Die Prognosen für die 2020er Jahre von Seiten des Instiuts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) in Wien sind harsch: Weitere 2,5 bis 4,7 Millionen illegale Einwanderer aus Afrika und dem Nahen Osten werden erwartet. Deren missliche Lage macht sich schon heute eine „Hydra“ aus drei EU-Nachbarländern zunutze, um von der EU Geld und politische Zugeständnisse zu erpressen. Es droht eine fortgesetzte Flüchtlingskrise 3.0! Zu diesen „Hydra-Staaten“ (bisher Türkei und Libyen), die sich ihre Flüchtlingspolitik mit bahrer Münze abgleichen lassen und dabei erfolgreich europäische Milliardensubventionen einfordern, gesellt sich nun auch das nordafrikanische Königreich Marokko.
In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Herausforderungen bei der europäischen Migrationspolitik im kommenden Jahrzehnt der 2020er Jahre! Wie kann die EU eine kommende Flüchtlingskrise besser meistern? Was muss sie im Umgang mit ihren Nachbarländern und ihren südlichen Mitgliedsstaaten noch lernen?
Die „Hydra“ vor den Toren der EU
Die antike Hydra ist natürlich ein mythologisches griechisches Fabelwesen mit mehreren (in der Regel 3) Köpfen, die sich den griechischen Helden entgegen stellt. Wird einer der Köpfe abgeschlagen wachsen ihr zwei neue. Was zur Flüchtlingskrise eine wunderbare Analogie bietet: Schon Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi erpresste die EU mit den afrikanischen Flüchtlingsströmen erfolgreich. Seit seinem Sturz ist Libyen nun in mehrere Warlord-Fraktionen zerfallen, die nun allesamt „Lösegeld“ aus Brüssel bekommen, um illegale Migranten von der Überfahrt übers Mittelmeer abzuhalten. Im Zuge der Flüchtlingskrise erkannten also immer mehr Nachbarländer der EU und Warlords, das Brüssel letztlich zahlen würde, um sich illegale Migration vom Leibe zu halten. Nicht anders trieb es Erdogan in der Türkei, der mit dem EU-Türkei-Deal gleich Milliarden an Euros einsammeln konnte.
Marokko hat nun 2021 von der Türkei und Libyen gelernt wie man den Migrationshebel gegen Brüssel und Madrid effektiv nutzt. Und wie man die Lage der Flüchtlinge ausnutzt, um „Lösegeld“ und Zugeständnisse aus Brüssel zu bekommen. Die Europäer schaffen es nämlich immer noch nicht ihre wirtschaftliche Stärke in politischen Einfluss umzumünzen! Oder militärische Stärke im Mittelmeer an ihren Grenzen zu simulieren. Und sind daher von ökonomischen Leichtgewichten erpressbar, obwohl diese Staaten allesamt wirtschaftlich von Europa abhängig sind. Marokko hatte etwa gut funktionierende Grenzabkommen mit Spanien, kündigte diese aber 2020/21 auf. Um neue Forderungen gegen Spanien und die EU zu erheben: Anerkennung der Annexion der Westsahara, mehr Gelder für „Grenzschutz“, keine Frontexsoldaten in spanischen Enklaven, et cetera!
Zur Bekräftigung ihrer Argumente liesen es die Marokkaner dann 2021 wieder einmal zu, dass tausende Migranten die Grenzen zu den spanischen Enklaven von Ceuta und Melilla überrannten und in Europa damit für Schlagzeilen sorgten. In Brüssel wächst die Sorge das Marokko im Sommer 2021 die Schleussen noch mehr öffnen könnte.
