Laschet, Deutschlands Mitterlehner, übernimmt Merkels CDU

Armin Laschet (59) ist seit 2017 der Ministerpräsident des größten deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Davor war er mit Ausnahme einer kürzeren Tätigkeit als freier Journalist immer in der Politik tätig. Als Mitglied des Deutschen Bundestages (1994-1998), Mitglied des Europäischen Parlaments (1999-2005), als Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (2005-2010), als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion (2010-2012) und als Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen (2013-2017). Ein politischer Vollprofi also, der sich am 16.Januar 2021 in der Wahl um den Bundesparteivorsitz der CDU mit rund 52 % knapp gegen seinen Konkurrenten Friedrich Merz durchsetzen konnte.

In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit seiner politischen Perspektive, seiner Wahl und seinen Chancen deutscher Bundeskanzler zu werden. Aufgrund der Person Laschet drängt sich ein politischer Vergleich zu Österreichs Ex-Vizekanzler und Ex-ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner auf, denn wir ihnen nicht vorenthalten wollen. Weil der Vergleich etwas über die politische Zukunft Laschets aussagen könnte, wie auch übrigens das Schicksal seiner Vorgängerin AKK in der CDU.

CDU- Quo vadis?

Wohin entwickelt sich nun die größte deutsche Partei und einzig verbliebene Volkspartei? Die gerne auch als Kanzlerwahlverein verspottet wird, weil sie ihren Vorsitzenden meist lange bedingungslos folgt. Statt Aufbruch bekommt sie nun Merkelianismus aus dem Rheinland, Merkel mit Karneval-Touch sozusagen. Laschet ist ein Mann der Mitte, der Kompromisse anstrebt – was klingt wie es ist: Langweilig. Visionslos. Und wenig zeitgemäß.

Deutschland muss in der nun kleineren EU mehr Verantwortung übernehmen und auch auf der Weltbühne warten große Herausforderungen. Da erscheint ein behäbiger Provinzkaiser nicht als das nötige Aufbruchssignal. Politischer „Drive“ in der EU von heute kommt von Leuten wie Macron & Kurz, von dynamischen Akteuren die auch gerne polarisierende Meinungen einnehmen und ideologische Debatten ausfechten. Laschet hingegen ist damit bisher in seinen fast 60 Lebensjahren nicht aufgefallen. Es steht ja nicht einmal fest, ob er trotz CDU-Vorsitz überhaupt bis zu den Hebeln der Macht im Kanzerlarmt in Berlin wird vorstoßen können. Denn es gibt ja mit Markus Söder in der Schwesterpartei ein weit aussichtsreicheren Konkurrenten.

Laschet ist auch in der Coronakrise nicht gerade als Führungspersönlichkeit aufgefallen, sondern eher als der bekannte Zauderer, der er immer schon war. Bei der Bevölkerung punktete hier klar Söder als Krisenmanager bundesweit neben Angela Merkel. Im politischen Berlin sind Zweifel an den eigenen Führungsqualitäten politisches Gift und nicht mehr so leicht auszusitzen wie in der rheinischen Provinz. Es muss sich daher erst weisen, ob jemand wie Laschet im Konzert von Putin, Xi, Biden und Orban halbwegs bestehen wird können. Taktisch klug im innenpolitischen Sinne war aber immerhin seine Allianz mit dem konservativen Jens Spahn. Am Parteitag 2021 wusste er sich dann am Besten von den drei Kandidaten zu inszenieren. Seine Rede war inhaltslos, aber gut inszeniert und emotional und damit die wohl überzeugendste.

Die CDU

„Die Presse“ nennt die deutschen Christdemokraten der CDU die wohl „mächtigste Volkspartei“ Europas und hat damit vermutlich nicht Unrecht. Seit 1982 regieren CDU & CSU Deutschland – mit nur 7-jähriger Unterbrechung durch Schröders SPD – nun schon fast durchgehend 31 Jahre lang. Und sie werden es nach der Wahl 2021 mit als sicher geltender Wahrscheinlichkeit weiter tun. Alle anderen großen Länder Europas – ausgenommen die Briten mit ihrem anderen Wahlsystem, die sich zudem nun verabschiedeten – kennen keine so dominante Regierungspartei. In 71 Jahren Bundesrepublik, gab es nur 20 Jahre ohne einen Kanzler der CDU.

Diese lange Regierungsdauer bringt es aber mit sich, dass – durchaus vergleichbar Österreichs ÖVP bis 2017 – eine Partei inhaltlich erodiert und beliebig zu werden droht, wenn sie immer nur machtpolitisch agiert und Kanzlermehrheiten mit unterschiedlichen Partnern organsieren muss. Besonders Merkel mit ihrem inhaltslosen Mittekurs plus der Pro-Flüchtlingspolitik hat das konservative Image der Partei arg ramponiert. Und rechts von ihr die AfD entstehen lassen, die das CDU-Parteiprogramm von 1990 vor sich herträgt. Die zudem von einigen alten CDU-Kadern geführt wird. Wie etwa dem gegenwärtigen deutschen Oppositionsführer im Bundestag Alexander Gauland (AfD), der von 1973 bis 2013 Mitglied der CDU war.

