In diesem Artikel wollen wir nun einen Blick auf die Vorwürfe gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und die Ereignisse der vergangenen Tage werfen. Wieviel Substanz steckt in den Vorwürfen? Wie sieht es aus mit dem System der Inseratenvergabe in Österreich? Und wieviel Theaterdonner und politisches Theater der (va. linken) Opposition gegen die regierende Kurz-ÖVP ist bei den ganzen Vorwürfen dabei?
Eines ist allerdings schon vorab ohne Detailbetrachtung hochgradig heuchlerisch und verlogen: Die Debatte um innerparteiliche private (!) Beschimpfungen wie „Arsch“ in privaten Chatnachrichten, die nun unrechtmäßig an die Öffentlichkeit geleaked wurden. Als ob niemand der lautstarken Kritiker nicht schon genau dasselbe ausgesprochen oder in ein SMS getippt hätte. Abgesehen von der völligen Irrelevanz für die politische Debatte. „Who cares“ wie Kurz und Mitterlehner sich eigentlich hinter den Kulissen privat verstanden haben? Die Debatte darum in den letzten Tagen legt meiner Ansicht nach vielmehr eher nahe, dass an den eigentlich Vorwürfen doch nicht soviel dran zu sein scheint. Ansonsten würde das mediale Theater sich nämlich auf diese Vorwürfe fokussieren. Aufgefallen ist hier etwa Frau Dittlbacher in der ZIB2, die am 15.10 einen Gutteil ihrer Fragezeit auf die „bösen Wörter“ verwendet hat.
Schon im Sommer hatten etwa die NEOS – in anderem Falle – zugegeben vertrauliche Ausschuss-Dokumente per Gesetzesbruch an die Medien weitergespielt zu haben. Und damit einmal mehr demonstriert, wie das Playbook der Opposition in Österreich funktioniert. Leaken, Anpatzen und öffentlich Verleumden – noch bevor Anklagen erhoben werden. Faire Verfahren nach Artikel 6 und Artikel 8 (Schutz der Privatsphäre) der Europäischen Menschenrechtskonvention werden so immer unwahrscheinlicher. Bitter ist nun im Fall Kurz einmal mehr, dass die Justiz hierzulande ihre Beweisdokumente nicht unter Verschluss halten kann, BEVOR Anklage erhoben wird. In Österreich befeuert dies in der Folge dann die Schuldvermutung, anstatt der eigentlich angemessenen Unschuldsvermutung.
Die Vorwürfe
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft den Brüdern Fellner, den Inhabern der Österreich-Zeitung, konkret vor Beamte bestochen zu haben. Genauer gesagt Thomas Schmid sowie andere Mitarbeiter von Schmid im Finanzministerium! Denen wurde – so die WKStA – von „Österreich“ eine günstige Berichterstattung über die ÖVP versprochen. Im Gegenzug für Inserate des Finanzministeriums bei der „Österreich“-Mediengruppe. Der Vorwurf lautet also, dass Journalisten Beamte bestochen haben sollen und wurde in dieser Form in Österreich bis dato noch nie erhoben. Ex-Bundeskanzler Kurz soll von diesem Deal profitiert haben und ist deshalb ebenso im Visier der WKStA aufgrund des Straftatbestands der Untreue. Gemeinsam mit Thomas Schmid und anderen Mitarbeitern des Finanzministeriums, sowie des Kanzleramts. Kurz wird also vorgeworfen Mitwisser und Anstifter zur Untreue zu sein (im Behördenjargon „Bestimmungstäter“).
Schaut man sich den Akt der WKStA durch so fällt einem auf, dass ÖVP-Mitarbeiter vor allem an Umfragen von „Österreich“ interessiert waren. Umfragen die von Schmid öfters an das enge Kurz-Umfeld weitergeleitet wurden. Offenbar um sich dem aufstrebenden Politiker anzudienen. Heikel könnte hier nun werden ob am Ende (vielleicht mit Steuergeld) irrelevante Umfragen bezahlt wurden und ob daraus geldwerte Vorteile entstanden sind. Ob dieses Material aber zu mehr als einer Verurteilung von Thomas Schmid und anderen Finanzministeriumsmitarbeitern wegen Scheinrechnungen reichen wird muss sich erst weisen. In den Medien wie im linken Standard oder der ZIB2 rudert man bei diesem Thema deshalb bereits etwas zurück.
