Das grüne PHANTOM: Eine Partei reüssiert ohne Mitglieder?

Jüngst machte auf Austrotwitter eine Meldung die Runde: Die SPÖ hätte nach der Verkündigung der Abstimmung über den Parteivorsitz 9000 Mitglieder gewonnen, was eine höhere Zahl an Neumitgliedern wäre, als die Grünen insgesamt Parteimitglieder hätten. Diese Information war korrekt, haben doch die österreichischen Grünen nach eigenen Angaben tatsächlich nur um die 7000 Mitglieder. Das hat allerdings spätestens mit der Regierungsbeteiligung der Grünen auch demokratiepolitische Folgen für Österreich! Schließlich braucht man qualifiziertes Personal für Regierungsämter und dieses ist offensichtlich nicht gerade in üppiger Form vorhanden.

So lag aufgrund der geringen Mitgliederzahl die rein statistische Chance eines beliebigen grünen Parteimitglieds, Minister oder Staatssekretär der Republik Österreich zu werden, zuletzt theoretisch bei nur 1 : 1000. In Prozent ausgedrückt wären das ziemlich hohe 0,1%. Karteileichen und inaktive Mitglieder sind hier gar nicht herausgerechnet, die bei der SPÖ beispielsweise, laut der Tageszeitung Heute, mehr als 15% bis maximal 50% aller Mitglieder ausmachen sollen. In letzterem Extremfalle würde ein grüner Minister also aus nur 500 verfügbaren grünen Parteimitgliedern ausgesucht werden müssen. Esoteriker, linksgrüne Rebellen gegen unsere Gesellschaft und sonstige Querulanten, die natürlich für ein Staatsamt nicht in Frage kommen würden, sind dabei noch nicht abgerechnet.

Im Vergleich dazu schauen bei anderen Parteien, wie zum Beispiel der ÖVP, die Wahrscheinlichkeiten bei 600.000 Mitgliedern in ein politisches Spitzenamt zu kommen, gleich einmal ganz anders aus. Die zweitgrößte Partei SPÖ hat rund 150.000 Mitglieder und auch die etwas kleinere FPÖ weist mit ihren rund 60.000 Mitgliedern eine immer noch viel breitere personelle Basis auf als die Grünen. Sogar die impfkritische MFG brachte es eigenen Angaben zufolge im Jahr 2022 auf rund 22.000 Mitglieder! In diesem Artikel werden wir nun diskutieren, welche politischen Implikationen es mit sich bringt, wenn eine so kleine Gruppe an grünen Staatsbürgern plötzlich soviele politische Ämter im Land besetzen muss!

Die Grünen bleiben die alte Graswurzelbewegung! Aber taugen sie so zur Regierungspartei?

Politphänomen: Das grüne Phantom

Die Grünen sind eine Partei mit (für ihre originäre Parteigröße) ziemlich vielen Wählern. Das zieht sich eigentlich durch alle Gremien und korreliert mit persönlichen Erfahrungen des Autors dieses Artikels. Seien es nun Sitzungen in Universitätsgremien, Jobauschreibungen im politischen grünen Bereich oder essentielle demokratische Aufgaben wie etwa Wahlbeisitze, es zeigt sich immer wieder dasselbe Bild: gewählte Vertreter der Grünen sind vielfach abwesend und damit generell wenig präsent. Dafür funktionierten ihre Wahlkämpfe mit wenig Personal stets umso besser. Auf Universitätsebene zum Beispiel erreichte man viel mehr Mandate mit ungleich weniger Aufwand als die personell weit besser aufgestellten schwarzen und roten Studentenparteien und auch auf Bundesebene punkten die Grünen mit kleinen Budgets und wenig Mitarbeitern gegen massive rote und schwarze Parteiapparate.

Daraus kann man nur eines ableiten: Die Wählerinnen und Wähler der Grünen wählen die Partei gerne wegen ihrerThemen, haben aber ein unterdurchschnittliches Interesse, sich für ihre Partei auch politisch zu engagieren. Das sieht man auch in der Wiener Landespolitik: Das personelle Interesse an den Grünen korreliert stark mit ihrer Regierungsrolle. Nach dem Koalitionsaus mit der SPÖ ist das Interesse an den grünen halbjährlichen Parteitreffen spürbar gesunken! Sobald die Partei also auf den harten Oppositionsbänken gelandet war, starb schnell auch das inhaltliche Interesse der kleinen grünen Basis . Man könnte auch sagen: Parteiarbeit ist bei den Grünen ein Job für Opportunisten. Erst wenn es politisch etwas zu tun gibt und Posten zu besetzen sind, wird man aktiv!

Wenn die Medien also letztlich oft von einer „rebellierenden grünen Basis“ phantasieren, dann laufen sie realpolitisch einer Chimäre nach, einem Ungeheuer aus der Phantasiewelt. Ein Gutteil der aktiven grünen Parteimitglieder ist nämlich wohl direkt (Funktionäre) wie indirekt (Familienmitglieder, Freunde der Funktionäre) in die Regierungsarbeit eingebunden, sei es in den Landtagen, in Landesregierungen wie Salzburg und einst Wien, in grün regierten Landeshauptstädten wie Innsbruck, in diversen größeren Gemeinde- und Stadträten, oder eben in der amtierenden türkis-grünen Bundesregierung.

