Aktuell läuft der Streit zwischen der Stadt Wien und der UNESCO gerade in die nächste Runde: Wird der Wiener Innenstadt der Status als Welterbe aberkannt oder darf er doch bleiben ? Grund für diesen Streit ist das Immobilienprojekt am Wiener Heumarkt ! Dieser liegt direkt an der Wiener Ringstraße und damit im Bereich des Welterbes, weshalb hier UNESCO-Regeln greifen, um dieses zu bewahren. Um das Welterbe gibt es nämlich eine weitere Zone, in der die Bebauung strengen Regeln unterliegt, die Wiener Innenstadt soll ja nicht architektonisch verbaut werden. Es geht also um den aktuellen architektonischen und städteplanerischen Zeitgeist versus dem historischen baulichen Erbe !
Wir vom März finden diesen Zwist zwischen UNESCO und der SPÖ-geführten Wiener Stadtregierung ziemlich symbolisch für die Wiener Stadtentwicklung der letzten 100 Jahre. In der Donaumonarchie hatte man einst in Wien ja groß gedacht und geplant und die Grundlagen für eine 4 Millionen Weltmetropole gelegt. Von diesen gesetzten Maßnahmen profitiert die Stadt bis heute. Der sozialdemokratische Städtebau hingegen hat seit 1920 zwar große Erfolge bei der Linderung der Wohnungsnot erzielt, städtebaulich Wien aber sicher nicht zum Besseren verändert. Warum, darüber werden wir in diesem Artikel genauer diskutieren ! Viel Vergnüngen beim Lesen!
Der Heumarkt: Synonym für die Wiener Stadtentwicklung unter der SPÖ
Wie das obige Bild demonstriert wäre der Bau eines Hochhauses am Heumarkt ein ziemlicher Eingriff in die Sichtachsen des historischen Wien. Hinter dem Schloss Belvedere würde sich dann irgendwann dieser – optisch wenig ansprechende – Wolkenkratzer nahe der Ringstraße erheben. Genau daran stört sich die UNESCO und hat Wien deshalb auf die „rote Liste“ des gefährdeten Weltkulturerbes gesetzt. Man sieht ganz einfach die Regeln verletzt, die Wien einst selbst eingegangen ist, um Welterbe zu werden. Gemäß dieser Regeln darf man nämlich – zumindest die Innenstadt – nicht mehr beliebig bebauen ohne auf optische Verträglichkeit (im Volksmund wohl Verschandelung) zu achten. Dabei hilft dann auch keine politische Pampigkeit der Wiener SPÖ-Regierung:
Tourismus-Stadtrat Peter Hanke sieht die Möglichkeit, dass Wien eines Tages auf das Prädikat „Weltkulturerbe“ verzichten muss, als „wahrscheinlich kein Beinbruch“.
https://www.meinbezirk.at/wien/c-politik/welterbe-titel-zu-verlieren-waere-fuer-hanke-kein-beinbruch_a6209146
Im Jahr 2012 hatte die Stadt erstmals die Idee einer Hochhausbebauung am Heumarkt präsentiert. Schon damals war die Fachwelt ob der Bauideen ziemlich entsetzt. Angetrieben wurde das Projekt vom umtriebigen Investor Michael Tojner, der es bis heute forciert. Kritiker merkten schon damals zur Wohnbaupolitik des roten Wiens am Heumarkt an:
Kritisiert wurde vor allem eine Fehlkonstruktion des Verfahrens: Nicht, welche Bebauung der Ort vertrage, sei zur Debatte gestanden, sondern wie sich die Rendite-Vorstellung des Investors an diesem Ort umsetzen ließe.
Christian Kühn (02.09.2023): S. SPECTRUM V in „Die Presse“ vom 02.09.2023
Die Stadt Wien segelte also offenbar im Windschatten des Investors Tojner, welcher naturgemäß auf seine eigene Rendite achtete und nicht so sehr auf die architektonische Verträglichkeit an einem so zentralen Platz am Rande der Wiener Innenstadt. Dieser soll das Areal zudem um lediglich 4,2 Millionen Euro erworben haben, womit eigentlich genügend Spielraum für architektonische Konzessionen bestünde, so die Kritiker. Politisch umgefallen sind (neben der SPÖ) jedenfalls die Wiener Grünen: Obwohl ihre eigene Basis dagegen stimmte, stimmten die grünen Mandatare (wohl auf Druck der SPÖ) im Gemeinderat dafür. Warum wohl fragt man sich ? Warum steht das Wohl eines Investors den Sozialdemokraten näher als der Welterbestatus der Stadt Wien und die architektonische Verträglichkeit?