Auch die deutschen vor allem linksliberalen Medien forderten deshalb immer wieder einen rechteren Kurs der CDU ein. In der Hoffnung der AfD so wieder etwas Wasser abzugraben und in der Mitte der SPD und den Grünen politisch mehr Platz zu lassen. Einen Gefallen den ihnen Merkel aber nie tun wollte, da sie lieber die SPD in der Mitte politisch kannibalisierte. Und die politischen Ränder wirtschaftspolitisch der FDP und sicherheitspolitisch der AfD überließ.

Merz

Laschets Wahl ermöglicht hat ihm vor allem die Schwäche seines Gegenkandidaten Friedrich Merz. Der zwar ein Liebling der Basis ist, aber unter den Parteifunktionären nur 47 % für sich einnehmen konnte. Und zudem unter einem Dauerbeschuss der ziemlich mitte-links orientierten deutschen Presse, sowie von Comediens et cetera stand. Das war schon 2019 im Wahlkampf gegen die Vorgängerin Kramp-Karrenbauer so, als die CDU lieber eine schwache Ministerpräsidenten und Merkel-Klonin nominierte, als den polarisierenden Merz. Der teilte dann dementsprechend gegen das Parteiestablishment aus, was ihm auch 2021 nicht half. Im Oktober 2020 witterte er noch eine Verschwörung der Merkel-Elite gegen sich, als der Parteitag coronabedingt verschoben wurde und machte sich etwas lächerlich. Er, dem zwei Privatjets und ein mittelschweres Millionenvermögen zugeschrieben werden, konnte seine rhetorische Stärke nicht um politische Wendigkeit ergänzen, um die CDU von ihrer „Sicherheitsvariante“ Laschet abzubringen.

Machtpolitisch wichtig wäre als Nächstes wohl eine dosierte Emanzipation Laschets von Langzeit-Kanzlerin Merkel (2005-2021), um auch einen gewissen Neuanfang verkörpern zu können. Im Osten Deutschlands waren viele CDUler von der Niederlage von Merz geradezu entsetzt. Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zitierte etwa aus einem interen CDU-Chat:

»Chance verspielt«, schrieb ein Abgeordneter. Die CDU öffne weiter die Flanke auf der konservativen Seite »und die Quittung bekommen wir im Osten«. Laschet könne keinen einzigen AfD-Wähler zurückholen. »Damit droht uns das Schicksal der SPD.« Auch etwas positivere Äußerungen gab es: »Weltoffen, lieb und nett… schöne Eigenschaften! Schade ist nur… damit löst du nicht ein Problem«, schrieb einer zur Wahl Laschets.

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/armin-laschet-und-die-ost-cdu-laestereien-ueber-den-neuen-parteichef-a-75f9c2ce-3e1a-4c7e-8ff6-0a6adff44d91

Essentiell ist eines: Die vielen Anhänger von Friedrich Merz müssen von Laschet in der CDU irgendwie eingebunden werden. Inhaltlich wird Laschet wohl einige Zugeständnisse machen müssen. Was nicht schwer fallen sollte, denn verbal wurde in der CDU immer schon viel mitte-rechts versprochen und die Themen dann in Koalitionsverhandlungen dem jewiligen Koalitionspartner geopfert.

Ist Laschet Deutschlands Mittlerlehner?

Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Quelle: © Bwag

Politisch Eingeweihten drängt sich bei Laschet schnell ein Vergleich zu Österreichs Ex-Vizekanzler und Sebastian-Kurz-Vorgänger Reinhold Mitterlehner auf. Vergleicht man die zwei Persönlichkeiten Laschet und Mitterlehner und die zeitliche Abfolge, dann tun sich einige Gemeinsamkeiten auf. Beide haben als Technokraten fast ihre gesamte Karriere in der Politik, bzw. im politiknahen Bereich verpasst. Sie kommen aus einem ähnlichen christlichsozialen, katholischen Hintergrund, und durften ihre Parteien übernehmen weil ihre konservativeren Vorgänger (Michael Spindelegger/ Annegret Kramp-Karrenbauer) an der Partei gescheitert waren. Wohlgemerkt nicht an ihrer (konservativen) Ideologie (die war gewünscht), sondern an ihrem Management der Partei und internen Querschüssen. Mitterlehner wie Laschet waren nie Lieblinge der konservativen Basis, sondern der mittleren Funktionärskaste, von denen sie auch gewählt wurden.

Was bedeutet der Vergleich für die Zukunft von Laschet?

Als 59-jähriger knapper Kompromisskandidat mit bescheidenen Beliebtheitswerten in der Bevölkerung wird er wohl keine besondere politische Zukunft haben. Bundeskanzler ist als CDU-Chef natürlich immer drinnen, aber auch hier ist das Niveau des Wahlausgangs politisch letztlich entscheidend. Nimmt man Österreich als Vergleich, wird irgendwann auch die CDU einen jüngeren, politisch attraktiveren Kandidaten finden, der energischer und dynamischer auftritt und den notwendigen Generationswechsel zu Merkel, Laschet und ihrer Generation einleiten wird. Das ausreichender ideologischer Bedarf da war, zeigen die 47 % Zustimmung für Merz, der als 65 jähriger schroffer Multimillionär mit kolportiertem Privatjet nicht gerade das Idealbild eines volksnahen Politikers verkörpert. Und dennoch soviele Stimmen erhielt!

