Lena Schilling: Die (Ohn-)Macht der Jugend in der Politik

Lena Schilling (2022); Quelle: Foto: C.Stadler/Bwag

Lena Schilling ist die grüne Spitzenkandidatin für die Wahlen zum EU-Parlament 2024 und gilt bereits jetzt als erfolgsversprechende Besetzung für die Grünen! Grund dafür ist vor allem ihre Jugend und ihr Geschlecht, die anderen EU-Spitzenkandidaten sind nämlich allesamt männlich und meist um die 60 Jahre alt. Da sticht man naturgemäß als junge engagierte Frau heraus, was aber freilich nicht bedeutet, dass Frau Schilling eine gute Politikerin sein wird. Sie mag als Aktivistin einige Aufmerksamkeit erregt haben und versteht etwas von TV Auftritten, hat aber weder Ausbildung noch Studium abgeschlossen und auch keine parteipolitische Erfahrung. Ihre Personalie ist also ein zweischneidiges Schwert: Für die Grünen (von denen einige aufgrund dieser mangelnden Erfahrung mit Unverständnis reagierten), wie für sie selbst. Schließlich kann Brüssel bzw. die Politik auch eine Karrieresackgasse sein.

In diesem Artikel wollen wir aber nur am Rande über Lena Schilling reden, sondern vorrangig das Thema „Macht der Jugend“ in der österreichischen Politik diskutieren. Waren politische Spitzenämter Jahrzehnte lang die Krönung einer langen Karriere, hat in den letzten zwei Jahrzehnten eine Garde sehr junger Politiker sehr hohe Ämter erreicht. Dabei hat man, wie es scheint, teilweise traditionelle Karrierewege und den Sinn einer umfassenden Laufbahn etwas außer acht gelassen, was wir hier mit einigen historischen Beispielen diskutieren möchten. Jugend ist nämlich nicht per se ein Vorteil in der Politik, auch wenn der Wähler Unverbrauchtheit schätzt. Erfahrung mag manchmal unsexy sein, sie bringt aber in der Regel die besseren Politiker hervor.

Wir beginnen unser Plädoyer für gut ausgebildete Politiker mit einem historischen Beispiel: Der Ämterlaufbahn in der römischen Republik. Die antike Supermacht überließ ihre Spitzenämter nämlich nur Politikern, die über Jahrzehnte in diversen Positionen der römischen Republik Erfahrung gesammelt hatten. Viel Vergnügen beim Lesen !

Der römische „Cursus Honorum“

In der römischen Republik wie auch im Kaiserreich gab es über viele Jahrhunderte den so genannten „Cursus Honorum“, das ist das lateinische Wort für Ämterlaufbahn. Man diente sich als aufstrebender Politiker von Amt zu Amt nach oben und erlangte währenddessen ein umfassendes Verständnis des römischen Gemeinwesens und des Staates. Sofern man die höchsten Ämter, wie jenes eines Konsuls, anstreben wollte, war die Absolvierung der Ämterlaufbahn eine Verpflichtung. Daraus entstand dann eine Klasse (va. adeliger, aber nicht nur !) sehr gut gebildeter Politiker, die Rom zur Weltmacht führen sollten.

Man begann als Aspirant eine politische Laufbahn meist mit einem Militärdienst, wobei dieser mit der Zeit an Bedeutung verlor und diente sich dann vom Amt des Quaestors nach oben. Quaestoren hatten Budgets (wie eine Kriegskasse oder Bauinvestitionen) zu verwalten und damit öffentliche Unternehmungen zu finanzieren und umzusetzen. Danach war man Volkstribun (bei plebejischer Herkunft) oder Aedil (bei adeliger Herkunft). Aedilen regelten etwa das Marktgeschehen, übersahen die Polizei, führten Aufsicht über die Tempel, Aquädukte, Straßen, Thermen et cetera. Volkstribunen wiederum sollten die Interessen des gemeinen Volkes gegen die Adeligen vertreten. Der Prätor war für die Gerichtsbarkeit zuständig, konnte aber bei Bedarf auch schon hohe militärische Gefehlsgewalt ausüben und musste hiefür ein Mindestalter von 39/40 Jahren vorweisen. An der Spitze der Ämterlaufbahn stand in der Republik schließlich der Konsul, der wie ein moderner Regierungschef agierte und für 1 Jahr bestellt wurde. Das Mindestalter dafür waren 43 Jahre.

