Nachweislich haben sich tausende Menschen in Ischgl infiziert: rund 4000 in Deutschland, rund 800 in den Niederlanden und viele hundert weitere in Österreich, Skandinavien und ganz Europa. Die Infizierten haben in der Folge natürlich weitere Menschen angsteckt. Dabei ist es leider auch zu einigen Todesfällen gekommen, die sich direkt auf Ischgl zurückverfolgen lassen. Einige der wirklich tragischen Geschichten von Hinterbliebenen findet man im deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ (Nr.27/ 27.06.2020: S. 84ff.). Da ist der Familienvater (Anfang 50) der 8 Tage nach seiner Rückkehr aus Ischgl verstirbt und seine Familie zurücklassen muss. Da liest man von schrecklichen Einzelschicksalen, tausenden Infizierten und von rechtlichen Konsequenzen. Gegenwärtig wird eine Sammelklage gegen die Republik Österreich vorbereitet, der sich wohl tausende Geschädigte anschließen werden.
Krisenmodus im „Fall Ischgl“
Bei der Krisenbekämpfung waren die österreichischen Behörden nämlich nicht gerade schnell und konsequent. Erst am 13.März endeten die Parties in Ischgl mit einem Massenexodus von – teilweise bereits infizierten – Touristen und Mitarbeitern nach ganz Europa ohne Testungen, ohne Quarantäne und ohne ausreichende behördliche Maßnahmen zur Eindämmung des Ausbruchs. Laut „Spiegel“ haben mindestens 27 Menschen direkt ihr Leben aufgrund der Tiroler Apresski-Gaudi verloren. Dies ist mehr als tragisch und deshalb werden nun auch Verantwortliche gesucht. Es geht etwa um die Frage warum das Skigebiet nicht bereits beim Urlauberschicht-Wechsel am 07/08.03.2020 geschlossen worden war. Dies hätte wohl tausenden in der folgenden Party-Woche die Infektion erspart.
Denn schon Ende Februar hatten Bewohner Ischgls über Symptome geklagt. Und es geschah nichts – abgesehen von vermeintlichen Vertuschungen vor Ort. Die Seuche konnte sich tagelang im Paznauntal ungehindert bis zum 13.März ausbreiten. Aus Island war aber schon am 4.März eine Warnung im Gesundheitsministerium (!) in Wien über das europäische Frühwarnsystem EWRS eingetroffen. Island warnte Österreich nachdem sich 8 Isländer in Ischgl mit dem Virus infiziert hatten und lieferte Informationen zu betroffenen Hotels und Bars. Bis zur Schließung der Apres-Ski Bars vergingen aber noch weitere 6 Tage, der Liftbetrieb lief ganze 9 Tage noch weiter.
Wer ist also dafür verantwortlich in Österreich?
Da stelt sich natürlich die Frage wer die politische bzw. rechtliche Verantwortung für diese Vorkommnisse trägt. Und bei wem dann natürlich auch Konsequenzen und Rücktritte folgen sollten. Dabei hilft ein rascher Blick ins österreichische Gesetzbuch. In Österreich ist die Seuchenbekämpfung im Pandemiegesetz geregelt : Dieses schreibt klar vor wie „meldepflichtige Erkrankungen“ zu bekämpfen sind. Der Paragraph ganz am Ende betreffend die Verantwortung lautet wie folgt:
§ 51. Epidemiegesetz 1950:
Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist hinsichtlich § 7 Abs. 1a – soweit er das gerichtliche Verfahren betrifft – und § 36 Abs. 3 der Bundesminister für Justiz, hinsichtlich § 28a der Bundesminister für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres und im Übrigen der Bundesminister für Gesundheit betraut.
