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Die Zuckerlkoalition ist nun in Amt und Würden: 14 Minister und 7 Staatssekretäre werden am Montag, den 03. März 2025 ihr Amt antreten. Wir wollen in diesem Beitrag nun auf das Machtverhältnis in der neuen Koalition eingehen: Wie gut haben die einzelnen Parteien verhandelt? Ist die Zahl der neuen Minister und Staatssekretäre pro Partei entsprechend den Machtverhältnissen anlässlich der Nationalratswahl ausgefallen? Ist die Wahl der Bürger bei der Austarierung der neuen Machtpolitik in der ersten Dreierkoalition Österreichs entsprechend berücksichtigt worden? Wer hat sich besser verkaufen können und am Verhandlungstisch über seinem politischen Gewicht abschließen können? Das alles sind interessante Fragen, die wir in diesem Artikel nun besprechen wollen.
In der vergangenen türkis-grünen Koalition war das Kräfteverhältnis jedenfalls folgendermaßen: Die ÖVP mit 37,5 Prozent koalierte mit den Grünen mit 13,9 Prozent, was einem Kräfteverhältnis von 73% für die ÖVP versus 27% für die Grünen entsprach, wenn man genau dem Wählervotum folgte! Dieses ist ja schließlich realpolitisch die demokratische Basis für die Koalitionsverhandlungen und die folgende Regierungsbildung. Im Gesetzestext steht zur Aufteilung der Ministerämter freilich aber keine fixe oder verhältnismäßige Verteilung, womit das Ergebnis rein das Verhandlungsgeschick und die Verhandlungsmacht der beteiligten Parteien demonstriert. Die Bundesregierung Kurz II verfügte über 14 Minister, wovon 4 von den Grünen und 10 von der ÖVP gestellt wurden. Das entsprach einem Kräfteverhältnis von 71,5% für die ÖVP und 28,5% für die Grünen und stellte quasi eine Punktlandung bezüglich des Wahlergebnisses da! Beide Parteien stellten dann je einen Staatssekretär, was das Verhältnis aber nicht wirklich änderte: 29% Grüne versus 71% ÖVP.
Sebastian Kurz und Werner Kogler haben also 2019 die Macht in der Regierung sehr fair im Sinne des Votums der Wähler aufgeteilt. Keiner hat also personell – abgesehen von inhaltlichen Fragen und dem politischen Wert der jeweiligen Ministerien – viel mehr Einfluss bekommen als jenen, den das Wahlergebnis letztlich hergab. Wie schaut das nun aber im Jahr 2025 aus? Wie haben Bundeskanzler Christian Stocker, Vizekanzer Andi Babler und Ministerin Beate Meinl-Reisinger die Verteilung der Ministerien und Ämter gehandhabt?
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Machtpolitik: Wie viele Minister und Staatssekretäre stehen den Parteien zu?
Die Zuckerlkoalition, bestehend aus ÖVP, SPÖ und NEOS, verfügt also über 14 Minister und 7 Staatssekretäre. Der gemeinsame Stimmenanteil der drei Regierungsparteien beträgt dabei 56,5% und teilt sich wie folgt auf: 26,3% ÖVP, 21,1% SPÖ und 9,1 % NEOS. Nach Adam Ries ergebe das einen politischen „Preis“ von rund 4 Prozent pro Ministeramt (56 % Stimmenanteil, 14 Minister -> 56/14 = 4%), den eine Partei bei einer möglichst fairen Verteilung (etwa a la Türkis-Grün) für ein Ministeramt bei der Wahl mitbringen müsste. Wie sieht das Ergebnis der Koalitonsverhandlungen in Relation zum Wahlergebnis aber im Detail wirklich aus?
- NEOS: 9,1% der Stimmen ergeben 2,25 Minister -> Endergebnis sind 2 Ministerien (faires Ergebnis)
- SPÖ: 21,1% der Stimmen ergeben 5,25 Minister -> Endergebnis sind jedoch 6 Ministerien (dh. die SPÖ hat sich einen Minister mehr herausverhandelt als ihr rein mathematisch zustünde)
- ÖVP: 26,3% der Stimmen ergeben 6,5 Minister -> Endergebnis sind aber „nur“ 6 Ministerien (dh. die Partei steigt schlechter aus und wird weniger in der Regierung vertreten sein, als das Wahlergebnis es hergeben würde.
Als nächstes addieren wir die 7 Staatssekretäre in unserer Berechnung. Sie sind schließlich ja auch Regierungsmitglieder und werfen einen erneuten Blick auf das Ergebnis. Es gab für 56% Wahlergebnis ganze 21 Posten zu verteilen. Ein Regierungsamt (Minister/Staatssekretär) „kostet“ somit nun 2,7% der Stimmen vom Wahltag (56/21 = 2,7). Wie ist also die aktuelle Verteilung ausgefallen?
- NEOS: 9,1% der Stimmen ergeben 3,4 Regierungsmitglieder-> Endergebnis sind 2 Ministerien plus ein Staatssekretariat. Das ist somit wieder ein faires Ergebnis!
