Der Handelskrieg – Trumps großes Vermächtnis?

Stimmen die meisten Umfragen und US-Präsident Donald Trump wird am 3. November 2020 abgewählt, bleibt wirtschaftlich besonders ein Vermächtnis seiner Präsidentschaft: China wurde erstmals vom Westen in jüngster Zeit etwas in die Schranken gewiesen. Es bleibt also Trumps Handelskrieg mit dem autokratischen und zunehmend aggressiv auftretenden China! Der US-Präsident setzte die ersten westlichen ernstzunehmenden Gegenmaßnahmen gegen die unfaire chinesische Handelspolitik, die Benachteiligung westlicher Unternehmen und den Diebstahl westlichen Know-hows. Das ist eines der wenigen Themen wo viele Menschen – Demokraten wie Republikaner, Linke wie Rechte in Europa – mit ihm übereinstimmen. Deshalb beschäftigen wir uns nun mit dem Thema in diesem Artikel!

Wir dürfen nicht zulassen, dass China unser Land weiter plündert. Das ist der größte Diebstahl der Geschichte!

Donald Trump

Ein altes Faible Trumps trifft auf naserümpfende Freihändelsvertreter

Trump hat seit mehr als drei Jahrzehnten ein Faible für „unfairen Außenhandel“ und er argumentierte seit den 1980ern unzählige Male in Interviews gegen die zu hohen Leistungsbilanzdefizite der USA. Oft warnte er davor, dass Amerika von seinen Handelspartnern ausgenutzt werden würde. Der weltweite Handel ist also wohl DAS politische Lieblingsthema Trumps. Deshalb lies er auch nichts unversucht rasch Strafzölle einzuführen, als er 2017 an die Macht kam. Wobei ihn anfangs allerdings seine „Goldman-Sachs Leute“ in seiner Administration erfolgreich ausbremsten. Trump heuerte nämlich zu Beginn zahlreiche Mitarbeiter aus der Wall Street für seine Administration an, die seinen handelspolitischen Instinkten eigentlich gar nicht entsprachen.

Trumps Motivation in seinen Tweets: Wir (die USA) sind 500 Milliarden Dollar im Rückstand (bezugnehmend auf das Leistungsbilanzdefizit der USA mit China)

Das führte dann zu Streit zwischen den „Globalisten“ (Gary Cohn, Rex Tillerson and H.R. McMaster) und den wirtschaftlichen „Nationalisten“ (Steve Bannon, Robert Lighthizer, Peter Navarro) in der Trump- Administration. Ein Streit der erst mit dem Rauswurf der meisten „Globalisten“ enden sollte. Robert Lighthizer, Trumps Handelsbeauftragter und Peter Navarro (Director of Trade and Manufacturing Policy) sind als einzige der genannten Personen noch in Amt und Würden. Das ist der Fall weil Lighthizers, Navarros und Trumps Vorstellungen übereinstimmen:

How does allowing China to constantly rig trade in its favor advance the core conservative goal of making markets more efficient? Markets do not run better when manufacturing shifts to China largely because of the actions of its government.

Robert Lighthizer

Trump, Lighthizer und Navarro setzten damit eine alte republikanische Reagan-Strategie fort! Schon die Reagan-Administration übten während Reagans zweiter Amtsperiode massiven Druck auf die Japaner aus, um deren Handelsüberschüsse und unfairen Handelsbeschränkungen zu reduzieren. Trump verknüpfte dann auch andere politische Themen wie Nordkorea politisch mit seinen handelspolitischen Vorwürfen an China, wie folgender Tweet zeigt:

Zölle in der Praxis

In der Praxis sah es dann so aus, dass Trump am 1.März 2018 erste Strafzölle verkündete. In mehreren Eskalationsstufen wurden dann schrittweise Strafzölle im Volumen von 370 Mrd. Dollar auf chinesische Produkte erhoben, darunter Elektronik, Möbel und Stahl. China schlug mir gleicher Münze zurück und importiert dann zur Vergeltung beispielsweise mehr Agrarprodukte aus Südamerika anstatt aus dem Mittleren Westen. Die USA stört besonders das oft bei Investments oder Markteintritten ein Technologietransfer eingefordert wurde. So errangen chinesische Unternehmen mit westlichem Firmenwissen Weltmarktstatus. Das US- Handelsdefizit mit China erreichte 2019 Rekordwerte, was zeigt, dass die Entflechtung der beiden Wirtschaften noch etwas länger dauern wird. Es besteht also akuter Handlungsbedarf! Mehr als die Hälfte dieses Defizits bezahlen die US-Amerikaner für Computer und Elektroartikel. Die USA wie Europa haben ja bekanntlich ihre Technologieproduktion nach China ausgelagert, was diese nutzten um mit Huawei, Lenovo, Xiaomi und ZTE internationale Konzerngiganten hochzuziehen.