Die alten Römer wussten also genau, was sie von ihren Staatsdienern wollten: Eine möglichst umfassende Auseinandersetzung mit allen Bereichen des Staates, von Militär, Gerichtsbarkeit, Marktordnung, Politik im Senat, Finanzaufsicht und Verwaltungstätigkeiten. Von der Unverbrauchtheit der Jugend ließen sich zumindest die Politiker im römischen Senat nicht beeindrucken, sofern nicht die richtigen Ämter in der richtigen Reihenfolge absolviert worden waren. Hier sieht man aus den späteren Tagen der römischen Republik eine Übersicht der Politikerkarrieren per Cursus Honorum:

Der römische Cursus Honorum zur Zeit des Julius Caesar (100-50 v.Chr.); Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/db/Cursus_Honorum.png

Die traditionelle politische Ämterlaufbahn in Österreich

Auch Österreich kennt aus seiner Politik eine klassische Ämterlaufbahn. Zunächst engagiert man sich in der Regel in einer Partei, wird dort mit Hilftstätigkeiten oder kleinen Ämtern betraut, landet dann im Gemeinderat oder in Universitätsvertretungen und arbeitet sich dann sukzessive hoch. Idealerweise geschieht das nach oder parallel zu einer Berufsausbildung oder einem Universitätsstudium.

Dr. Wolfgang Schüssel ist so ein klassisches Beispiel. Nach Abschluss seines Doktorats war er Sekretär im Parlamentsklub der ÖVP. Dann war er 16 Jahre Generalsekretär des österreichischen Wirschaftsbundes, wo er die exekutive politische Führungsarbeit in einer Partei-Teilorganisation erlernte. Parallel dazu erfolgte nach einigen Jahren die Wahl in den Nationalrat, wo er als politisches Talent dann zum Klubobmann Stellvertreter aufstieg. Im Jahr 1989 im Alter von 44 Jahren wechselte er in die Regierung und stieg dann zum Wirtschaftsminister auf, löste schließlich im Alter von 50 Jahren Busek ab und wurde neuer ÖVP-Chef. Dann erfolgte der Aufstieg zum Vizekanzler und von 1995-1999 wurde er dann Außenminister der Republik Österreich. Im Jahr 2000 avancierte er dann mit 55 Jahren zum Bundeskanzler der Republik Österreich !

Auch die SPÖ verfolgte lange diesen politischen Aufbau von Kandidaten, wenngleich sie seit 2016 auf Quereinsteiger setzt, die sich politisch als nicht sehr erfolgreich erweisen sollten. Werner Faymann war der längstdienende Bundeskanzler seit Mitte der 1990er und er hatte, anders als seine Nachfolger, den „sozialdemokratischen Cursus Honorum“ durchlaufen. Wenngleich er weder Ausbildung noch Studium vorweisen konnte, war er Landesvorsitzender der Sozialistischen Jugend Wien und wurde dann mit 25 in den Wiener Gemeinderat gewählt. Daneben wurde er in stadtnahe Unternehmen entsandt: Er war Geschäftsführer der Wiener Mietervereinigung und Vizepräsident des Wiener Wirtschaftsförderungsfonds. Mit 34 Jahren wurde er schließlich Wohnbaustadtrat der Stadt Wien (1994-2007) und schaffte aus diesem Amt mit 47 Jahren den Sprung in die Bundesregierung als Verkehrsminister. Nach einem Jahr wurde er Bundeskanzler (2008-2016).

Der „Jugendwahn“ der österreichischen Medien und der Bevölkerung

In den 2000er Jahren ist dann wohl, unter anderem als eine Folge erfolgreicher haiderscher Inszenierung, die Rolle junger Politiker medial massiv aufgewertet worden. Ein Karl-Heinz Grasser wurde etwa mit 31 Jahren Finanzminister und hatte lange sehr viel politischen Erfolg. Er verkörperte ein junges dynamisches Image und inszenierte sich als „fescher Macher“. Allerdings wurden – juristisch ist es noch nicht ganz nachgewiesen- wohl in seinem Umfeld auch Taten gesetzt, die ihn bald für längere Zeit hinter Gitter bringen können und alleine die Vorwürfe haben seine berufliche Existenz bereits ruiniert. Mit einem Niko Pelinka und einer Laura Rudas in wichtigen Positionen versuchte sich dann Kanzler Faymann , beide aber wurden dadurch in jungen Jahren bereits politisch verbrannt.

Später folgte der Aufstieg des Sebastian Kurz, der wohl ebenfalls etwas zu früh in Amt und Würden kam. Mit seinem Talent hätte er Österreich nämlich definitiv länger als 3 Jahre als Kanzler regieren können, hätte er nicht mehrere machtpolitische Fehler begangen, die erfahrenere Politiker vielleicht vermieden hätten. Kurz hätte erkennen müssen, dass man („Jedes Schrifterl ein Gifterl“) auf Whatsapp nicht nonchalant Machtpolitik betreiben kann. Zudem hätte er – mit mehr Lebenserfahrung gesegnet – vielleicht einen Thomas Schmid rechtzeitig von seinem Amt entfernen können, bevor dieser eine derart desaströse Rolle einnehmen konnte. Wolfgang Schüssel hat 2002 eine Koalition mit den Grünen vermieden, weil die ideologischen Unterschiede einfach zu groß waren und hatte damit wohl recht. Der Koalitionsbruch mit der FPÖ 2019 war unnötig und ein machtpolitischer Fehler, den Kurz eventuell letztlich mit einer juristischen Verurteilung bezahlen könnte. „Pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) ist ein altes Sprichwort, über das sich Kurz vielleicht etwas zu nonchalant hinweggesetzt hat.

