Die lokalen Regierungspartner SPÖ und ÖVP wurden abgestraft und verloren zusammen 11% der Stimmen. Schaut man in die Detailergebnisse wird es noch drastischer: Rund 42% aller Erwerbstätigen und 47% der 35-59-jährigen Wähler haben diesmal ihr Kreuz bei der FPÖ gemacht. Die „Mitte“ wählt also freiheitlich. Der große Wahlverlierer ÖVP-Landeshauptmann Christopher Drexler bezeichnete sich in einer ersten emotionalen Reaktion wütend als „Bauernopfer“ der Wiener Politik:

Die Bundespolitik hat diese Wahl dominiert wie nie. Eine Frage hat dominiert: Warum hat der Bundespräsident das gemacht? Es ist unfair das nicht der Stärkste den Regierungsbildungsauftrag bekommt. 6 von 10 Steirern haben in Umfragen gesagt, dass die Bundespolitik eine große Rolle spielt. Insofern: Ein großes Danke an Wien. Die Stimmungslage außerhalb des Wiener Regierungsbezirks ist offensichtlich eine andere als man sich dort vorstellt. Die Entscheidungen rund um die Regierungsbildung sind als unfair empfunden worden und das wird bestraft. Ich komme mir heute ein bisschen wie das Bauernopfer der Republik vor!

Landeshauptmann Christopher Drexler vor ÖVP-Funktionären am Wahltag

Wir wollen uns in diesem Beitrag nun ansehen, ob die ÖVP Steiermark tatsächlich ein politisches Bauernopfer der Bundespolitik ist und welche Schlüsse wir nun daraus ableiten können! Das Wahlergebnis ist jedenfalls ein ziemliches politisches Beben und eine klare Absage an ein politisches Weiter wie bisher. Weiter wie bisher steht hier für eine ÖVP-Koalition mit den Grünen, die zu oft links abgebogen ist und eine zweite Migrationswelle a la 2015 zugelassen hat, während sich Österreichs Nachbarländer politisch abgeputzt haben und Migranten in Richtung Österreich weitergeschickt haben. Nachdem die Nehammer-ÖVP den Warnschuss bei der Europawahl, sowie bei der Nationalratswahl bisher offenbar nicht gehört hat, entlädt sich die Volksseele nun ein viertes Mal und straft die ÖVP bei einer Wahl 2024 ab.

Landtagswahlergebnis Steiermark 2024 %te
Vorläufiges Endergebnis der Landtagswahl Steiermark

Das bundespolitische Bauernopfer?

Laut FPÖ-Wahlsieger Mario Kunasek spielten in der Steiermark wie bei jeder Wahl naturgemäß regionale wie bundespolitische Themen eine Rolle. Die meisten Politologen und Politiker stimmen ihm da zu, wobei die Steiermark schon eine regionalpolitische Besonderheit vorweist: Sie wählt gerne genau so wie ganz Österreich im Durchschnitt. Das Wahlergebnis 2019 entsprach etwa fast 1:1 dem Nationalratswahlergebnis 2019. Die Steiermark ist also „der“ österreichische „Swingstate“ und damit ein Ort, wo man den politischen Puls des Landes direkter fühlen kann als anderswo. Eine große Umfrage des ORF und der Kronen Zeitung ergab eine – durchaus bemerkenswerte – Verteilung von 60-40% für bundespolitische respektive landespolitische Wahlmotive. Sechs von 10 Steirern haben also wirklich aufgrund bundespolitischer Themen wie etwa Migration und der Regierungsbildung so gewählt wie sie gewählt haben.

Zwei wichtige Motive stechen bei vielen Nachwahlbefragungen hervor: Viele Menschen sind mit der Entscheidung von Bundespräsident Van der Bellen unzufrieden, Herbert Kickl bei der Regierungsbildung zu übergehen. Die erstmalige Ignoranz einer demokratischen Usance hat viele Leute zurecht erzürnt. Desweiteren wird der kommenden „Zuckerl-Koalition“ aka „Austro-Ampel“ offensichtlich nicht zugetraut, die Zuwanderung nach Österreich einzuschränken. Die langen Sondierungen und die konträren Programme stimmen viele Wähler da sehr kritisch, weil man – wieder zurecht – annehmen darf, dass eine Dreierkoalition große politische Probleme und viele leere Kompromisse mit sich bringen wird. Nachdem mit der FPÖ genau die Partei, die beides ablehnt, 18% zulegen konnte, was den höchsten Zugewinn der zweiten Republik bedeutet, kann man festhalten, dass der Volkswille und das politische Momentum auf jeden Fall als Ablehnung des politischen Kurses von Karl Nehammer und Andi Babler interpretiert werden können.