Der Gemeindebau: Beton-Sozialismus
Wien setzt unter sozialdemokratischer Führung nun schon seit 1920 auf „Beton-Sozialismus“ österreichischer Prägung. Die Stadt errichtet mit öffentlichen Geldern (die sie vom Bund erhält) Gemeindebauten und vermietet diese dann günstig an rund ein Drittel aller gegenwärtigen Einwohner Wiens. Das macht die Stadt Wien zum größten Eigenheimbesitzer Europas, was man unter anderem auch an den Fassaden der Gemeindebauten selbst erkennen kann: Viele haben seit Jahrzehnten keine Farbe und keine Renovierung mehr gesehen, weil es naturgemäß für Politiker andere, bessere Anreize gibt. So lenken sie das Steuergeld der Bürger lieber in neue Bauten um, die sie dann publikumswirksam eröffnen können, denn das könnte ihnen weitere dankbare Wähler bescheren. Ex-Kanzler Faymann ist ein gutes Beispiel dafür. Ihm wird nachgesagt – als Wiener Wohnbaustadtrat für gute Publicity – nur zu gerne Wohnbaugelder in Neubauprojekte umgeleitet zu haben, die in der Sanierung besser investiert worden wären!
Damit wurde aber natürlich auch die Chance vergeben, die Stadt architektonisch passend zum Bestand zu ergänzen. Geschehen ist aus politischen Erwägungen aber eben anderes. Baulücken in Vierteln mit schönen Gründerzeithäusern wurden mit vielen hässlichen Gemeindebauten geschlossen (siehe obiges Foto aus dem zweitreichsten Bezirk Wiens !). Hässliche Trutzburgen des Sozialismus und später Sozialdemokratismus. Billige Miete für weit mehr als nur die Armen im Gegenzug für politische Gefolgschaft. Wer im Wiener Gemeindebau günstig auf Kosten der Allgemeinheit (übrigens dank Länderfinanzausgleich auch auf Kosten der Bregenzer, Salzburger et cetera) wohnt, der ist den sozialdemokratischen Ideen automatisch aufgeschlossener als der Eigenheimbesitzer in seiner Wohnung. Optische Ansprüche sind da dann seit 100 Jahren offenbar – mit einigen Ausnahmen – eher Nebensache. Das weiß die SPÖ Wien und betonniert munter Wohnungen vor sich hin !
Wie es anders funktioniert, zeigt uns das südenglische Poundbury. Dort baut zwar keine Stadt aber immerhin ein Herzogtum und das hat einen klaren Plan:
Poundbury: Wie Städtebau anders funktionieren kann !
Seit dem Jahr 1991 entwickelt der nunmehrige britische König Charles III. auf dem Grund des (im Besitz der Windsors befindlichen) Herzogtums Cornwall mit privaten Mitteln (!) die Kleinstadt Poundbury. Das ist eine Modellstadt, die dem britischen Dorchester vorgelagert ist und die so ziemlich das Gegenteil zur Wiener Stadtplanung darstellt. Mit einer Ausnahme: Auch in Poundbury gibt es rund 30% sozialen Wohnbau, ergo wird auch hier wie in Wien an jene gedacht, die sich teure Mieten nur schwer leisten können. In Poundbury werden aber die Ideen des „New Urbanism“ verfolgt, der sich an der kleinteiligen Struktur historischer Altstädte orientiert. Kurze Wege, viele Grünflächen und eine schöne Architektur, die Attribute aus jener Zeit zieht, als unsere Städte ihre schöne Form bekommen haben: Im 19. Jahrhundert bzw. im 20. Jahrhundert vor der Moderne !
Wie man auf den Bilder schön sieht, ist das ziemlich gut gelungen ! Keines der hier gezeigten Gebäude ist älter als 30 Jahre. Sie bieten moderne Wohnungen, Wohnraum für Arme und ein abwechslungsreiches architektonisches Ensemble !
Poundbury setzt auf bewährte klassizistische und traditionelle Architektur und verbindet dies mit moderner Stadtplanung. Es wird also historisch gebaut und zwar im Hinblick auf die optische wie ressourcentechnische Nachhaltigkeit. Ein moderner Betonbau mit viel Glas hat eine gewisse Lebensdauer und muss irgendwann ausgetauscht werden. Ein historischer Steinbau des 19. Jahrhunderts (wie etwa die Wiener Zinshäuser) sind da schon auf eine längere Haltbarkeit und – ganz wichtig – auf eine gewisse zeitlose optische Schönheit ausgelegt. Dazu hat man in Poundbury (wie in einer normalen Stadt auch) Wohnhäuser mit Einfamilienhäusern gemischt, hat schöne Plätze mit historischen Denkmälern errichtet und sich dabei auf die Geläufigkeit des ganzen Projekts fokussiert. Kurz gesagt: Es wird versucht architektonisch das Beste aus den letzten 200 Jahren herauszuholen, ohne der Moderne mit Beton und Glas zuviel Tribut zu zollen.