Epidemiegesetz 1950
Der Letzt- und Hauptverantwortliche laut Gesetz ist daher vollkommen klar: Es ist der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober :
Die lokalen Tiroler Behörden um Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) haben sich zwar ebensowenig ausgezeichnet, aber sie können sich rechtlich zumindest auf eines verlassen: letztverantwortlich ist in dieser Materie das Gesundheitsministerium. Da das österreichische Recht in der Regierung keine Weisungskompetenz vorsieht und der Bundeskanzler Kurz damit dem Gesundheitsminister Anschober keine Weisung zum Handeln erteilen kann, bzw. Kanzler Kurz in der Weisungshierarchie nicht über dem Minister steht, ist Anschober auch innerhalb der Bundesregierung der politisch Letztverantwortliche. Somit besteht eine klare politische wie rechtliche Verantwortung. Nach 17 Jahren Erfahrung in der oberösterreichischen Landesregierung dürfte diese rechtliche Situation und Verantwortung auch dem grünen Minister Anschober bewusst sein. Ein Minister muss schließlich für seinen Bereich die Verantworung tragen und auch für die Folgen seiner Fehler und Versäumnisse, sowie die Fehler und Versäumnisse seiner Untergebenen einstehen.
Krisenmanagement
Momentan versucht aber das Gesundheitsministerium die Verantwortung den Tiroler Behörden zuzuweisen – diese seien für den Vollzug der Maßnahmen zuständig. Diese Behödern weisen dies natürlich zurück und spielen ihrerseits den Ball nach Wien. Man wird sehen, wie lange diese Posse noch weitergehen kann. Schließlich sollte jedem Beobachter klar sein, dass abgesehen von der klaren rechtlichen Veranwortung des Ministeriums, ein Staat bei einer globalen Pandemie keine Handlungskompetenz im Pandemiefall von einer lokalen Bezirksbehörde erwarten darf. Dafür gibt es ja schließlich auch zentrale Krisenstäbe und Gesundheitsexperten im Ministerium in Wien.
Wenn die Republik in Zukunft von den Opfern geklagt und eventuell irgendwann in der Folge verurteilt werden sollte, dann wird es wohl auch im Gesundheitsministerium höchst an der Zeit sein endlich die eigenen Fehler einzugestehen. Ein Rücktritt des politisch für all dies verantwortlichen Ministers Anschober (Die Grünen) wird dann wohl nicht länger aufzuschieben sein. Diese Geste der Verantwortung ist die Republik auch den Opfern auf jeden Fall schuldig. Ein „Weiter-so“ wäre ein fatales Signal an die Touristen, denen Österreich rund 14 Prozent seines jährlichen BIPs verdankt. Dienstrechtliche Konsequenzen sollten natürlich auch gegen eventuell fahrlässig handelnde Beamte gezogen werden.
Laut Peter Kolba, dem Initiator der Sammelklage der Ischgl-Opfer, würden alle Fehler in der Hierarchie hinunter bis zur Gemeinde Ischgl letztlich auf das grün regierte Gesundheitsministerium hinauslaufen.
Anschober – zurecht ein beliebter Minister?
Es wäre also höchst an der Zeit, dass die österreichischen Medien ihren Lesern diese unangenehme Wahrheit (nach dem Vorbild des Spiegels) näher bringen. Bei anderen Ministern der aktuellen wie der Vorgängerregierungen waren die Medien bei weit geringeren Skandalen weit schneller zur Stelle. Dann wäre der grüne Minister Anschober wohl auch nicht mehr der „beliebteste Politiker“ des Landes in diversen Politikerrankings (Stand 06.07.2020, siehe etwa im Kurier). Sondern stattdessen ein angeschlagener Minister und vielmehr der Letztverantwortliche der „Akte Ischgl“, der sich unangenehmen Fragen zu seiner Amtsführung stellen muss.
