Österreich spielt sich EU-politisch mit seiner Rolle innerhalb der Sparsamen Vier erstmals seit der Flüchtlingskrise wieder an die Spitze einer wichtigen Diskussion in der EU. Es geht um die Frage wieviele Milliarden von Corona-Hilfen verschenkt und wieviele Milliarden als Kredite vergeben werden sollen? Die EU-Kommission fordert 500 Milliarden an nicht rückzahlbaren Hilfen (aka Geschenken) plus 250 Milliarden an Krediten zur Krisenbewältigung. Das sind noch einmal 250 Milliarden mehr als Merkel und Macron ursprünglich gefordert hatten.
Österreich kritisiert diese hohen Anteile an nicht rückzahlbaren Subventionen. Bundeskanzler Kurz formte daher schon im Frühjahr (noch vor Corona) im Zuge der Diskussionen um den EU-Haushalt gemeinsam mit Dänemark, Schweden und den Niederlanden die Allianz der „Sparsamen Vier“ (Englisch: „frugal four“). Schon damals forderte die Kommission höhere Beiträge ins EU-Budget, was vor allem die Nettozahler störte. Diese forderten Sparsamkeit und Umstrukturierungen im Zuge des Brexit, anstelle einer Weitschreibung der großzügigen Förderungen als wäre nichts gewesen.
Österreich – einer der größten Netto-Zahler
Als drittgrößter Nettozahler (Stand 2017/2018) von EU-Mitgliedsbeiträgen pro Kopf und neuntgrößte Volkswirtschaft der EU spielt Österreich bei der Entscheidungsfindung eine größere Rolle, als man gemeinhin als „gelernter Österreicher“ annehmen würde. Dies liegt nicht zuletzt wohl an der passiven, ja nicht existenten, sozialdemokratischen Außenpolitik der Faymann- und Kern-Regierungen (2008-2017). Damals glänzte Österreich nicht gerade mit eigenen Initiativen und blieb lieber kritiklos im deutschen Fahrwasser. Aus dieser Zeit stammt das Bonmot Merkels wonach Faymann vor Besprechungen mit keiner Meinung hinein und mit ihrer Meinung aus dem Raum geht. Unter der aktuellen Regierung Kurz II ist dies jedoch schon längst anders – Österreich gewinnt an eigenem außenpolitischem Profil!
Die Zahlen für das Haushaltsjahr 2018 (Stand 2019) unterstreichen diese Rolle! Österreich leistet nicht nur den drittgrößten Beitrag am nationalen BIP nach Dänemark und Deutschland (vor Schweden und den Niederlanden – sic!), sondern zahlt auch pro Kopf den drittgrößten Beitrag aller EU-Länder. Wer zahlt sollte also durchaus auch den Mut aufbringen in Brüssel auch entsprechend anzuschaffen:
Das Corona/Covid19-Rettungspaket
Zurück zum Corona-Paket der EU-Kommission! Spanien, Italien, Griechenland und andere Volkswirtschaften stehen wieder einmal (nach Finanz- und Bankenkrise) wirtschaftlich und fiskalisch mit dem Rücken zur Wand. Die Briten sind mit dem „Brexit“ gleich ganz aus der EU geflüchtet und Deutschland fällt nun die Rolle zu die EU wieder „great again“ zu machen – sofern sie das jemals war 😉 Das ist übrigens mehr oder weniger wirklich das Motto der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 , die wohl etwas Nachhilfe vom US-Präsidenten hatte:
Deutsche Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union
Gemeinsam. Europa wieder stark machen.
https://www.eu2020.de/
Deutschland bildete bis vor kurzem gemeinsam mit Großbritannien und den jetzigen „Sparsamen 4“, das traditionelle Gegengewicht zu den ausgabenfreundlichen Südländern. Nun aber fällt Deutschland 2020 dank staatspolitischer Verantwortung (als EU-Ratspräsident) für die Krisen-EU teilweise aus. Es muss 2020 während Corona als „ehrlicher Makler“ moderieren und an Lösungen arbeiten. Deutschlands Rolle als „Chefsparer“ ist somit also vakant und wurde nun erfolgreich von den übrigen kleineren Nettozahler-Ländern gefüllt!
Kredite oder Transfers?
Bundeskanzler Kurz ergriff dabei die Initiative und betonte gleich zu Beginn gegen eine Schuldenunion zu sein. Er versprach eine „Schuldenunion durch die Hintertür“ durch nicht rückzahlbaren Transfers zu vermeiden. Mit seinen Kollegen der „Sparsamen Vier“ in Den Haag, Kopenhagen und Stockholm fordert Kurz daher vor allem (aber nicht ausschließlich!) Kredite statt Transferzahlungen. Also keine Geschenke auf Pump, sondern Hilfen mit Rückzahlungsdatum. Die sehr niedrigen Zinsen (weit unter den Niveaus der Finanzkrise) verstärken dabei die Argumente der Transfer-Gegner um Kanzler Kurz! Krisenländer wie Frankreich, Italien und Spanien können sich heute äußerst günstig selbst Geld auf den Finanzmärkten besorgen.