Was alle diese Geschichten gemeinsam haben, ist das junge Talente wohl zu rasch in der Politik aufstiegen und dann – vielleicht im jugendlichen Machtrausch – dumme Fehler machten, die ein erfahrener Politiker mit mehr Lebenserfahrung wohl vermieden hätte. Eine jugendliche Verpackung ist also ein politischer Vorteil, aber sicher kein Qualitätsgarant. Infolge der jungen Politiker ist auch das Durchschnittsalter der Kabinettsmitglieder immer weiter gesunken. Diese sind es aber, die eigentlich die Politik in diesem Lande machen, was für die Qualität der gesamten Politik problematisch werden könnte. Nicht Jugend und wenig Lebenserfahrung sollte dominieren, sondern das Gegenteil.

Warum Lena Schilling nicht reüssieren wird !

Lena Schilling wird mit 23 Jahren nun also die Spitzenkandidatin der Grünen für das Europaparlament. Sie hat weder eine abgeschlossene Ausbildung oder ein Studium, noch Erfahrung in einer politischen Jugendorganisation oder eine andere adequate Berufserfahrung. Eine Lobaubesetzung und ein paar TV-Auftritte sind schließlich etwas anderes als parlamentarische Arbeit und die Verantwortung für 9 Millionen Österreicherinnen und Österreicher.

Brüssel ist auch kein guter Ort für politische Quereinsteiger oder Politnovizen. Ein Othmas Karas hat im Gegenzug demonstriert, dass man am besten mit ordentlich parlamentarischer Erfahrung nach Brüssel geht, wenn man im Parlament die höchsten Ämter erreichen will. Medial ist man aus österreichischer Sicht jedenfalls ziemlich abgemeldet. Die wohl rund 40 Grünen Abgeordnenten im EU-Parlament werden höchstwahrscheinlich die nächsten 5 Jahre in der Opposition verbringen. Politisch sexy ist etwas anderes.

Lena Schilling wird also von den TV-Studios dieses Landes und einer Kolumne in der Kronen Zeitung auf die Brüsseler Hinterbänke wandern. Die streitbare Aktivistin wird in Brüssel eine gehörige Prise Realpolitik erwarten, sowie viel Politik fernab der Menschen und des Aktivismus.

Fazit

Jugendlichkeit ist also keine dauerhafte Erfolgsgarantie in der Politik. Die drei längstdienenden Bundeskanzler seit 1986 – Vranitzky, Schüssel, Faymann – sind auch jene, die aus einer klassischen politischen Ämterlaufbahn herauskamen und damit das politische Rüstzeug von der Pike auf gelernt haben. Man kann den Parteien also nur raten ihre jeweiligen Talente nicht zu rasch politisch zu verfeuern. Die 20er Jahre eines angehenden Politikers sollten dem Aufbau von Lebenserfahrung und auch von Netzwerken dienen. In der Regierung kann man sich mit jugendlicher Energie auch in seinen 30ern und 40ern beweisen und so vielleicht so auch manche Anfängerfehler vermeiden

Lena Schilling wird mit 23 Jahren ohne Berufausbildung und Studienabschluss ins EU-Parlament geschickt. Politische Erfahrung in der Legislative hat sie ebensowenig, kennt sie doch nur den Protest auf der Straße. Sie wird dann in 5 Jahren dennoch in den Augen der Leute „Altpolitikerin“ sein und ihr politisches Kapital wird womöglich fernab von Österreich verbraucht sein. Exekutive Erfahrung in der Umsetzung konkreter Projekte wird sie im EU-Parlament auch nicht sammeln können. Es ist und bleibt also ein politisch fragwürdiger, wohl aber guter Marketing Gag der Grünen, der auf Junge und Frauen hinzielt, die immerhin starke grüne Wählergruppen stellen.

Unser Fazit und Plädoyer lautet daher: Setzen wir in Österreich doch besser auf Erfahrung statt auf jugendliche Verpackung ! Eine umfassende Karriere vor einem politischen Spitzenjob macht einfach meistens Sinn, weil sie dem Amtsträger ermöglicht, wichtige Lebenserfahrung zu sammeln, von der dann wir alle profitieren können ! Auch wenn Ausnahmetalente wie Sebastian Kurz auftauchen, müssen wir diesen Zeit zur Entfaltung geben, denn es sollte ja wohl nicht das Ziel sein, derartige Talente zu früh politisch zu verheizen.

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