Die hilflose Reaktion der EU: Lösegeld und politische Versprechen für Grenzschutz
Im Jahr 2016, nachdem bereits über 1 Million illegaler Migranten die Grenzen der Union überwunden hatten, schloss Brüssel einen Deal mit der Türkei. Ankara verpflichtete sich darin, alle auf griechischen Inseln ankommenden Flüchtlinge ohne Asylanspruch zurückzunehmen und gegen Schlepperbanden vorzugehen. Dafür wurden der Türkei 6 Milliarden Euro an Subventionen zugesprochen, die verwendet werden sollten, um die rund 3,7 Millionen Flüchtlinge in der Türkei zu versorgen. Wer wie die EU seine Grenzen nicht selbst vor dem Ansturm von hunderttausenden illegalen Migranten schützen kann und nicht einmal im Rahmen von Schengen effektive Grenzsicherung organisieren kann, der muss wohl einen Preis bezahlen.
Der Erdogan-Türkei ist das deutlich bewusst. Vize-Außenminister Faruk Kaymakci forderte 2021 noch mehr Geld, denn die 6 Milliarden seien bereits verbraucht:
Die EU müsse bei der Flüchtlingsversorgung „Wort halten und schnelle und angemessene Finanzhilfe leisten“
türkischer Vize-Außenminister Faruk Kaymakci (2021) zur APA; https://www.diepresse.com/5952641/die-turkei-will-einen-neuen-fluchtlingsdeal-mit-der-eu
Kaymakci pochte gleichzeitig darauf, dass die EU 2016 gemachte Zusagen erfüllt: Stärkung der türkischen EU-Beitrittsperspektive, Verhandlungen über die Modernisierung der Zollunion. Darüber hinaus müsse die EU „flexibel“ bei der Abschaffung des Visa-Zwangs für türkische Bürger sein, „damit Türken ungehindert nach Europa kommen können„.
Mit der Knüppel der (angeblich) 4 Millionen Flüchtlinge macht die Erdogan-Türkei erfolgreich Politik gegen Europas Eurokraten angeführt von Angela Merkel. Frontex ist schwach und außerdem oft die Hände gebunden, wenn es darum geht illegale Migranten über die Grenzen in Anrainerstaaten zurückzuschieben. Man spricht dann von „Push-Backs“ , die in Europas liberaler Presse immer gerne kritisiert werden. In Australien sind die Push-Backs gängige Praxis, während in Europa von linken NGOs gerne der Grundsatz der Nichtzurückweisung hochgehalten wird. Um die Grenzsicherung zu erschweren. Dieser Grundsatz sieht vor, dass niemand in ein Herkunftsland zurückgeschickt werden darf wo ihm Folter droht. Wobei man bei der Türkei wohl mit einiger Sicherheit festhalten kann, dass sie ein sicheres Drittland für Migranten darstellt.
Was tun also gegen die Hydra?
Wie Hercules einst aus seinen Erfahrungen im Kampf mit der Hydra lernte, so sollten wir von anderen westlichen Ländern und deren Umgang mit ihren Grenzen lernen. Der Status-quo für Europa ist teuer und demonstriert geopolitisch unsere Schwäche! Zudem ist er jedes Jahr tödlich für tausende illegale Migranten und erzeugt hierzulande in Heer von Millionen Illegalen ohne jede legale Chance auf Aufnahme oder Asyl. In Afrika und Asien landen Migranten in den Gefängnissen von Menschenhändlern, werden ausgebeutet und ausgeraubt. All das für ein oft genug unereichbares Ziel.
Das alles kann nicht in unserem europäischen Interesse sein. Es besteht also Handlungsbedarf! Wie die Entwicklung nach dem Fall Gaddaffis zeigt, hat sich Europa mit seinem Sturz keinen Gefallen getan. Eine ganze Reihe von „Hydraköpfen“ ist dort seitdem entstanden, die sich ihren Grenzschutz nun teuer abgelten lassen. Begann alles einst mit italienischen Geldern im Westen Libyens zur Eindämmung der Migration, stehen nun viele andere libyische Warlords, Tunesien, Marokko und die Türkei auf der Finanzliste der Europäer. Diese wird dabei immer länger, was zeigt das eine Auslagerung des Grenzschutzes teuer kommt. Und trotz allem nicht effektiv genug ist! Zehntausende illegale Migranten schaffen nämlich trotz allem die Überfahrt!