Anschober war es übrigens auch, der einem harten Lockdown zu Anfang kritisch gegenüberstand (und diesen mit seinen Grünen später teilweise verhindert bzw. verwässert hat); er war derjenige der den berüchtigten „Ostererlass“erließ und gleich wieder zurücknehmen musste und er ist auch jener der sich bis in den Juli (!) gegen das sinnvolle System der „Ampel-Warnungen“ für einzelne Corona-betroffene Bezirke ausgesprochen hat. Ein guter Krisenmanager sieht in der Retrospektive wohl anders aus. Im Kurier stand zu Anschober aber dennoch folgendes:
Ganz oben im Ranking liegt nun Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). In einer Telefonbefragung erreichte er 49 Prozent Positiv-Nennungen, Kurz „nur“ 43 Prozent. 30 Prozent gaben darüberhinaus an, Kurz sei negativ aufgefallen, bei Anschober waren es nur 15 Prozent
Kurier: Kurz nach Jahren nicht mehr auf Platz 1 in Politiker-Ranking: https://kurier.at/politik/inland/kurz-nach-jahren-nicht-mehr-auf-platz-1-im-politiker-ranking/400963214
Dieses Ergebnis spricht Bände. Wenn der Gesundheitsminister Anschober nur 15% der befragten Österreicher negativ aufgefallen ist, dann ist das wohl auch ein mehr als negatives Zeugnis für die österreichische Medienlandschaft. Hier wäre wohl einiges an investigativer Berichterstattung aus dem Gesundheitsministerium nachzuholen!
Die Versäumnisse des Gesundheitsminister gehen weiter…
Am 16.07 wurde in der Presse das nächste Anschobersche Versäumnis offenbar: die Republik hatte bis Ende April 2020 versäumt mehr Grippeimpfstoff als normal zu bestellen. Für den kommenden Herbst steht nun nur für rund 12 % der Österreicher Impfstoff zur Verfügung. Mehr als das schwache Argument, dass wohl nicht so viele Österreicher sich mitten in der größten Pandemie unserer Zeit impfen lassen werden, hatte der Gesundheitsminister in der ZIB 1 am 16.07.2020 nicht parat. Garniert mit einem Verweis auf die Verantwortung der Vorgänger. Und das obwohl die Tageszeitung „Die Presse“ klar titelt, dass im Februar im Ministerium der Minister klar von seinen Untergebenen auf den Mehrbedarf verwiesen wurde. Und verabsäumt hat zu handeln.
Ein weiteres Versagen des Gesundheitsministers wurde dann amtlich mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Die Richter entschieden das die im März und April erlassenen Ausgangsregeln und -verbote gesetzteswidrig waren. Legistische handwerkliche Schnitzer des Gesundheitsministeriums wurden festgestellt und beanstandet. Den Ausgangsregeln für den öffentlichen Raum fehle die gesetzliche Grundlage, so die Richter.
Fazit
Anschober hat als Gesundheitsminister versagt, viele seiner Verordnungen wurden aufgehoben oder mussten repariert werden. Im Fall Ischgl wurde zu spät gehandelt und auch die Bestellung von Impfstoff wurde verschlafen. Nicht einmal bei der erfolgreichen Pandemiebekämpfung kann man ihm 100%ig Kredit geben. In vielen Bereichen wurde Anschober erst durch massiven Druck von Bundeskanzler Kurz zum eigenen „grünen“ Handeln bewogen. Und auch dann blockierten die Grünen auch noch viel zu lange strengere Ausgangssperren und weitere Maßnahmen wie etwa das Corona-Ampel System.
Quellen
Epidemiegesetz: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010265
Der Spiegel Nr.27/ 27.06.2020: Die Akte Ischgl. Vom Party zum Corona-Hotspot. S. 84ff.)
Kurier: Kurz nach Jahren nicht mehr auf Platz 1 in Politiker-Ranking: https://kurier.at/politik/inland/kurz-nach-jahren-nicht-mehr-auf-platz-1-im-politiker-ranking/400963214
Die Presse: Grippeimpfung wird Mangelware. 16.07.2020: S.1
Die Presse: Richter erteilen Regierung Lektion. 23.07.2020: S.1