Zur Frage der Schuld von Ex-Bundeskanzler Kurz als „Bestimmungstäter“ analysierte Universitätsprofessor Robert Kert in der ZIB2 folgendermaßen:
Alleine der Umstand das etwaige Handlungen zum Nutzen von Kurz waren, ist sicher nicht ausreichend für eine Bestimmungstäterschaft. Bestimmungstäterschaft bedeutet umgangssprachlich Anstiftung und man bräuchte eine Handlung.
Das sehe ich momentan in dieser Anordnung der Sicherstellung (Anm. der WKStA) nicht gegeben. Das alleine reicht für eine Bestimmungstäterschaft nicht aus.
Professor Robert Kert in der ZIB 2 (12.10.2021)
Hatte Kurz also überhaupt einen Vorteil von den – mutmaßlichen – Schmid-Beinschab-Fellner-Aktionen?
Hierbei geht es primär um die Frage ob Kurz von – potentiell frisierten – Umfragen der Frau Beinschab in der Zeitung Österreich einen politischen Profit ziehen konnte. Das ist auf ersten Blick wahrscheinlich zu bejahen – denn gute Umfragewerte sind immer besser für einen Politiker als schlechte. Auf zweiten Blick jedoch ist jedweder Effekt sicherlich höchst überschaubar. Es geht hier ja auch nur um eine Zeitung von vielen mit einer mittelgroßen Reichweite. Die zudem vor allem in Wien gelesen wird, wo sich eher nicht die Kurzwähler finden. Gewonnen hat Kurz auch nicht wegen irgendwelchen getürkten Umfragen sondern weil er zur richtigen Zeit auf die richtigen Themen setzte. Und eine gute Kampagne orchestrierte. Was alle anderen Umfrageinstitute, die Wähler und die meisten politischen Beobachter bis heute so sehen.
Der Exchefredakteur der Presse und mediale Insider Andreas Unterberger kommt zu folgender Conclusio zu möglichen Auswirkungen aufgrund potentiell frisierter Umfragen der Affäre Schmid/Beinschab:
Im konkreten Fall sind die Resultate aber nur um ein oder zwei Prozentpunkte von den sonstigen, von anderen Instituten erstellten Umfragen abgewichen. Diese haben damals allesamt und unisono ausgesagt, dass die ÖVP mit Kurz weit besser abschneiden würde als mit Reinhold Mitterlehner.
https://www.andreas-unterberger.at/2021/10/juristisch-politische-zwischenbilanz-eines-megaskandals/
Die unterstellten Aktionen waren also politisch ziemlich belanglos. Mitterlehner war erfolglos, die ÖVP war ewig im Umfragekeller und erst Kurz änderte dies. Dazu braucht es keine Tricksereien in einem der vielen österreichischen Boulevardblätter. Was im Übrigen die Argumentation von Kurz unterstreicht, der entschieden dementiert hier irgendwelche Regeln verletzt zu haben. Und auf einen möglichst raschen Abschluss der Untersuchung hofft, um seine Reputation wiederherzustellen.