Zweite Geige hinter einem Bundeskanzler Söder?

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CSU-Chef Markus Söder

Glaubt man deutschen Medienberichten steht die CDU-Bundestagsfraktion umfragenbedingt klar hinter einer Kanzler-Kandidatur des CSU-Chefs Söder. Dieser liegt bei den Bürgern in der Kanzlerfrage etwa doppelt (!) so gut in den Umfragen wie der eben gewählte Laschet. Womit viele Parlamentarier politisch lebensmüde sein müssten, um einen schwächeren Kandidaten zu unterstützen. Anstatt sich mit dem stärkeren Rückwind Söders auf Bundesebene erneut in den Bundestag wählen zu lassen. Laschets Sieg könnte sich also in der Hinsicht als durchaus verfrüht darstellen. Und politisch etwas ins Leere laufen, was aus ihm eine zweite AKK machen würde.

Als Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens hat er zwar eine starke Position, aber ohne Präsenz in Berlin wird er wohl auch aus der größten Provinz keinen dauerhaften politischen Einfluss entfalten können. Die beiden frühezeitig geschasten SPD-Chefs Kurt Beck und Matthias Platzeck, die beide auch gleichzeitig Landeschefs waren, sind dafür klare Negativbeispiele. Es gibt auch keine Garantie das Laschet die nächsten Wahlen in Nordrhein-Westfalen 2022 gewinnen kann, womit er dann ein Kaiser ohne Land wäre. Laut Umfragen stand sein schwarz-gelbe Regierung nämlich schon Ende 2020 ohne Mehrheit da.

Fazit

Laschets Wahl ist in Anbetracht der Umstände also eher als ein Zeichen der Schwäche der CDU zu sehen. Seit Merkels Rücktritt infolge der Kritik vom konservativen Parteiflügel wählt die Partei jetzt schon zum zweiten Mal knapp einen ungeliebten Kompromisskandidaten. Der Grund liegt wohl darin, dass die Delegierten, angespornt von der liberalen deutschen Medienlandschaft, es sich einfach nicht trauten nach 15 langweiligen ideologisch unverdächtigen Merkeljahren dem Land einen wahren durchsetzungstarken Konservativen zu präsentieren. Den das Volk – siehe Topumfrageergebnisse für Markus Söder, aber auch Friedrich Merz bei der CDU-Basis – aber durchaus wünschen würde.

Auch politisch fragt man sich was die Agenda eines Armin Laschet denn sein soll, sitzt er doch politisch zwischen allen Stühlen. Den Linken ist er zu rechts (er ging als Ministerpräsident erstmals gegen migrantische Clans und verstärkt gegen Kriminelle vor – „Polizeistaat“-Angst), den Rechten ist er viel zu links (Spitzname „Türken-Armin“ aufgrund seiner liberalen Haltung zur Masseneinwanderung). Woher soll er also Stimmen mobilisieren können? Charisma fehlt auch, welches sonst helfen könnte unentschlossene Wähler für sich zu gewinnen. AfD-Wähler werden eher nicht für einen linken CDUler wie ihn stimmen und die Grünen haben genug „nette“ Ökokonservative in den eigenen Reihen. Nicht mal von der kantigeren FDP werden großartig Stimmen kommen (wogegen Merz dort mit seinen wirtschaftsliberalen Sagern defintiv gezogen hätte).

FAZIT: Er wird wohl eine weitere Übergangsfigur in der CDU für einen deutschen Sebastian Kurz oder Emmanuel Macron sein. Kanzler wird der CSUler Söder. Nettes zurückhaltendes risikoloses Auftreten ohne Vision und Pathos und ohne einen konservativeren, migrationskritischen Zeitgeist ist heute einfach zu wenig.

Links & Quellen

Titelbildquelle: Armin Laschet; Lizenz: CC BY-SA 4.0 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Armin_Laschet#/media/Datei:Grundsteinlegung_MiQua-7004_(cropped).jpg

Bild Mitterlehner: https://de.wikipedia.org/wiki/Reinhold_Mitterlehner#/media/Datei:Reinhold_Mitterlehner_-_Buchmesse_Wien_2019.JPG

https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/lebenslauf_laschet.pdf?file=1&type=field_collection_item&id=21752

Christina Ultsch (17.01.2021): Laschet ist die Antithese eines Aufbruchsignals. In „Die Presse am Sonntag“ vom 17.01.2020: S. 1

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/armin-laschet-und-die-ost-cdu-laestereien-ueber-den-neuen-parteichef-a-75f9c2ce-3e1a-4c7e-8ff6-0a6adff44d91

https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/nrw.htm

Jürgen Streihammer (17.01.2021): Der Sieg von Merkels Kumpel. In „DIe Presse am SOnntag“ vom 17.01.2021: S. 3