Es soll ja zeitloser wirken. Das Konzept in einer kurzen Beschreibung:
Durch schlichte, noble, maßvolle und abwechslungsreiche Gestaltung soll das als deprimierend hässlich, monoton und billig empfundene Aussehen modernistischen sozialen Wohnbaus ebenso vermieden werden, wie Kitsch eines vor allem in den USA verbreiteten „überzuckerten“ Neohistorismus oder die „spleenige Originalitätssucht“ postmoderner Architektur !
https://de.wikipedia.org/wiki/Poundbury
Neben Bürogebäuden und Mehrfamilienhäusern gibt es am Rande der Stadt auch Einfamilienhäuser im passenden Architekturstil, die dann für teures Geld verkauft werden und so ihren Beitrag zur Stadtentwicklung leisten. Am Ende bleibt ein Mix aus Arm und Reich in einem würdigen historischen Ambiente, sowie wir es in vielen historisch gewachsenen Kleinstädten ja auch kennen ! Poundbury boomt jedenfalls und wuchs in 30 Jahren von 0 auf rund 5000 Einwohner !
Fazit
Kritiker werden nun freilich anmerken, dass Wien mit 2 Mio. Einwohnern kein Poundbury mit rund 5000 Einwohnern ist oder sein kann ! Dabei geht es aber nicht so sehr um die Größe, sondern um die Vision im Städtebau und die Regeln für das Bauen ! Errichtet werden die meisten Gebäude in Wien, so wie auch Poundbury, ja von privaten Investoren und diese orientieren sich an den herrschenden Regeln. Wenn Wien also auf eine bessere städtebauliche Integration von historischen und modernen Gebäuden setzt und weniger auf billige austauschbare Zweckbauten, dann werden die privaten Investoren diese Gebäude auch so errichten. Hätte Wien hier Ambitionen, dann würde man wohl nicht mit der UNESCO über den Heumarkt-Wolkenkratzer streiten oder müsste Betonflächen in der Seestadt wieder aufreißen.
Alleine das Projekt der Seestadt demonstriert gerade wie kurzsichtig und architektonisch geschmacklos die Stadt Wien baut, wie freie Fläche hässlich und ziemlich klimaunfit zubetonniert wird und wie wenig harmonisch das Ganze dann am Ende aussieht. Schaut man etwa von oben nach Kaisermühlen, dann wähnt man sich im 50 km weit entfernten, noch kommunistischen Pressburg / Bratislava der 1980er Jahre. Wie man ein Donauufer schön und nachhaltig für mehrere Generationen bebaut, hätte man sich da vielleicht besser von Budapest abschauen können. Man hätte sich auch an Surfers Paradise für eine moderne Skyline mit Wolkenkratzern und Wohnungen orientieren können oder zumindest an der Skyline Frankfurts. Stattdessen aber haben wir viele hässliche austauschbare Wolkenkratzer und Beton-Gemeindebaublöcke ! Ähnlich nun in der Seestadt: Ein Block ähnelt dem anderen, Charme aus diverser Architektur: Fehlanzeige !
Dabei hat Wien in der Vergangenheit – freilich lange vor den Beton-Sozialdemokraten im Rathaus – bewiesen wie es anders ginge
! Für die Wiener Ringstraße gab es ein klares Konzept, anspruchsvolle Bauvorschriften für Private und das Ganze war – trotz der Errichtung zahlreicher öffentlicher Bauten – zudem ein enormes Geschäft für die öffentliche Hand. Die letzten Dividenden aus dem Errichtungsfond der Wiener Ringstraße flossen noch in den 2000ern in die Kassen der Stadt Wien. Und was hat man dafür bekommen? Schönste privat finanzierte Palais und eine Touristenattraktion für Jahrhunderte, nebst Büros und Wohnungen für die Wiener.
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Links & Quellen
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Heumarkt
Christian Kühn: Drei Aussichten auf das Welterbe. In: „Die Presse“ vom 02.09.2023: S. SPECTRUM V
One thought on “Beton-Sozialismus: Warum Wien mehr Poundbury werden muss !”
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