- SPÖ: 21,1% der Stimmen ergeben 7,8 Regierungsmitglieder-> Endergebnis sind aber 9 Minister und Staatssekretäre. Das bedeutet also, dass sich die SPÖ 1,2 Ämter mehr herausverhandelt hat, als ihr nach dem Wahlergebnis zugestanden wäre.
- ÖVP: 26,3% der Stimmen ergeben 9,7 Regierungsmitglieder-> Endergebnis sind aber „nur“ 9 Minister und Staatssekretäre.
Die SPÖ hat also rein von der Koalitionsmathematik die Verhandlungen machtpolitisch klar gewonnen. Der ÖVP wären nach arithmetischer Logik der Machtpolitik eigentlich 10 Minister und Staatssekretäre zugestanden, der SPÖ hingegen nur acht. Bei den NEOS passt das Machtverhältnis gut zu ihrem Wahlergebnis. Die SPÖ dagegen stellt nach den Verhandlungen mit rund 37% Stimmenanteil in der Zuckerlkoalition gleich 43% der Regierungsmitglieder. In Wählerstimmen ausgedrückt hatte die ÖVP ganze 250.000 Stimmen MEHR als etwa die SPÖ und stellt dennoch nur die gleiche Anzahl an Regierungsmitgliedern, ganz so als wären bei der Wahl beide Parteien Kopf an Kopf gelegen.
Die Kanzlerfrage und die faire Aufteilung: die „faire“ Machtpolitik
In der Endaufteilung stellt die ÖVP zudem sogar noch ein Fachministerium weniger als die SPÖ, weil das Kanzleramt in der Koalitionsarithmetik ebenso als Ministerium zählt, auch wenn es kein klassisches Fachministerium ist. Das Budget des Bundeskanzleramts ist eher mickrig, wie auch seine fachspezifischen direkten Zuständigkeiten. Gestaltungsmacht hat man im Bundeskanzleramt vor allem über die politische Stärke des Bundeskanzlers in der Koalition und medial über sein Wort als Bundeskanzler. Die ÖVP stellt aber im Kanzleramt neben dem Bundeskanzler auch noch einen Kanzleramtsminister sowie einen Staatssekretär und hat damit gleich drei im Bundeskanzleramt angesiedelte Regierungsmitglieder. Die SPÖ dagegen kontrolliert im Gegenzug einflussreiche mächtige Ressorts wie Finanzen, Soziales, Arbeit, Infrastruktur, Wissenschaft, Gesundheit und Justiz! Der Ausgang der Koalitionsverhandlungen zeigt hier also definitiv eine klare machtpolitische Schieflage.
Eine faire Aufteilung auf Basis des Wahlergebnisses wäre in etwa die folgende gewesen:
- Bundeskanzler ÖVP + 6 Ministerien und 3 Staatssekretariate
- SPÖ insgesamt 5 Ministerien und 3 Staatssekretariate
- NEOS 2 Ministerien und 1 Staatssekretariat
Bei der milliardenschweren, wie auch politisch wichtigen Gestaltungsmacht macht es nämlich schon einen großen Unterschied, wieviele Ministerien eine Partei kontrolliert. Die SPÖ steht infolge von Bablers Verhandlungserfolg gegenüber Christian Stocker nun weit stärker da, als sie sein sollte und besetzt weitaus mehr politische Macht als ihr vom Wahlergebnis zustünde. Aus bürgerlicher Sicht ist das somit nur ein semioptimales Ergebnis.
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Die Qualität der Ministerien: Machtpolitik im Alltag
Politisch relevant ist aber nicht nur die Anzahl der Ministerien, sondern natürlich auch ihr politischer wie gestalterischer Einfluss. Es geht natürlich immer auch um die Frage, wieviel Geld man letztlich verteilen kann und wieviel man mit den jeweiligen Budgets politisch gestalten kann. Wer als Minister ein größeres Budget hat, der kann in der Regel auch mehr Geld ausgeben und damit mehr Veränderungen bewirken.
Das mit Abstand größte Budget hat dabei das rote „Superministerium“ für Soziales, Gesundheit und Arbeit. Es deckt quasi den gesamten rot eingefärbten Bereich ab – siehe Grafik oben – mit Ausnahme der Familienleistungen! Das sind rund 44 Mrd Euro an Volumen. Hier hat die SPÖ also eine große Gestaltungsmacht bei den Ausgaben. Die Sozialdemokraten kontrollieren dazu auch noch das mächtige Infrastrukturministerium, das Gelder wiederum weit flexibler ausgeben kann als etwa das Sozialministerium. Pensionen und Sozialausgaben sind schließlich größtenteils fix, aber Infrastruktur kann man bauen und gestalten wie man will. Dabei kann man als Minister a la Gewessler viele Förderungen verteilen und damit Einfluss und Gestaltungsmacht erhalten, oder man kann a la Faymann mit großzügigen ÖBB-Inseraten in der „Krone“ ganz zufällig gleich zum Bundeskanzler avoncieren.