Das Thema der Inserate in Österreich
Nun zum Thema der Inserate in der Republik Österreich. Hier hilft eine Betrachtung von außen, weshalb wir für diesen Artikel auf das linke deutsche Magazin „Der Spiegel“ zurückgreifen wollen. Dort analysierte der Anti-Korruptionskämpfer Hubert Sickinger folgendermaßen:
Die Sache (Anm. der Inseratenkorruption) ist nichts Neues in Österreich, … Mit den überbordenden Ineratenschaltungen hat das Ende der 1990er Jahre während der Kanzlerschaft des Sozialdemokraten Viktor Klima begonnen
Hubert Sickinger im Spiegel (09.10.2021): S. 83
Die politisch Verantwortlichen aller politischen Colours kannten dabei offensichtlich keinen Genierer. Ebensowenig wie die Geldempfänger in den Redaktionen offenbar. Als beispielsweise 2017 die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl die Regierungsinserate in ihrem Ressort um 80 Prozent kürzen wollte erntete sie heftige Proteste aus – Zitat Kneissl – „fast allen Redaktionen„. In Österreich regiert also ein Journalismus der sich nur zu gerne mit öffentlichen Mitteln füttern lässt. Leider – eine Reform wäre übernotwendig. Politisch bezahlt dafür hat als einziger bis dato Sebastian Kurz – und hier besteht nicht einmal noch eine Anklage.
ÖBB-Inserate: „Sieben Millionen für den Werner“
https://www.diepresse.com/694516/obb-inserate-sieben-millionen-fur-den-werner
Ein politischer Rücktrittsgrund war das ganze „Inseratentheater“ also bisher nie. Auch nicht als SPÖ-Bundeskanzler Faymann in der Inseratenaffäre wirklich als Beschuldigter angeklagt (!) wurde. Faymann hatte nämlich mit ÖBB-Geld u.a. eine Werbekolumne in Zeitungen veröffentlicht, wo er Propaganda für sich selbst mit etwas Bahnwerbung verband. Strafrechtlich rettete Faymann das ihm als Infrastrukturminister der ihm prinzipiell unterstehende (!) ÖBB-Vorstand einen Blankoscheck ausstellte. Wonach Faymanns Imagekampagne eh auch im ÖBB-Interesse war. Soviel also dazu. ÖBB Generaldirektor war übrigens sein Partei-Spezi und Nachfolger Christian Kern. Der selber folgende Schlagzeile fürs Wahljahr 2017 produzierte:
Kern gab als Kanzler mehr Geld für Inserate aus als Faymann
https://www.diepresse.com/5407715/kern-gab-als-kanzler-mehr-geld-fur-inserate-aus-als-faymann
Die Chats
Im Zuge der Ibiza-Untersuchung kassierte die Staatsanwaltschaft Straches Handy ein, ließ dieses auswerten und fand dann schließlich mit Thomas Schmid ein neues lohnenderes Ziel als Strache. Anders als Strache schrieb Schmid offenbar hunderttausende Chats zu allen möglichen Themen. Getrieben von einer Mission: Sich selbst vor Kurz und dessen Gefolge möglichst gut darzustellen. Seitdem taucht nun eine lange Liste von Chat-Nachrichten in den Medien auf, von denen maximal ein Bruchteil irgendeine Relevanz für die Öffentlichkeit hat. Wie etwa der Bundeskanzler PRIVAT kommuniziert kann uns Staatsbürgern nämlich ziemlich egal sein. Schließlich sollte auch Kurz das Grund- und Menschenrecht (!) Briefgeheimnis zustehen. Welches prinzipiell garantiert das private aber auch geschäftliche Nachrichten auch privat bleiben sollten. In Deutschland ist dies bei strafrechtlichen Untersuchungen etwa auch genauso der Fall. Nicht so leider in Österreich.
Degoutante, rechtlich irrelevante Chats geistern nun hier in der Öffentlichkeit herum. Die irritieren mögen. Mindestens ebenso sollte aber auch irritieren das jedes peinliche Detail sofort aus den Akten der Justiz an die Medien und die politische Gegner (wie die Neos) gespielt wird. Was in Österreich den geschulten Polit-Beobachter nur leider wenig verwundert. Da ja schon ein Peter Pilz in seinen Büchern aus unzähligen Verschlussakten ungestraft zitieren durfte! Abgesehen davon, das Anklagen überall im Land herumgereicht werden. Der Schutz der Privatssphäre nach Art 8 MRK, der auch gespeicherte Daten umfasst, ist also nicht gewährleistet. Wenn Ermittlungsakten ständig öffentlich werden ist ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 MRK unwahrscheinlicher! Eben weil die „Hängt ihn höher“-Fraktion (Zitat Peter Filzmaier) breiten Raum zur öffentlichen Vorverurteilung bekommt.
