Zuerst waren es die NEOS und dann die ÖVP, die einer Zusammenarbeit mit der Babler-SPÖ eine Absage erteilt haben. Das geschah nicht aus Jux und Tollerei, sondern aus inhaltlichen Gründen. Das geleakte Verhandlungspapier der Zuckerlkoalition gibt dazu einen guten Eindruck. Darin erkennbar ist eine SPÖ-Linie, die mehr an kleingeistige Kollektivverhandlungen erinnert als an ein großes Staatsganzes. Angesichts wohl relativer geräuschloser und rascher Koalitionsverhandlungen von FPÖ und ÖVP ist es also durchaus spannend zu analysieren, was Österreich sich nun mit dem Aus der Zuckerlkoalition womöglich erspart hat.
Was alles wird nicht kommen, nachdem ÖVP, SPÖ und NEOS sich nicht einigen konnten? Vor allem von den SPÖ-Forderungen gibt es da einige inhaltliche „Schmankerl“, die einen rational denkenden (bürgerlichen) Menschen durchaus erschrecken sollten. So forderte die Babler SPÖ mit 45 statt 25 Prozent etwa die höchste Kapitalertragssteuer der Welt (!). Dazu kam noch eine Bankenabgabe, welche die Institute natürlich 1:1 auf jeden Menschen mit Bankkonto weitergereicht hätten. Statt den Klimabonus abzuschaffen, wollte man diesen zudem „überarbeiten“. Was man nicht „überarbeiten“ wollte, war das kriselnde Pensionssystem. Letzteres motivierte insbesondere die NEOS schließlich, die Zusammenarbeit in der Zuckerlkoalition zu beenden. Ohne adequate Reformen wollte man nicht mit ÖVP und SPÖ zusammenarbeiten.
Wir werden deshalb nun einen Blick ins Koalitionspapier werfen und unsere Schlüsse daraus ziehen. Viel Vergnügen beim Lesen!
Der sozialdemokratische Angriff auf das „Kapital“
Andi Babler geriet vor Weihnachten in Bedrängnis, seine großmütigen Versprechungen im Wahlkampf mit der Realität in Einklang zu bringen. Es musste irgendetwas Handfestes von seiner linken Ideologie im Regierungsprogramm sichtbar sein. Offenbar gab es nach 3 Monaten Verhandlungen hier nach Bablerscher Ansicht noch viel zu wenig. Wenn schon Erbschaftssteuern schwierig werden würden, sollten zumindest die Banken Strafsteuern auf ihre Gewinne bezahlen:
„Karl, ich brauche die Bankenabgabe“, habe er gesagt.
Babler zitiert nach Der Standard zu Nehammer; https://www.derstandard.at/story/3000000252408/chronologie-des-scheiterns-so-kam-es-zum-ende-von-schwarz-rot-pink
Das geschah plötzlich und um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, zog Andi Babler im neuen Jahr dann die Zustimmung zu anderen Einigungen wieder zurück. Auf diese Weise wollte er politisch gut vermarktbare Vermögenssteuern erzwingen. NEOS und ÖVP regierten auf diese Taktik aber ungehalten und empfanden das Zurückrudern als unseriös. Die bisherigen Einigungen waren ja ohnehin nach mühsamen Gesprächen gerade erst erzielt worden. Dann suchte die SPÖ nach weiteren Steuerideen und wurde bei der Kapitalertragssteuer fündig:
Ab 7000 Euro Jahreszinsen eine Kapitalertragsteuer (KESt) – die Angaben schwanken hier zwischen 42 und 45 Prozent.