Die steirischen Politiker sind also wirklich in gewisser Form mitgehangen und mitgefangen mit ihren Bundesparteien. Landeshauptmann Drexler darf dem Bund und insbesondere Van der Bellen also zurecht eine Mitschuld geben. Auch das Thema Inflation ist letztlich (in seiner drastischen österreichischen Form) auf dem bundespolitischen „Mist“ von ÖVP und Grünen gewachsen. Für die grüne Regierungsleistung wurden letztere bei dieser Wahl übrigens halbiert.

Ergebnis der Wahl in Mandaten im Landtag

Die landespolitischen Folgen

Laut steirischer Verfassung ist der Wahlsieger – FPÖ-Chef Kunasek – nun beauftragt, erste Regierungsgespräche zu führen. Er wird daraus höchstwahrscheinlich als neuer steirischer Landeshauptmann hervorgehen, der entweder mit der ÖVP oder der SPÖ regieren wird. Theoretisch könnte die ÖVP mit SPÖ und NEOS oder den Grünen natürlich auch eine eigene Dreier-Regierungsmehrheit gegen die FPÖ finden. Dieses Szenario ist aufgrund der Höhe des freiheitlichen Wahlsiegs allerdings demokratiepolitisch höchst unwahrscheinlich geworden. Rund 35 % der Wähler sind in einer Demokratie eine Hausmacht, die man aus demokratiepolitischer Sicht eher nicht ignorieren sollte.

Landeshauptmann Drexler hat bis dato ausgeschlossen, den Vize zu machen, klang am Wahlabend aber dann plötzlich anders. Eine Koalition der FPÖ mit der ÖVP aber auch mit der SPÖ ist also möglich. Laut Servus TV bombardierten SPÖ-Funktionäre ihre FPÖ-Pendants bereits am Wahlabend mit sms, in denen sie ihre Bereitschaft zum Mitregieren bekundeten. Anders als Bundes-SPÖ-Chef Babler haben die steirischen Genossen eine solche Zusammenarbeit auch schon vor der Wahl nicht ausgeschlossen. Realpolitisch werden also ÖVP und SPÖ um eine Zusammenarbeit mit der FPÖ rittern müssen aber nur eine Partei kann dabei natürlich das Rennen machen.

Bundespolitische Auswirkungen

Frankreich und Schweden haben etwas gemeinsam: Sie werden von einer bürgerlich-liberalen Minderheitsregierung regiert, die von einer rechten Partei toleriert wird. Warum? Weil man mit linken Parteien keine restriktive Migrationspolitik machen kann. Die Österreicher wollen ebenso mehrheitlich eine restriktive Migrationspolitik. Dazu „gehört“ realpolitisch aber eine Regierungsbeteiligung der FPÖ, die bei diesem Thema die größte Glaubwürdigkeit hat. Eine Doskozil-SPÖ hätte das realpolitisch vielleicht ebenso verkörpern können, aber jedenfalls keine Babler-SPÖ. Laut Umfragen zeigen das auch Nachwahlbefragungen der FPÖ-Wähler aus der Steiermark: Anders als früher ist nicht länger der Protest das wichtigste Motiv, sondern es wird eindeutig erwartet, dass die FPÖ regiert und ihre Themen auch politisch umsetzt. Ein immer größerer Teil der Menschen drängt somit auf merkbare Veränderungen und Korrekturen in der bestehenden Politik.