Die Chat-Ausbeute wird wohl noch jahrelang ausgeschlachtet – jedenfalls so lange, bis die ÖVP von der Macht verdrängt ist. Geht es um Aufklärung oder um moralische Diskreditierung?
Martina Salomon (13.10.2021)
Das politische Klima in Österreich
Was sich in den letzten Jahren – wohl auch aufgrund der politisch Sebastian Kurz nicht gewachsenen politischen Gegner – in Österreich verändert hat ist das politische Klima. Im Kurier schreibt Martina Salomon, dass sich Häme und Aggression ausgebreitet hätten wie ein schleichendes Gift. Schallenberg müsse sich fragen ob er verrückt sei sich die Bürde des Amts zuzumuten, wenn von Tag 1 an Opposition und Medien jeden unbedachten Impuls (!) für hämische Kritik und Untergriffe zum Anlass nehmen. Auch deshalb wird Kurz´ Verfahren mangels ergiebiger und klarer Vorwürfe wohl ewig dauern, denn die linke Jagdgesellschaft wird erst zufrieden sein, wenn sie ihr „türkises Ziel“ samt Gefolgschaft zur Strecke gebracht hat.
Kurz „Prätorianer“ (oder jene die sich dafür hielten) haben diese feindliche Einstellung des Establishments gegenüber der ÖVP offenbar unterschätzt. Die Wiener-Medien sind nämlich seit Schüssels Zeiten und dem Ende der SPÖ-Dominanz äußerst argwöhnisch bei ÖVP-Bundeskanzlern. Das hatte ein naiver Thomas Schmid bei seinen Ränkespielen offenbar nicht am Monitor, als er fleißig (wohl vielfach stark übertriebene) Whatsapp-Nachrichten verfasste. Deshalb wäre es – bei dem absehbaren Wahlsieg 2017 – notwendig gewesen nur untadeligste Machtwerkzeuge einzusetzen. Die „Option Silberstein“ (Schmutzkübelkampagne) haben nämlich hierzulande nur die Linken. Zumindest solange die Medien politisch so einseitig aufgestellt sind. Kurz war immer ein guter Kommentator und wird sich neunmal ärgern, nun politisch den Preis für einen solchen belanglose Unsinn bezahlen zu müssen. Witzlos ist bei dieser ganzen Affäre dass die Linken Mitterlehner nun als armes Opfer darstellen. Genau den Mitterlehner, der selbst Spindelegger erfolgreich heimtückisch wegputschte.
Nun sind in der Koalition beide Partner frustriert: Der ÖVP wurde ihr Kanzler weggeschossen und die Grünen sind sich nicht sicher ob sie nicht den Lockrufen der Opposition und der linken Medien nachgeben sollten. Was bedeutet, dass die Koalition bei nächster Gelegenheit enden könnte. Nur der Unwillen auf Neuwahlen und ein gewisser politischer Gestaltungswillen spricht aktuell dagegen!
Die politische Taktik der österreichischen Linken & ihrer Medien
Das Kanzleramt gilt seit der Kreiskyära in Wien den linken Eliten als eine Erbpacht, die medial und politisch mit Zähnen und Klauen gegen die Anspruche der bürgerlichen Mehrheit verteidigt wird. Deshalb konnten seit 1983 trotz bürgerlicher Mehrheit bei allen Wahlen (!) nur Wolfgang Schüssel (2000-2007) und Sebastian Kurz (2017-2021) für mickrige 11 Jahre den parlamentsmehrheitsmäßig angestammten Platz der bürgerlichen Mehrheit im Ballhausplatz einnehmen. Ansonsten stellte immer die SPÖ den Kanzler in stets ungeliebten Koalitionen mit FPÖ (1970-71/1983-1986) und ÖVP (1986-2000/2007-2017).