Australien und die USA haben ihrerseits andere, bessere Wege gefunden in den letzten Jahren, um mit illegaler unerwünschter Migration umzugehen. Sie ergriffen erfolgreich Maßnahmen und exerzierten eine effektive Grenzschutzpolitik, welche wir in diesem Artikel nun vorstellen möchten.
Grenzschutz a la Australien: „No Way“
Einen ganz anderen Weg geht schon seit einigen Jahren Australien, dass ebenfalls mit zehntausenden Bootsflüchtlingen konfrontiert war! Mit seiner strengen „No Way“ Politik macht das Land deutlich, dass es bei illegaler Migration quasi keine Chance auf einen Aufenthalt im Land gibt, wie auch das obige Werbevideo unterstreicht, dass mit Kampagnen und Inseraten auch in den Hauptflüchtlingsländern in deren Sprachen deutlich klargemacht wurde. Die Regierung verhängt nämlich 2013 einen Aufnahmestop für illegale Migranten, die so genannten „Boat People“, die von Indonesien nach Australien übersetzen wollten. Man errichtete Anhaltelager für Asylchecks im Ausland in Papua-Neuguinea oder Nauru, wo Illegale auf den Ausgang ihrer Verfahren warten müssen. Die Botschaft ist klar:
Wer illegal versucht nach Australien zu kommen, auf den wartet kein neues Leben, sondern Abschiebehaft.
https://www.deutschlandfunk.de/australische-fluechtlingspolitik-bootsfluechtlinge-ohne.799.de.html?dram:article_id=423461
Einst umstritten ist die Politik in Australien nun unumstritten. Australiens Ex-Premier Tony Abbott empfiehlt diese auch den Europäern mit den folgenden Argumenten:
Kein Durchkommen für Schlepperboote, Flüchtlinge abschieben, die Grenzen dichtmachen. Australiens Lösung ist Abschottung, die Politik des Turnbull-Vorgängers Tony Abbott. Er rät Europa, dasselbe zu tun. Menschen, die durch mehrere, sichere Drittstaaten gereist wären, seien keine Flüchtlinge mehr, sondern Migranten – nicht auf der Suche nach Sicherheit, sondern nach einem rundumversorgten Leben. Für Abbott sind diese Flüchtlinge „Asyltouristen“, die sich das Land aussuchten, das ihnen am meisten lebenslange Sozialhilfe verspreche und am wenigsten Integration abverlange.
https://www.deutschlandfunk.de/australische-fluechtlingspolitik-bootsfluechtlinge-ohne.799.de.html?dram:article_id=423461
Dänemark folgt nun dieser australischen Politik unter sozialdemokratischer (!) Führung (siehe Links) und will demonstrieren, dass auch Europa den australischen Weg gehen kann ! Asylzentren sollen in Nordafrika eingerichtet werden und Asylanten dort ein sicheres Leben in einem kulturell nahen Drittstaat ermöglicht werden. Das verhindert dann eine ungewollte Überfremdung der dänischen Gesellschaft wie auch eine Einwanderung ins dänische Sozialsystem.
Die USA: Trumps (und neuerdings Bidens!) Migrationspolitik
Auch die USA wurden regelmäßig mit dem Ansturm von Millionen illegalen Einwanderern konfrontiert, was den Unmut vieler normaler rechtschaffender Bürger nach sich zog. Mit dem Slogan eine Grenzmauer zu bauen, gewann Donald Trump dann auch 2016 die Wahl zum US-Präsidenten. Während er sein Versprechen eine Mauer vom Pazifik bis zum Golf von Mexiko zu bauen erwartungsgemäß nur teilweise einlösen konnte, war er in seiner Immigrationspoltitik ziemlich erfolgreich.