Kredite, so die Sparsamen Vier, würden in der Folge sinnvoller investiert werden, da diese ja zurückgezahlt werden müssen, weshalb ein zukünftiger Ertrag oder Effizienzgewinn miteinkalkuliert werden würde (Konditionalität im weitesten Sinne). Bei Geldgeschenken ist die Gefahr von Verschwendung, Korruption, Missmanagement dagegen natürlich unweit größer. Andererseits betonen die Südländer das ihre hohen Schuldenquoten und ihre überzogenen Budgets keine weitere Kreditaufnahme mehr erlauben würden – wollen sie ihre Bonität auf den Finanzmärkten erhalten. Die Kreditkarte ist also bereits dort mehr als überzogen!
Die Gefahren dieses Programms
Die bereits anlaufenden Diskussionen in Ländern wie Italien zeigen, dass vielfach gar nicht klar ist, wo man den nun einsetzenden Geldregen nun denn eigentlich brauchen würde. Ein Beispiel dafür ist, das wieder die Frage in Italien aufgewärmt wurde eine Brücke oder einen Tunnel vom Festland nach Sizilien zu bauen. Oder die Italiener sprachen davon das die „Zivilgerichtsbarkeit“ von den Hilfen profitieren sollte. Da stellt sich natürlich dann die Frage wie betroffen die italienischen Gerichte denn durch den Wirtschaftseinbruch in Italien eigentlich waren? Und was ist mit den Milliarden für die Osteuropäer? Deren Abhängigkeit vom Brüsseler Geldfluss verstetigt sich immer mehr. Das polnische und ungarische „Wirtschaftswunder“ der letzten Jahre ist eigentlich ein europäisches Subventionswunder. Die EU setzt also weiterhin falsche Anreize und verlängert bestehende Abhängigkeiten. Dazu kommen dann neue im Süden Europas dazu. Der Juncker-Fonds der schon in der Vergangenheit viele schwache Projekte gefördert hat, wird ebenfalls verlängert.
Fazit
Egal wie der endgültige Mix aus nicht rückzahlbaren Transfers und Krediten am Ende sein wird: Essentiell ist auf jeden Fall die Konditionalität, Nachhaltigkeit und Sorgfalt bei der Auswahl der zu fördernden Projekte, Unternehmen, Kommunen et cetera. So wenig Geld wie möglich sollte verschwendet werden, oder in sinnlosen und ineffizienten Projekten versenkt werden. Die EU hat dabei leider eine lange Geschichte solcher Vorfälle von völlig fehlgeleiteten und verschwendete Subventionen, was natürlich auch ihren enorm großen und längst unübersichtlich gewordenen Förderprogrammen geschuldet ist.
Sollte es abgesehen davon zu einer desaströsen 2. Welle a la spanische Grippe 1919 kommen, so wären die jetzt diskutierten Hilfen des weiteren ein höchst riskantes Unterfangen für die EU. In der Mitte der Krise derart viel gemeinsames „Pulver“ derart früh und einseitig in einige Länder zu verschießen hat schon in Spanien bei der Staatsschuldenkrise nicht funktioniert: Milliardenrettungspakete konnten das Land damals nicht vor der Rezession retten. Länder wie Italien, Frankreich, Polen und Spanien würden nach dem aktuellen Plan den Löwenanteil der Förderungen bekommen – obwohl das Ende der Fahnenstange noch nicht absehbar ist.
Folgen der Rettungspolitik
Einen weiteren interessanten Aspekt der Transferlösung beleuchtet Dr. Hans-Peter Siebenhaar in der Presse so: Nicht rückzahlbare 500 Milliarden Euro seien für Italien und Co. zwar zuerst ein großartiges Geschenk. Die Empfängerländer werden dadurch aber auch zu Bittstellern und die Abhängigkeit von Gratiszuwendungen a la Entwicklungsländer bedeutet realpolitisch in der EU eventuell künftig eine politische Zweitklassigkeit. Um Siebenhaar wortwörtlich zu zitieren:
Wer am Verhandlungstisch die Hand aufhält, wird auf Dauer nicht auf Augenhöhe mitenscheiden können.
Dr. Hans-Peter Siebenhaar in „Die Presse“ (01.07.2020): S. 26f.
Das sollten sich die Südländer daher auch gut überlegen. Auf Dauer wird es nicht nur den Sparsamen Vier, sondern auch anderen reichen „Nordstaaten“ die Kultur des Subventionierens ohne Rückzahlung, also Transfers a la Norditalien an Süditalien, sauer aufstoßen. Speziell wenn dem österreichischen Steuerzahler klar werden wird, dass er wohl bis zu 12 Milliarden Euro für das Covid-Von der Leyen Programm wird übernehmen müssen, die dann zum Großteil anderen Ländern zugutekommen werden. Ob dann die Solidarität mit den Krisenverlieren immer noch so groß sein wird, wird sich weisen.
Weiterführende Links und Quellen
Deutschlands EU-Ratspräsidentschaft: https://www.eu2020.de/
Sebastian Kurz in der Financial Times (16.02.2020): https://www.ft.com/content/7faae690-4e65-11ea-95a0-43d18ec715f5
Zahlen zum EU-Budget 2018: https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/europa/70580/nettozahler-und-nettoempfaenger (siehe Bundeszentrale für Politische Bildung)
Hans-Peter Siebenhaar in „Die Presse“ vom 01.07.2020: S. 26f.
Stefan Brocza in „Die Presse“ vom 16.07.2020: Was wurde eigentlich zerstört? S. 22