Alleine in den Kabinetten (!) der 4 grünen Ministerien arbeiten statistisch gesehen ganze 1 % aller grünen Parteimitglieder ! Dazu kommt der personell starke grüne Parlamentsklub und Parteiapparat im Umkreis der Bundesregierung. Es gibt also – überspitzt gesagt – schlicht keine große grüne „Basis“ , weil ein Gutteil der aktiven grünen Parteimitglieder allesamt in Bund, Land und den größeren Gemeinden mit Regieren oder in Opposition sein beschäftigt ist, beziehungsweise Familienmitglieder und Freunde eben jener grünen Funktionäre sind. Ein „Putsch“ der „grünen Basis“ gegen sich selbst ist also nicht zu erwarten. Eine weitere Folge der Personalknappheit ist wohl auch, dass es keine Kontrollgremien der Partei in dieser personellen wie intellektuellen Form geben dürfte, so wie dies in anderen politischen Parteien der Fall ist. Das verschlechtert in der Folge die Qualität der Regierungsarbeit und bedeutet politische grüne Macht ohne Kontrolle!

Politunerfahrenes Personal: Quereinsteiger aus der Not

Weil die Grünen oft über wenig eigenes kompetentes Personal verfügen, setzen sie in der Folge gerne auf politische Quereinsteiger. Diese haben aber in der Regel – wenig überraschend- keinerlei politische Erfahrung und sollen dann plötzlich in höchster Verantwortung politische Entscheidungen auf Basis klassischer politischer grüner Phrasen treffen. Das ist ein Unterfangen, welches sich in der Realität naturgemäß als oft schwierig darstellt.

Judith Püringer, die Parteichefin der Wiener Grünen, der wichtigsten grünen Landesgruppe , hat ihre politische Karriere beispielsweise mit der Wien-Wahl 2020 gestartet. Sie wurde daraufhin sofort zur nicht amtsführenden Stadträtin bestimmt (!) und ein Jahr später zur Parteichefin befördert. Die fast 2 Millionen Wiener haben also eine Oppositionspolitikerin und gut bezahlte Stadträtin bekommen, die zum Amtsantritt, abseits einer NGO-Tätigkeit, über keinerlei politische Erfahrung verfügt hatte.

Ähnlich war es bei der grünen Justizinisterin Alma Zadic : Ihr rasanter Parteieintritt plus Politaufstieg erfolgte knapp vor der Nationalratswahl 2019, nach der sie sofort mit dem Justizministerium belohnt wurde. Sie bekam damit eine Aufgabe, mit der vor ihr traditionell nur erfahrene Juristen und Richter mit 10 Jahren+ Erfahrung betraut waren. Zadics 2 Jahre im Parlament als Hinterbänklerin bei der Liste Pilz und ihre 2 Jahre Berufserfahrung als Rechtsanwältin (plus 4 als Rechtsanwaltsanwärterin) dürften aber die Grünen wohl irgendwie von ihren Führungsqualitäten als Justizministerin (!) „überzeugt “ haben. Niemanden sollte es aber verwundern, dass eine derart unerfahrene Spitzenpolitikerin dann sehr bald mit höchst erfahrenen Spitzenbeamten wie Pilnacek machtpolitische Probleme bekam.

Leonore Gewessler, die grüne Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, war Büroleiterin einer grünen Bezirksvorsteherin, dann Vorständin einer grünen politischen EU-Stiftung und für 4 Jahre politische Kampagnenchefin bei Global 2000. Nichts davon qualifizierte sie abseits ihrer Kernkompetenz Umwelt für die ministerielle Führungsrolle in Energie-, Mobilitäts-, Innovations- und Technologiefragen. Sie war zudem weder Abgeordnete noch Landesrätin mit Regierungserfahrung, bevor sie Ministerin mit einem der größten Budgets der Republik wurde. Politische Kampagnen für Umweltschutz zu organisieren mag zwar sicherlich eine nette Angelegenheit sein, macht eine Politikerin aber wohl nicht zu einer guten Politmanagerin und Mobilitätsexpertin, wenn es um milliardenschwere Infrastrukturinvestionen geht. Man kann deshalb in einer der größten Energiekrisen infolge des Ukrainekriegs nur hoffen, dass ihre Berater und Spitzenbeamten die richtigen Entscheidungen für Österreich treffen und getroffen haben.

Politische Implikationen

Wer die Grünen wählt, wählt also ein politisches Versprechen, bekommt aber im Gegenzug oft weder erfahrenes Personal noch notwendigerweise politische Kompetenz, Durchsetzbarkeit und eine gute Repräsentanz Österreichs . Das mag für eine 14% Partei egal sein, wird aber realpolitisch relevant, wenn eine solche Partei kontinuierlich politische Macht und Posten erringt. Deutschland zeigt hier ein ganz ähnliches Bild: Annalena Baerbock wäre wohl mit ihrem Profil, ihrer geringen politischen Erfahrung und ihrem wenig professionellen Auftreten in keiner anderen bundesdeutschen Partei Außenministerin geworden. Als eine der wichtigsten Vertreterinnen Europas auf internationaler Ebene und noch dazu in Kriegszeiten gibt sie schlichtweg kein gutes Bild ab. Amerikanische und chinesische Karrierediplomaten, bei denen das Außenamt den Höhepunkt ihrer jahrzehntealten Karriere darstellt, werden über solche Vertreter Europas hinter verschlossenen Türen maximal milde lächeln.