Trump setzte nämlich politisch und wirtschaftlich in Mexiko und Mittelamerika einen Hebel an und erzwang mit diesem Druck eine Kontrolle der mittelamerikanischen Grenzen. Trump forderte ein Ende der Laissez–faire Politik der mexikanischen Sicherheitskräfte, die zuvor illegale Migranten auf ihrer Durchreise in die USA gerne passieren liesen. Ebenso drohte er Hilfsgelder für die kleinen Staaten Mittelamerikas zu kürzen, wenn diese Flüchtlingskarawanen weiter zuliesen und dabei wegsahen. Was zur Folge hatte das 2019 schon vor der Pandemie die illegale Einwanderung in die USA massivst einbrach. Weil nun auch Länder wie Guatemala und Honduras Maßnahmen gegen illegale Migration ergriffen und Mexiko seine Südgrenze kontrollieren ließ. Was alleine geographisch schon viel effektiver ist, als die Migranten erst bei der rund 3000km langen mexikanisch-amerikanischen Grenze abzufangen.
Die trumpsche Politik war so erfolgreich, dass auch sein demokratischer Nachfolger Joe Biden seine Stellvertreterin Kamala Harris nach Mittelamerika schickte, um den Druck auf die dortigen politischen Eliten aufrecht zu erhalten und den potentiellen Migranten eine klare Botschaft zu senden:
Fazit
Europa steht sich aus ideologischen Gründen selbst im Weg! Statt vernünftigem „Common Sense“ in der Migrationspolitik a la USA oder Australien setzt man auf eine unterfinanzierte, schwache Frontex und auf Mitgliedsstaaten die sich gegenseitig Migranten zuschieben, anstatt ihre Außengrenzen effektiv zu schützen. Sämtliche Nachbarländer der EU werden von dieser finanziell unterstützt und dennoch lässt sich der Staatenbund von der „Hydra“ regelmäßig erpressen. Anstatt sein wirtschaftliches Gewicht a la USA in die Waagschale zu werfen und den Grenzschutz vom Mittelmeer in die südlichen Anrainerstaaten zu verlegen. Wäre nämlich die Botschaft der Abschottung in Afrika und dem Nahen Osten angekommen, würde nur mehr ein Bruchteil eine gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer riskieren. Weniger Menschen würden sterben, oder ihr Geld für Schmuggler verschwenden, ohne ein Bleibeperspektive in der EU zu haben.
Eine Flüchtlingskrise 3.0 könnte im Ansatz vermieden werden. Fliehen tun schließlich nicht die wirklich Armen, sondern eine Mittelschicht, die es sich leisten kann tausende Euro an Schlepperbanden zu zahlen. Gelder die in deren Herkunftsländern besser investiert wären und die vor Ort wirtschaftlichen Fortschritt generieren könnten. Gleichzeitig muss sich die Union einen effektiven und robusten Grenzschutz etwas kosten lassen. NGOs dürfen nicht länger mit Menschenschmugglern einen Menschentransport übers Mittelmeer betreiben! Eine Entwicklung die wohl nur durch eine lückenlosen Überwachung des Mittelmeers durch die spanische, italienische und griechische Küstenwache aufgefangen werden kann. Dies erfordert teure Investionen in Schiffe, Dronen, Personal und Flugzeuge, wobei die EU ihren klammen südlichen Mitgliedsländern effektiv helfen könnte. Mit einer Rendite in Form von weniger Migration in (nord-)europäische Sozialsysteme und einer Beschäftigungsoffensive für gut bezahltes Frontex-Personal im armen mediterranen Süden Europas.
Dazu muss die EU in den „Hydra-Staaten“ innenpolitisch Einfluss nehmen, um Stabilität und Rechtsdurchsetzung und Grenzschutz im Gegenzug für Handel und europäische Hilfsgelder zu garantieren. Der größte Wirtschaftsraum der Welt darf sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen!
Links und Quellen
https://kurier.at/podcasts/daily/erwartet-die-eu-eine-neue-fluechtlingskrise/401407668
https://www.diepresse.com/5952641/die-turkei-will-einen-neuen-fluchtlingsdeal-mit-der-eu
Bastaroli Susanna (16.06.2021): Wie Marokko den Migrationshebel gegen Spanien einsetzt. In: „Die Presse“ vom 16.06.2021: S: 4
Kirst Virginia (16.06.2021): Europa und sein libysches Problem. In: „Die Presse“ vom 16.06.2021: S: 4
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