Als Kurz sich 2017 anschickte gemeinsam mit der FPÖ eine breite bürgerliche Koalition zu bilden, formierten die Linken ihren Widerstand. „Donnerstagdemos“ begannen gegen eine Regierung hinter der bis 2019 stets 60 Prozent der Österreicher standen. Linke Medien beackerten ständig die FPÖ als das politisch schwächere Glied mit konstanten Angriffen, um der ÖVP die Aufrechterhaltung der Koalition irgendwann zu verunmöglichen. Da wurde etwa das „Rattengedicht“ eines FPÖ-Gemeinderats im tiefsten Innviertel zur Politaffäre hochstilisiert. Linken Medien durchkämmten auf der Suche nach „FPÖ-Einzelfällen“ das Land. Mit dem Ibiza-Video endete dann diese Koalition unnötigerweise.
Martina Salomon schreibt dazu im Kurier (13.10.2021):
Mittlerweile haben alle vergessen, was der Auslöser des Ibiza-Untersuchungsausschusses war: eine illegal aufgezeichnete Inszenierung, die zur peinlich besoffenen Prahlerei vor einer vorgeblich russischen Schönen führte. … Man kann sich aber des Verdachts nicht erwehren, dass es zuerst darum ging die FPÖ zu demobilisieren und dann – als diese aus der Regierung flog – die ÖVP „zu erwischen“.
Auch in der bisherigen türkisgrünen Koalition spielten und spielen die linken Medien eine wichtige Rolle, indem sie stetig die grüne Basis gegen die türkise ÖVP und ihre grünen Regierungspartner aufzuwiegeln versuchen. Ständig wird thematisiert wie wenig sich die Grünen (13%) gegen die ÖVP (37%) denn durchsetzen könnten, obwohl die politischen Verhältnisse völlig klar sind. Wie auch die Einstellungen bei der Migrationspolitik. Für die sogar ein koalitionsfreier Raum vereinbart wurde.
Der größte politische Fehler des Sebastian Kurz
Als dann die Ibiza-Affäre kam, und Strache das peinliche Opfer eines politisches Komplotts einiger linker Wiener FPÖ-Gegner wurde, machte Kurz den politischen Fehler seines bisherigen politischen Lebens. Unter dem Eindruck einer Handvoll linker Protestierer vor dem Kanzleramt, dem unseligen Einfluss der ÖVP-Landeshauptleute und der linken Medienmacht beendete er grundlos die türkisblaue Koalition. Strache und Gudenus, die einzig für „Ibiza“ relevanten und verantwortlichen Akteure, waren da ja bereits zurückgetreten und aus der Politik ausgeschieden. Als Hebel zum Koalitionsbruch nutzte Kurz die Forderung der Entfernung von Herbert Kickl aus dem Innenministerium. Unter dem haltlos lächerlichen Vorwurf wonach dieser Ermittlungen im Wege stehen würde. Er spaltete damit die bürgerliche Mehrheit und schuf sich mit Kickl einen persönlichen politischen Feind. Überheblich war es zudem von Kurz wie er Fachministern, welche die FPÖ-Minister ersetzten, die Kabinettchefs vorgab. Kein Wunder also das nach diesen Ereignissen eine unnötig gedemütigte FPÖ beim Misstrauensanstrag der Opposition mitstimmte.
Kurz nahm politisch eine Abwahl im Parlament in Kauf und blamierte sich damit unnötig. Außerdem gab er linken ÖVP-Gegnern in der Wiener Beamtenschaft eine Chance im politischen Vakuum alle möglichen Vorwürfe gegen die ÖVP voranzutreiben. Was sich schon bald bei den Ibiza-Untersuchungen zeigte, die sich weniger gegen Strache oder Gudenus richteten, sondern vor allem gegen den wirklichen machtpolitischen Gegner – die ÖVP. Kurz gewann 2019 triumphal die Neuwahl, patzte dann aber machtpolitisch erneut als er eine Koalition mit der grünen Partei einging, die ihm ideologisch am weitesten entfernt war. Unter deren Ägide die rot-grüne WKStA einen Freifahrtsschein bekam, alle möglichen Untersuchungen einzuleiten. Zu Fragen die zuvor in der rot-schwarzen Ära nie irgendeine politische Relevanz hatten. Es fehlt nun politisch deshalb eine gewisse Verhältnismäßigkeit.