Trump ging dann 2020 einen Schritt weiter Richtung Finanzmärkte und forderte in einem Brief das „Federal Retirement Thrift Investment Board“ (FRTIB), die größte Pensionskasse des Landes, auf, nicht mehr in chinesische Anlagen zu investieren. Die Chinesen sanktionierten ihrerseits Agrarimporte aus den USA, weshalb die Trump Administration die US-Farmer mit milliardenschweren Hilfspaketen unterstützen musste. Außerdem übt der Präsident Druck auf Unternehmen wie Apple und Co. aus ihre Produktion wieder nach Amerika zu verlagern. Davon könnte etwa Mexiko profitieren, dass schon bisher als verlängerte Werkbank von US-Firmen fungiert. Ein günstiges Produktionsland, das zudem durch das von Trump verhandelte United States–Mexico–Canada Agreement (USMCA) vor Strafzöllen sicher ist.

Ist China verwundbar?

Die Antwort auf diese Frage gibt Peking selbst: Ende Oktober/ Anfang November 2020 fanden in Peking hochrangige Beratungen statt, wie das Land unabhängiger vom Ausland werden könnte. Die Ideen sollen in den nächsten Fünf-Jahresplan einfließen. Chinas Wirtschaft soll dabei stärker als bisher auf den eigenen Konsum, Produktion und interne Projekte gestützt werden und weniger vom Ausland abhängig sein. Die Chinesen sind besorgt über die amerikanischen Strafmaßnahmen und Unterbrechungen der Lieferketten. Die US-Sanktionen gegen Unternehmen wie Huawei, Tiktok und Wechat haben die chinesische Verwundbarkeit demonstriert. Auch liegen die Ausgaben privater Haushalte in China noch weit hinter westlichen Industrieländern zurück. Der private Konsum spielt also eine geringere Rolle, während die Exporte wichtiger sind als anderswo. In Zahlen ausgedrückt: während in China nur 38,5 Prozent des BIP auf den privaten Konsum zurückzuführen sind, ist es in Industrieländern durchschnittlich rund 60 Prozent.

Chinas langsames politisches Entgegenkommen in Verhandlungen mit den USA demonstriert, dass die Strategen in Peking genau wissen, dass sie ihre unangemessene Vorteile im Wettbewerb irgendwann aufgeben werden müssen. Das sogenannte Phase-Eins-Abkommen vom Januar 2020 hatte eine erste Entspannung im Handelsstreit mit China gebracht. Peking sagte zu, mehr US-Güter zu importieren und geistiges Eigentum zu respektieren. Washington verzichtete im Gegenzug auf neue Strafzölle und senkte teilweise bestehende Zölle. Seitdem stocken aber aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus die Verhandlungen: Hoffnungen auf einen weitergehenden Handelsdeal mit China hat Trump einen Dämpfer verpasst. Der Präsident ist wütend über Chinas Vertuschung der Pandemie und die dadurch begünstigte globale Ausbreitung. Trump denke derzeit nicht darüber nach, Gespräche über einen Phase-Zwei-Deal zu führen.

Die Argumente der Kritiker

Das klassische ökonomische Argument der Freihandelsbefürworter ist, dass alle Handelspartner bei einem Handelskrieg verlieren und am Ende die Zölle auf die Produkte geschlagen werden. Die US-Konsumenten bezahlen also die Zölle letztlich selbst, argumentieren viele liberale Ökonomen. Weniger Austausch sei für die globale Wertschöpfungskette schlecht und auch wenn handelspolitische Ungleichgewichte herrschen würden, so würde die Welt doch global profitieren. Der Ökonom David Ricardo (1772–1823) errechnte dies in einem Modell zur Erklärung des Außenhandels durch komparative Kostenvorteile.

Das stimmt alles natürlich wenn man rein die ökonomische Theorie betrachtet. Und wenn man in die kurze Frist schaut, in welcher die USA den Verkäufer nicht substituieren können. Höhere Preise auf ein Produkt „made in China“ werden also zunächst mangels Alternativen vom US-Konsumenten bezahlt. ABER irgendwann wird die Produktion aus China abwandern, weil höhere Profite und bessere Preise anderswo zu erzielen sind. Etwa wenn man in anderen Ländern wie Vietnam, oder gleich in einer automatisierten Fabrik in den USA produziert. Es werden also neue wirtschaftliche Anreize gesetzt! Und das bleibt mittelfristig nicht ohne Folgen.