Aber auch auf unterster Gemeindeebene ist das mangelnde politische Basisinteresse der Grünen ein demokratiepolitisches Problem. Selbst in Wiens Bobo-Bezirken finden sich nämlich kaum grüne Wahlbeisitzer, da die Partei zu wenige interessierte Mitglieder oder Sympathisanten mobilisieren kann, die unseren demokratischen Prozess beaufsichtigen und begleiten wollen! Wachsen die Wahlerfolge der Grünen weiterhin, dann entsteht irgendwann ein demokratiepolitisches Problem, weil die „braven“, erfahrenen Wahlbeisitzer und Wahlauszähler als Grundessenz unserer Demokratie vor allem bei den zwei Volksparteien ÖVP und SPÖ zu finden sind. Den stärkeren Parteien stehen aber beim Wahlbeisitz fixe Sitze zu, die in der Folge von den Grünen auch besetzt werden müssten. Die Frage wäre dann aber nur mit wem !

Es bleibt die Erkenntnis, dass die Grünen immer noch die wenig organisierte NGO-lastige Graswurzelbewegung geblieben sind, als welche sie einst gegründet worden ist. Das mag sympathisch und frisch wirken, macht sie aber nicht zu einer der tragenden politischen Parteien dieser Republik. Deutschland ist hier abschreckendes Beispiel für eine Partei, die aufgrund medialer Schützenhilfe politisch zu schnell gewachsen ist, deren Personal dann aber mit den anstehenden Aufgaben überhaupt nicht mithalten kann (siehe etwa https://www.dermaerz.at/10-argumente-gegen-eine-gruene-regierungsbeteiligung/).

Fazit

Mit den Grünen ist 2019 eine Partei aus der außerparlamentarischen Opposition mit relativ wenigen Mitgliedern direkt in die Regierung gewechselt und niemanden sollte es daher überraschen, wenn sie dort oft weder personell noch politisch (Gesundheitsministerium, Justizministerium) gut performen kann . Die Personaldecke ist einfach sehr dünn. Gute Politiker fallen nicht vom grünen Himmel. Der Arbeitsalltag in NGOs (liebstes Rekrutierungsfeld) ist eben ein ganz anderer als das harte politische Geschäft. Die ÖVP sollte sich daher nicht wundern, dass die von den linksliberalen Wiener Medien unter stetem Druck gesetzten Grünen sich jedes noch so kleine Zugeständnis teuer abkaufen lassen. Blockadepolitik ist nämlich weit einfacher, wenn man sich selbst unsicher ist, was man eigentlich erreichen will.

Die Grünen haben zudem keine klassische Basis als demokratisches und personelles Korrektiv, wie das bei anderen Parteien sehr wohl der Fall ist. Ihre grüne Basis „sitzt“ in vielen Wiener Medien und besteht aus gut gebildeten linksliberalen parteilosen Gutverdienern, die gerne über diverse linke Sprachrohre und NGOs politisch Druck ausüben, sich aber meist scheuen, für ihre politischen Anliegen auch selbst Verantwortung zu übernehmen. Das bleibt den wenigen Grünen in Wien vorbehalten, die sich um die Bundespartei gruppiert haben oder den wenigen Landesräten mit Politerfahrung. Da verschleißt man dann schnell zwei seiner wenigen Erfahrenen im Gesundheitsministerium.

Für Österreich und die österreichische Demokratie ergibt sich dadurch eine semioptimale Situation. Die grüne Graswurzelbewegung muss sich unprofessionelle Quereinsteiger für wichtige Ämter holen, denen es komplett an politischer Erfahrung mangelt. Mit „Schuld“ an dieser stetigen Diskrepanz zwischen grünen Forderungen („besser Regieren“) und dem Ist-Zustand („durchwursteln“) sind freilich die höchst grünaffinen Medien! Anstatt die Partei wie SPÖ, ÖVP und FPÖ bei solchen Problemen direkt medial anzugehen und für die mangelnde Personaldecke zu kritisieren, wird beim grünen politisch-medialen „Liebkind“ zu oft gerne hinweggesehen! Es wird medial also nur bei einer Partei nicht aufgezeigt, dass am Ende die Politik doch ein Handwerk ist, das erlernt werden mag! Das wäre im Sinne aller Bürger, die sich eine kompetente Vertretung von einer im Nationalrat vertreten Regierungspartei erwarten dürfen.

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Links & Quellen

https://story.heute.at/kopfnuesse-letzte-tage/index.html

https://www.vienna.at/die-neue-parteispitze-der-wiener-gruenen-ein-portraet/7159768

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