In der türkisgrünen Koalition wurde Kurz abhängig von Politikern von der Gegenseite der Kurz-Hasser. Von Grünen etwa die Kurz noch am Wahlabend beleidigten, sowie auch von einem grünen Bundespräsidenten.
Die Ankläger von der WKStA
In der Ära Kurz fiel die WKStA erstmals medial dadurch auf, als Machtkämpfe im Justizressort publik wurden. Zwischen ÖVP-Sympathisanten um den ehemaligen Sektionschef Pilnaczek und eben der politisch eher im rot-grünen Bereich verorteten WKStA. Mit der Ablöse Pilnaczeks (aufgrund haltloser Vorwürfe) durch die grüne Justizministerin Zadic wurde dieser Machtkampf im Justizministerium dann „von der Linken“ entschieden. Das die Verbindungen zum linksextremen Rand eng sind dokumentiert etwa, dass Peter Pilz in seinem jüngsten Buch ganze 100 Zitate aus WKStA Akten referenzierte (!). Was einem zu denken geben sollte!
Hier machte Kurz nun einen entscheidenen politischen und menschlichen Fehler. In einem Hintergrundgespräch am 20. Januar 2020 ortete er ein „rotes Netzwerk“ von Staatsanwälten in der WKStA. Ein Vorwurf der durch Indiskretionen nach außen drang und das Verhältnis zwischen Kurz und den Korruptionsjägern seither belastet. Wobei freilich die WKStA von einem grünen Expolitiker (Walter Geyer) aufgebaut wurde und ihr abseits von Kurz viele andere ebenso eine durchaus linke parteipolitische Schlagseite unterstellen. Was in Österreich in einer Bundesbehörde nichts neues ist: Jedes Amt hat nämlich hierzulande eine politische Schlagseite. Wobei es aber Usus ist zumindest der unabhänigen Justiz keine solche zu unterstellen. Um das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht zu untergraben. Abseits der Tatsache, dass natürlich auch dort nur normale Menschen arbeiten.
Außerdem kann man als Politiker wie Staatsbürger wenig gewinnen, wenn man sich mit der Justiz und dem Rechtsstaat anlegt. Die österreichischen Linken und die Opposition verorteten Kurz gleich in der Liga eines Viktor Orban und beklagten bei der Kritik nicht ganz zu Unrecht einen Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit. Während die beleidigte WKStA in der Folge vielleicht etwaige Untersuchungen gleich mit umso mehr Elan forcierte. Kurz hat also unnötigerweise eine Institution herausgefordert gegen die man im Rechtstaat so schnell nicht bestehen kann. Anstelle das Verfahren abzuwarten und es mit allen rechtlichen Mitteln zu bekämpfen.
Die Lehren für die bürgerlichen Politiker
Für bürgerliche Politiker, die immerhin eine Mehrheit von rund 60 Prozent der österreichischen Wähler vertreten, gelten folgende Lehren aus der Affäre: Die veröffentlichte Meinung steht diametral gegen sie, sobald sich irgendein zu kritisierender Sachverhalt auftut – unabhängig von Unschuldsvermutung und Substanz der Vorwürfe. Wie überall im Westen regiert auch in Österreichs Medien ein Trend zum linken „Erziehungsjournalismus„, der nicht mehr die Information der Leser in den Vordergrund stellt, sondern die Haltung der Redakteure und deren politische Mission. Es wird immer weniger zwischen Bericht und Kommentar unterschieden, wobei die politische Neutralität flöten geht.