Und nun zum Warenaustausch und den Effekten: Es mag relativ betrachtet zunächst für beide Handelspartner negativ sein, den gegenseitigen Handel zu reduzieren! Aber für ein Land wie China, das übermäßig davon profitiert und einen Großteil der positiven Effekte einstreift, ist es mittelfristig viel negativer wie etwa für die USA. Auch hier gilt: Substitution der Handelspartner ist viel einfacher, wenn man Konsument ist (USA), als wenn man Lieferant ist (wie China). Die Deindustrialisierung in den USA hat das Land heute weniger abhängig von Exporten auf den Weltmarkt gemacht als etwa China. Der starke Inlandsmarkt hilft den USA hier massiv.

Huawei und Tiktok

Ein prominentes Ziel des amerikanischen Ärgers im Zuge des Handelskriegs ist die Firma Huawei und dessen weltweit angestrebter 5G Netz-Ausbau. Auch Österreich wurde vom US-Außenminister Pompeo umworben, um auf Chinas Technologiedienste zu verzichten. Die Angst in Washington ist groß, das China so direkten Zugriff auf die weltweiten Mobilfunknetze ausüben könnte. Im März 2020 folgten strenge wirschaftliche Einschränkungen und die USA drohten allen Firmen Sanktionen an, die Huawei mit sensibler Technologie belieferten. Man vermutet nämlich den chinesischen Geheimdienst und die Regierung hinter diesem Konzerngiganten. Da die USA eine zentrale Rolle in der internationalen Halbleiterindustrie einnehmen, bedeutete dies massive Einschnitte für das Smartphone-Geschäft des chinesischen Konzerns. Sanktionen die nun kurz vor der Wahl wieder etwas gelockert wurden. Gegen die Tochter des Huawei Gründers liegt in den USA ein Haftbefehl vor (aufgrund Sanktionsverstößen im Iran-Geschäft), weshalb sie in Kanada seit 2018 gegen ihre Auslieferung in die Vereinigten Staaten kämpft.

Ein anderes unternehmerisches Schlachtfeld ist die chinesische App Tiktok des chinesischen Konzerns ByteDance. US-Präsident Donald Trump bezeichnet die bei Kindern und Jugendlichen äußerst beliebte App als Sicherheitsrisiko, weil chinesische Behörden über sie an Daten von US-Bürgern kommen. Eine Kompromisslösung durch die (mehrheitliche) Übernahme des US-Geschäfts durch die amerikanischen Konzerne Oracle und Walmart stand dann im Raum. Wurde dann von der chinesischen Führung abgelehnt, da es strittig blieb wer die Mehrheit am globalen TikTok-Geschäft in Zukunft halten sollte. Das US- Handelsministerium erhöhte deshalb kürzlich den Druck mit einer Anordnung, die das komplette Aus für TikTok in den USA mit dem 12. November bedeuten würde. Darüber streiten gerade die Gerichte.

China und Trump 2020

Trump hat also die Volksrepublik rhetorisch angegriffen wie fast kein US-Präsident vor ihm. Er hat erstmals wirtschaftlich mit dem Handelskrieg Contra geboten, Lieferketten unterbrochen, Strafzölle und Exportverbote verhängt. Das macht ihn in China einerseits verhasst, allerdings andererseits betrachten ihn viele in der Kommunistischen Partei Chinas auch als ein geopolitisches Geschenk. Die chinesische Führung begrüßt die Angriffe Trumps auf China aus innenpolitischen nationalistischen Gründen. Ein gesteigerter innerer Zusammenhalt wird hier als Bonus für den weiteren Aufstieg Chinas betrachtet. Desweiteren lässt Trumps Missmanagement der Coronakrise die Chinesen an den Vorzügen der westlichen Demokratie a la USA zweifeln. Auch das kann nur im Sinn der chinesischen Machtelite sein. Desweiteren hat Trump außenpolitisch Alliierte in der Region wie Japan und Südkorea verunsichert. Mit seiner irrlichterenden Außenpolitik hat er es Peking in der Region leicht gemacht weiteren Boden gut zu machen.