Die ÖVP müsste daraus nun einen wichtigen Schluss ziehen: Sie muss gegen die SPÖ eine maximal restriktive Migrationspolitik und eine wirtschaftsfreundliche inflationsdämpfende Wachstumspolitik durchsetzen. Rechte Politik versprechen und dann links abbiegen ist keine Option mehr, wenn man Wechselwähler ansprechen will. Sobald das ohne große politische Abstriche mit einem Andi Babler nicht möglich ist, müssten die Verhandlungen sofort abgebrochen und entweder eine Minderheitsregierung mit den NEOS oder eine Koalition mit der FPÖ anvisiert werden. Tut die ÖVP das nicht, dann gefährdet sie mittelfristig ihre politische Rolle und wird wohl dauerhaft zu einem Juniorpartner rechts der Mitte degradiert werden.

Ein Landeshauptmann Kunasek kann nun künftig auch bundespolitisch medial eine stärkere Rolle einnehmen. Dazu kommen der Nationalratspräsident Rosenkranz, das Recht alleine U-Ausschüsse einzusetzen und politisch bald 5 Bundesländer mit freiheitlicher Regierungsbeteiligung. Die FPÖ hat nun also viel Gestaltungsmacht um sich breit als Regierungsalternative zur ÖVP zu präsentieren. Der politische Wettbewerb für die Volkspartei wird also härter, vor allem mit dem Marxisten Babler im politischen Schlepptau.

Fazit

Die Österreicher erwarten sich mehrheitlich politische Lösungen rechts der Mitte: Weniger Migration, keine Illegalen, mehr Wirtschaftswachstum, weniger überfüllte Spitäler und Arztpraxen, mehr Geld für das eigene Volk. Wenn Österreich im Jahr 2023 rund 5 Milliarden Euro für Asylwerber ausgibt, von denen ein Großteil illegal ins Land kommt und kein Asyl bekommt, dann stößt das zurecht sauer auf, wenn man Stadtviertel in Wien und Graz nicht mehr als österreichische Städte wahrnimmt ebenso. Und was macht die Bundes-ÖVP? Sie versucht gerade die SPÖ damit politisch zu ködern, dass künftig Ausländer den österreichischen Pass günstiger erwerben können.

Der steirische Wähler ist bei bundespolitischen Fragen seit jeher sensibler als andere Bundesländer. Das zeigt die Wahlgeschichte der grünen Mark ebenso wie jüngste Umfragen explizit dazu. Die Landtagswahl in der Steiermark ist daher deutlich als politische Richtungswahl zu verstehen. Die FPÖ erzielte hier den größten Zugewinn der zweiten Republik nicht wegen Mario Kunasek oder der Spitalschließung in Rottenmann! Es ging um ihre „großen“ bundespolitischen Themen und ihre oppositionellen Forderungen, sowie auch darum, dass ein Bundespräsident sich über den Wählerwillen ein Stück hinweg gesetzt hat. Der FPÖ-Wahlsieg unterstreicht deshalb den bürgerlichen Wunsch einer politischen Kurskorrektur. Es ist ein harter Schuss vor den Bug des Koalitionsschiffs der „Zuckerlkoalition“ von Karl Nehammer.

Vielleicht helfen auch ein paar nackte Zahlen aus dem Wahljahr 2024 diese „Nachricht“ der Wähler zu dechiffrieren: Bei der EU-Wahl hat die FPÖ rund 8% dazugewonnen. Bei der Nationalratswahl waren es dann schon knapp 13% und bei der Vorarlberger Landtagswahl rund 14%. Nun in der Steiermark sind es fast 18%. Ein Spoiler dazu: Weder Vilimsky, Kickl, Bitschi noch Kunasek sind großartige Sympathieträger oder geniale Rhetoriker. Es muss also wohl an ihren Themen liegen.

Siehe dazu auch unsere Vorwahlanalyse: Die Steiermark-Wahl: Eine Abrechnung für die Austro-Ampel! – Der März (dermaerz.at)

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Links & Quellen

Steirische Landtagswahl am 24. November 2024 – Verwaltung – Land Steiermark

Die Steiermark-Wahl: Eine Abrechnung für die Austro-Ampel! – Der März (dermaerz.at)

5 Gründe warum es keine ÖVP-SPÖ-NEOS Koalition braucht ! – Der März (dermaerz.at)

Regierungsbildung: Wie Van der Bellen diesen Prozess delegitimiert! – Der März (dermaerz.at)

Die französische Lösung : Koalition aus ÖVP und NEOS ! – Der März (dermaerz.at)