Ein schwerer monetärer Verlust ist die Abtretung des Wissenschaftsministeriums durch die ÖVP an die SPÖ! Dieses wertet nun das finanziell völlig bedeutungslose Frauenministerium politisch massiv auf. Die Bachelorabsolventin Eva Holzleitner wird als Wissenschaftsministerin ein Budget von 6,5 Milliarden Euro verwalten dürfen. Das ist „etwas“ mehr Gestaltungsmacht als nur das Frauenministerium mit seinen nur rund 35 Millionen Euro Budget gehabt hätte. Das ÖVP-Wirtschaftsministerium wiederum hat nur das halbe Budget der Wissenschaftsausgaben mit rund 3,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Verteidigungsministerin Tanner verfügt über rund 4 Milliarden Euro, so auch Innenminister Karner.
Die ÖVP kontrolliert also eher die Ministerien mit den kleineren Budgets, während die SPÖ mit Soziales, Pensionen, Arbeit, Finanzen die finanziell „großen Brocken“ in ihrem Aufgabenbereich vorfindet. Abgesehen von den direkten Budgets kontrolliert die SPÖ mit dem Finanzministerium freilich auch noch zentral die Geldverteilung an alle Ministerien und sitzt damit zusätzlich noch an zentraler machtpolitischer Position. Die SPÖ verfügt damit summa sumarum über viel mehr finanzielle „Feuerkraft“ als die ÖVP-Ministerien.
Daneben gibt es aber freilich auch politisch einflussreiche Ministerien ohne große Budgets, die einer Partei in Österreich aber trotzdem Macht verleihen können. Das Medienministerium kontrolliert etwa den ORF und verteilt Gelder an die Medienkonzerne des Landes und verfügt damit über großen indirekten politischen Einfluss bei relativ kleinem Ministeriumsbudget. Wer die Medien in seinem Sinne geschickt beeinfusst – siehe Faymann und die SPÖ – der kann sich lange an der Macht halten. Macht erzeugt auch das Kulturministerium, weil es die politisch meinungsprägende Kultur im Land subventioniert und so in Wien durchaus eine gewisse Machtfülle im „Operettenstaat“ Österreich hat. Die Kunst- und Kulturszene mischt sich ja gerne für linke Positionen in der Politik meinungsprägend ein und bekämpft auch gerne restriktivere Fragen in der Migrationspolitik. Diese beiden Ministerien werden ebenso von der SPÖ kontrolliert, was wohl für die linke Reichweite positive politische Auswirkungen haben wird.
Fazit
In der Frage der Machtpolitik ist also ziemlich sonnenklar, wer bei den Verhandlungen sein Blatt hat besser ausspielen können: Andi Babler und seine SPÖ! Sie haben die Koalitionsverhandlungen insoweit gewonnen, indem sie mit weit mehr Ämtern ausgestiegen sind, als ihnen vom Wahlergebnis her zustehen würden. Zum Überhang an Ministerien an sich kommt auch noch ein machtpolitischer Überhang bei der Qualität und Finanzkraft der Ministerien dazu. Die ÖVP hat sich nämlich mit ihren traditionellen „Klientelministerien“ Wirtschaft, Landwirtschaft und Innenministerium abgefunden, die finanziell und machtpolitisch eher die zweite und dritte Geige in der Republik spielen. Das Steuergeld an alle Ministerien verteilt nun ein sehr linker roter Finanzminister und es wird mehrheitlich von SPÖ-Ministern ausgegeben werden!
Für viele bürgerliche Wähler ist dieses Ergebnis der Koalitionsverhandlungen wohl eine gewisse Enttäuschung. Andi Babler „kann“ offenbar Machtpolitik und die selbstbewusste ÖVP Niederösterreich um Christian Stocker hat diese offenbar etwas verlernt. Vielleicht hat man sich auch zu lange von den Grünen vorführen lassen und nun fehlt im Umgang mit linken Parteien jene Cojones, die etwa gegen Herbert Kickl in den kurzen blau-türkisen Verhandlungen schon aufgebracht worden sind.
Es ist einigermaßen unverständlich, warum ÖVP und SPÖ bei 250.000 Stimmen Unterschied am Ende gleich viele Posten besetzen dürfen und dass am Ende die ÖVP de fakto sogar mit einem Fachministerium weniger aussteigt, weil ja das Bundeskanzeramt in der Koalitionslogik ebenfalls als einfaches „Ministerium“ zählt. In Deutschland mag man hier noch mit der mächtigen Richtlinienkompetenz argumentieren können, wo ein Kanzler jedem Minister vorschreiben kann, was er politisch tun soll. Diese Richtlinienkompetenz gibt es in Österreich aber nicht! Der Einfluss von Bundeskanzler Stocker gegenüber Babler und der SPÖ wird somit auch in der Zukunft nur von seinem Verhandlungsgeschick abhängen.
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