Peking würde also eine weitere Amtsperiode Trumps begrüßen, denn sie gehen auch davon aus, dass dessen Handelspolitik als Vermächtnis auch unter einem Präsidenten Biden weiter gehen würde. Die Staatsführung macht sich hier keinerlei Illusionen. Ein Konflikt mit den USA um die wirtschaftliche Hegemonie wird als unvermeidbar betrachtet. Deshalb arbeitet das Zentralkomitee der KP an einem Fünfjahresplan als Gegenentwurf zur Handelspolitik Trumps. Man strebt danach die Abhängigkeit vom Außenhandel zu verringern und sensible Hochtechnologie noch stärker im eigenen Land zu produzieren.

Fazit

Der Handelskrieg mit China und die Schaffung des Bewusstseins über den andauernden wirtschaftlichen Betrug Chinas auf Kosten des Westens werden wohl Trumps wichtigstes Vermächtnis bleiben. Im Zuge seiner Chinapolitik ist sogar die EU aus ihrem Dornröschenschlaf aufgewacht und hat versucht eigene Akzente zu setzen. Unfaire Handelspraktiken, Technologiediebstahl, Abschottung von Märkten, Plagiarismus wurden von der Trump Administration zurecht massiv angeprangert. Der Westen verliert durch hohe Leistungsbilanzdefizite mit China, die auch aus unlauterem Wettbewerb resultieren, jedes Jahr hunderte Milliarden Euro. Gelder die in die chinesische Cyberdiktatur, die weltweite wirtschaftliche und militärische Expansion und direkt an die chinesischen Konkurrenten westlicher Topfirmen fließen. Darunter staatliche Konzerne, die Daten westlicher Kunden direkt an den chinesischen Geheimdienst weiter reichen müssen.

Aktuell sind aber wirtschaftlich nur wenige Erfolge zu sehen, denn Trumps Politik wird erst mittelfristig positive Effekte zeigen. Strukturen müssen erst wieder aufgebaut werden, die leichtfertig ins Ausland verlagert worden waren. Was aber nicht bedeutet das diese Wirtschaftspolitik nicht dringend notwendig ist! Auf Dauer können die USA nicht reich bleiben indem sie nur Soja nebst anderen Agrarprodukten ins Reich der Mitte exportieren und Hochtechnologie importieren. Ein Leistungsbilanzdefizit von 370 Milliarden Dollar per anno ist eine Katastrophe. Gleichzeitig müssen die USA nun eine stärkere Exportförderung nach chinesischem und deutschen Vorbild aufbauen, um chinesischen Produkten auf Drittmärkten entgegen treten zu können.

Trump hat mit seiner simplen direkten Art die technokratischen Argumente fast aller Ökonomen und Freihandelsbefürworter beiseitegewischt. Dabei wurde nach einigem Aufschrei offenbar, was 2020 auch in der Wirtschaftswissenschaft immer mehr selbstkritischer Standard wird. Ökonometrie in der Theorie ist natürlich ungleich realer Wirtschaftspolitik. Kurz gesagt: China profitiert auf westliche Kosten, das ist aber nicht zwingend notwendig für unseren Wohlstand. Es gibt Alternativen zum bestehenden Freihandelsregime! Trump hat dieses offensichtliche, aber für viele Wirtschaftsführer unbequeme, Faktum aufgebrochen. Seine Politik signalisierte also ihr Primat über kurzfristige Renditeinteressen der Manager.

Quellen

Fabian Kretschmer: Peking sieht Trump als geopolitisches Geschenk. In: „Die Presse“ vom 29.10.2020: S. 3

Die Presse (27.10.2020): China will unabhängiger werden: S. 12

https://www.nbcnews.com/think/opinion/bannon-s-revenge-how-globalism-went-mainstream-ideology-far-right-ncna860221

https://www.industryweek.com/the-economy/trade/article/22007106/trump-said-to-pick-china-critic-for-us-trade-representative

https://www.china-briefing.com/news/the-us-china-trade-war-a-timeline/

https://www.bbc.com/news/av/world-us-canada-43248432

https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/usa-china-trump-handelskrieg-100.html

https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/aus-handelskrieg-wird-finanzkrieg-trump-will-us-investitionen-in-chinesische-firmen-unterbinden/25827162.html

https://www.focus.de/finanzen/boerse/hoher-preis-wenig-erfolg-trumps-handelskrieg-buerdet-der-welt-eine-rechnung-von-850-milliarden-dollar-auf_id_11116069.html

https://www.n-tv.de/wirtschaft/Trump-mag-nicht-mehr-mit-China-verhandeln-article21904107.html

https://www.derstandard.at/story/2000121283786/alles-ausser-5g-usa-hebt-embargo-gegen-huawei-zum-teil