https://www.derstandard.at/story/3000000252044/der-katzenjammer-der-spoe
Neben der Bankenabgabe, welche natürlich 1:1 an alle Kunden in Österreich umgelegt worden wäre, wollte die SPÖ also die Kapitalertragssteuer um fast 100% erhöhen, sofern mehr als 7000 Euro Zinsen im Jahr bezogen würden. Wir reden hier bei einer Verzinsung von 3% aktuell von einem angesparten Betrag von rund 230.000 Euro. Das mag – bei einem durchschnittlichen Geldvermögen von rund 65.000 pro Kopf – nicht die Mehrheit, aber doch viele Österreicher betreffen. Zudem würde es dazu führen, dass viel Geld von vermögenden Menschen ins Ausland abwandern würde. Wer würde schon 45% auf seinen Zinsertrag an den Staat abliefern, wenn er das Geld per Anweisung leicht ins Ausland transferieren könnte? Kapital für notwendige Investitionen mitten in einer Wirtschaftskrise wäre so also wohl verstärkt ins Ausland abgeflossen.
Die Ankurbelung der Wirtschaft
„In der Wirtschafts- und Steuergruppe sind de facto alle wichtigen Punkte auf Rot gestellt. Wie wir da auf einen grünen Zweig kommen wollen, ist mir schleierhaft.“
https://www.oe24.at/oesterreich/politik/parteien/enthuellt-das-geheime-ampel-papier/617384179
Weit auseinander waren ÖVP und SPÖ auch bei der Pauschalierung, der Entbürokratisierung für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs), sowie einer Investitionsprämie und einer Erhöhung des Investitionsfreibetrags. All diese ÖVP-Forderungen hat die SPÖ blockiert. Noch weiter auseinander lagen die Parteien bei der Körperschaftssteuer (KÖSt) für Unternehmen. Die ÖVP forderte angesichts der bereits zweijährigen Rezession eine Senkung der KÖSt auf 19 %. Das würde der Wirtschaft kurzfristig einen Investitionsanstieg um 2 % bringen und das BIP um 0,7 % erhöhen und eventuell auch dazu helfen, endlich aus der wirtschaftlichen Talsohle hinauszufinden. Weiters forderte die ÖVP einen KÖSt-Automatismus: Die KÖSt sollte automatisch 0,5 % unter den EU-Schnitt angepasst werden. Damit sollte Österreich im Vergleich zu anderen Ländern stets etwas wettbewerbsfähiger sein. Für Unternehmen, die sich in Österreich neu ansiedeln, sollte die KÖSt zudem auf 15 % gesenkt werden, um weitere Anreize zu schaffen. Alle drei Forderungen aber wurden von SPÖ-Verhandlern wiederum blockiert. Bei den Lohnnebenkosten wollten ÖVP und NEOS außerdem eine „signifikante Senkung auf deutsches Niveau“ (um 5–6 Prozentpunkte). Auch hier legte sich die Babler-SPÖ quer.
Die Blockade der SPÖ wäre als Verhandlungstaktik in normalen Zeiten vielleicht wohl verständlich, nicht aber in der längsten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg, in der sich Österreich gegenwärtig befindet. Die Wirtschaft braucht jedenfalls Entlastungen und Wachstumsanreize, vor allem nachdem die Löhne in den letzten Jahren durch hohe Abschlüsse überdurchschnittlich angewachsen sind.
Der Unwille, das Pensionssystem zu reformieren
Der wirtschaftspolitischer Knackpunkt besonders für die NEOS war aber das Milliardenloch bei den Pensionen. Dabei war die SPÖ am kompromisslosesten, obwohl hier in der Republik der wohl größte unmittelbare Reformbedarf besteht. Immer mehr staatliche Gelder fließen nämlich in das Pensionssystem, um dortige wachsende finanzielle Lücken zu stopfen. In Kombination mit der Offensive der SPÖ für Vermögenssteuern wurde aber deren Blockade bei den Pensionen insbesondere für die NEOS immer inakzeptabler:
Die Neos – fast unbemerkt durch die anderen – werden immer frustrierter. „Leuchttürme“? Fehlanzeige. Größere Pensionsreform? Unrealistisch.