Heiligt der politische Zweck die Mittel, wird das Grundrecht des Briefgeheimnisses nicht mehr gewahrt und intimste private Chats ohne jeglichen Belang für die Causa geraten an die Öffentlichkeit. Der politische Gegner verwendet dazu tiefste Untergriffe a la „System“ oder „Regime“ um normale Regierungskritik auszudrücken. Die NEOS haben dabei etwa alle noble Zurückhaltung abgelegt und linksextreme Taktiken eines Peter Pilz 1:1 kopiert. Mit dem Ziel die ÖVP maximal anzupatzen. Hier wurden bürgerliche Hoffnungen definitiv enttäuscht, auch wenn niemand der Aufklärung im Weg stehen will. Eine andere politische Erkenntnis für die grünaffine „schwarze“-ÖVP ist, dass viele führende grüne Politiker geradezu enttäuscht wirkten, dass sie nach dem Wochenende immer noch in einer Koalition mit der ÖVP sind. Auf die Stabilität einer Regierung mit den Grünen sollte man in Zukunft also nicht mehr viel wetten.
Auch die Wahl des linkesten Bundespräsidenten aller Zeiten – Van der Bellen – ist nicht ohne politische Folgen geblieben. Wenn sich Van der Bellen für private Chats (!) von ÖVP-Politikern öffentlich „entschuldigt“, so patzt er natürlich deren Integrität bewusst an. Wenn Werner Kogler in die Hofburg zum „Sondieren“ marschiert, dann stärkt ein linker Bundespräsident natürlich politisch „seine“ Grünen in der Koalition. Zuungunsten der ÖVP in der Krisensituation. Anders ausgedrückt:
Es macht einen Unterschied wenn ein Grüner in der Hofburg sitzt!
Wo alles egal zu sein scheint: Der Fall Wien & die Doppelmoral der SPÖ
Nach der Bundesregierung ist der größte Inseratevergeber die rot regierte Stadt Wien. Die übrigens mit Steuergeld (!) sogar ihren eigenen Jubelfernsehsender W24 betreibt, wo dann Journalisten des (mit über 1 Million von der Stadt Wien geförderten) linkslinken Falters ausführlich über die „rechte“ Bundesregierung herziehen dürfen. Das System der Inserate gegen wohlmeinende Berichterstattung ist also auch der Wiener SPÖ keineswegs fremd. Vielmehr spielt sie da in der Ersten Liga mit. Politisch kritisiert wird sie dafür freilich nicht wirklich, denn anders als eine Bundesregierung die man stürzen kann bleibt die SPÖ ja stets in Amt und Würden in Wien.
Aber die Liste potentieller unaufgeklärter Wiener SPÖ-Skandale ist noch um vieles breiter. Da werden etwa bei den beliebten Weihnachtsmärkten (siehe „Gute Nacht Österreich“: https://www.youtube.com/watch?v=yjbIxEVSt48) jedes Jahr Millionen Euros an Freunderl verschoben. Oder es gibt riesige Wirtschaftsskandale wie beim Krankenhaus Nord, die nie adäquat aufgeklärt und aufgearbeitet werden. Es exisitert hier also wohl ein eindeutiges System und Machtkartell im Wiener Rathaus. Welches einen teils schädigenden Einfluss auf die Stadt und ihre Aktivitäten ausübt.
Eines ist also wohl ziemlich sicher: Sollte jemals eine ernsthafte Untersuchung a la „Anti- Türkise Kurz-ÖVP“ in Wien mit der Zielrichtung der regierenden SPÖ betrieben werden, so dürfte sich hier wohl massenweise belastendes Material finden. Da wäre die aktuelle Untersuchung gegen das „türkise System“ wohl ein Lercherlschas dagegen. Weshalb der unbedingte Machterhalt der SPÖ in der Stadt Wien für ihr politisches Überleben auch bundesweit geradzu essentiell ist.
Hier wäre übrigens die WKStA gefragt, um sich endlich einmal ausgiebig in Wiener Skandale hineinzuwühlen und ihre Zeit nicht mit den machtlosen Straches dieser Republik zu vergäuden. Wenn wir den nun schon soweit sind, alte österreichische Politgewohnheiten nun endlich auch strafrechtlich zu hinterzufragen. Gleiches Recht und Unrecht für alle !