Die Koalition von ÖVP, SPÖ und Neos ist also auch an der Frage einer Pensionsreform gescheitert. Daran haben die Erklärungen von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger („für grundsätzliche Reformen gab es mehrfach diese Woche ein Nein“) keinen Zweifel gelassen. Trotz Milliardendefizit stemmt sich die linke Reichshälfte in Österreich seit Jahren kategorisch gegen jedwede Reform:
Weite Teile von AK, ÖGB, SPÖ und der Pensionistenverbände stemmen sich seit Jahren gegen jede Verschärfung. Ihre Argumente lauten: Bei entsprechendem Wirtschaftswachstum sind die Pensionen auch in Zukunft finanzierbar. Eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters sei der falsche Weg, denn es gebe schlicht und ergreifend zu wenige Jobs für Ältere.
https://kurier.at/wirtschaft/pensionen-reformen-koaliton/402994478
Die Realität sieht freilich anders aus: Bis 2050 gibt es eine Million mehr Pensionisten und 300.000 Erwerbstätige weniger. Das Pensionssystem, heute Jahr für Jahr stärker durch das Budget finanziert, wird langfristig immer unleistbarer. Geld, das eigentlich für Zukunftsinvestitionen und Infrastruktur verwendet werden sollte, fließt immer mehr in den Erhalt des Pensionssystems.
Fazit
Die SPÖ unter Andreas Babler verfolgte also ambitionierte Forderungen, wie eine drastische Erhöhung der Kapitalertragssteuer auf bis zu 45 % und eine Bankenabgabe, die von Kritikern als Belastung für Sparer und den Wirtschaftsstandort Österreich angesehen wird. Diese Vorschläge trafen aber auf starken Widerstand, insbesondere von ÖVP und NEOS, die die wirtschaftlichen Folgen für das Land fürchten. Das Ergebnis der Nationalratswahl kann zudem nicht gerade als Votum für diese Politik gesehen werden. Das wiederum wollte und konnte die SPÖ natürlich nicht eingestehen.
Die ÖVP wiederum forcierte angesichts der Rezession ihrerseits wirtschaftliche Anreize, wie eine Senkung der Körperschaftssteuer und der Lohnnebenkosten, wurde hier aber vice versa von der SPÖ blockiert. Auch bei der dringend notwendigen Reform des Pensionssystems zeigte sich die SPÖ kompromisslos und das trotz der wachsenden finanziellen Belastung für den Staatshaushalt. Die NEOS kritisierten insbesondere das Fehlen grundlegender Reformen und sahen ihre Vorstellungen von zukunftsorientierter Politik nicht umgesetzt. Deshalb beendeten sie letztlich auch als Erste die Verhandlungen und lösten damit eine politische Kaskade an Entscheidungen aus, die schließlich zum totalen Scheitern der Zuckerlkoalition führen sollten. Obwohl viele ÖVP- und SPÖ- Politiker die Zusammenarbeit bis zuletzt unbedingt wollten, blieben Einigungen in zentralen Themen in monatelangen Verhandlungen aus.
Das Scheitern der Verhandlungen zur Bildung der Zuckerlkoalition war also ein Symptom für die tiefgreifenden ideologischen Differenzen zwischen den verhandelnden Parteien. Diese konnten selbst angesichts einer langanhaltenden wirtschaftlichen Krise zu lange keine Einigung auf gemeinsame Maßnahmen erzielen. Österreich hat sich durch das Scheitern der Koalition somit möglicherweise umstrittene Steuererhöhungen und Belastungen mitten in einer Rezession erspart. Es bleibt also nur die Hoffnung, dass das Budget von FPÖ und ÖVP nun ausgabenseitig konsolidiert wird. Eingesparte Gelder werden so zudem hoffentlich nicht in noch höhere Sozialleistungen fließen, sondern in wirtschaftsbelebende Maßnahmen!
Finanzielles
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Links & Quellen
https://www.oe24.at/oesterreich/politik/parteien/enthuellt-das-geheime-ampel-papier/617384179
https://kurier.at/wirtschaft/pensionen-reformen-koaliton/402994478
3 thoughts on “Inhalte: Warum fast niemand die Zuckerlkoalition vermissen sollte!”
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