Fazit
Aktuell stellt sich die Lage so dar, dass Kurz aus mehreren Gründen ein Opfer der Umstände sein könnte. Könnte für den Fall des Falles, dass sich seine rechtliche Unschuld so klar beweisen lässt wie er es artikuliert. Ein Opfer der vermeintlichen Hybris seiner Mitarbeiter und jener von Karrieristen wie eines Thomas Schmid. Aber auch ein Opfer einer unfairen harten anpatzerischen linken Gegenreaktion auf seinen kühnen Aufstieg. Seit 2017 läuft nämlich eine linke Kampagne in Dauerschleife gegen den verächtlich als „Messias“ verspotteten Anführer des bürgerlichen Lagers. Kurz war wohl zu jung, zu erfolgreich und zu rechts fürs linkslinke Wiener Establishment. Dazu half Kurz zudem gelindegesagt wenig, dass er bereits zwei von drei potentiellen Koalitionspartnern verschlissen hatte. Sodass die Kurz-ÖVP nun in einer ungeliebten und instabilen Koalition mit der linkesten Parlamentspartei in Österreich feststeckt.
Angesicht dieser Vorkommnisse müssen bürgerliche Politiker und Wähler endlich Folgendes verstehen: Dem linken Establishment geht es nicht wirklich um Affären, Inserate, die FPÖ, um Leaks, den Klimawandel oder die (stets wirtschaftlich wie außenpolitisch höchst positive) Entwicklung Österreichs unter einer bürgerlichen Regierung. Es geht einzig allein um die politische Macht im Lande und die tiefe Abscheu der Wiener Linken im Kanzleramt irgendjemanden zu dulden, der anders denkt als sie selbst. Schüssel wurde wie Kurz heruntergemacht und trotz persönlicher Untadeligkeit als illegitimer „Schweigekanzler“ einer „tiefkorrupten Regierung“ portraitiert. Nun ist es aktuell der untadelige Schallenberg und sein vermeintlicher „Schattenkanzler“. Schallenberg, der im Feuer der Kritik seit Tag eins seiner Kanzlerschaft steht, anstatt das ihm die alten „100 Tage“ Schonfrist gewährt werden.
Die SPÖ dagegen „darf“ meist ungestraft mit ihren Beratern a la Silberstein politisch „dirty“ spielen und 500.000 Euro an Steuergeld dafür verschwenden. Sobald aber der ÖVP – Gott bewahre – vorgeworfen wird (!) das alte Faymannmodell mit den Inseraten gut zu spielen, sprechen Linksextreme wie Peter Pilz vom „Regime“ und „System“ Kurz.
Links und Quellen
https://www.diepresse.com/1472615/inserate-affare-sorgte-jahrelang-fur-wirbel
https://www.diepresse.com/5616424/ratten-gedicht-der-fpo-braunau-schlagt-hohe-wellen
Martina Salomon (13.10.2021): Hass und Häme. In: „Kurier“ vom 13.10.2021: https://kurier.at/meinung/hass-und-haeme/401768772
Oliver Das Gupta und Walter Mayr (09.10.2021): Operation Kanzleramt. In: „Der Spiegel“ vom 09.10.2021: S. 80ff.
https://www.andreas-unterberger.at/2021/10/juristisch-politische-zwischenbilanz-eines-megaskandals/
https://www.diepresse.com/5407715/kern-gab-als-kanzler-mehr-geld-fur-inserate-aus-als-faymann
Gottfried Schellmann: Übt Sebasitan Kurz für „Dancing Stars“? In: „Die Presse“ vom 12.10.2021: S. 24f.
https://www.menschenrechtskonvention.eu/briefgeheimnis-und-telekommunikationsgeheimnis-9335/
2 thoughts on “Die Affäre Kurz: Eine Einordnung der jüngsten Ereignisse”
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