Nationalratswahl 2024: Wie man bürgerlich TAKTISCH wählt !

Österreich wählt seinen Nationalrat am 29.09.2024  und viele Menschen sind bis zum Schluss noch unentschlossen. Sie sind sich nicht sicher, welche Partei für sie das geringste Übel darstellt oder was sie mit ihrer Stimme taktisch am besten anfangen sollten. Wir möchten daher unseren bürgerlichen Lesern eine Denkhilfe zur Nationalratswahl 2024 geben, indem wir verschiedene Szenarien des taktischen Wählens vorstellen, die für bürgerliche Wähler 2024 interessant sein könnten! Beim taktischen Wählen geht es nämlich darum, die Parteien so zu stärken, dass am Ende die eigene Wunschkoalition herauskommt!

Man verteilt als bürgerlicher Wähler die politischen Gewichte für die Nationalratswahl 2024 also möglichst so an die jeweiligen Parteien, dass das  wahrscheinlichste Ergebnis der Nationalratswahl am besten den eigenen Vorstellungen entspricht!

Spieltheorie: Wie man taktisch wählt

Die Spieltheorie ist eine mathematische Methode, bei der man sich verschiedene Möglichkeiten von Handlungsoptionen ansieht und dann rationale Entscheidungen möglichst analysiert. Beispiel: Was passiert wenn ich bei der Nationalratswahl 2024 die ÖVP wähle und was würde passieren, wenn ich stattdessen die FPÖ bei der Wahl ankreuze? Wichtig dabei ist, dass in der Spieltheorie der Erfolg des eigenen Handelns immer auch von dem Handeln aller anderen abhängt: Sie eignet sich daher wunderbar für die Analyse einer Wahl, bei der ja schließlich mehr als 6 Millionen Menschen wahlberechtigt sind.

Bei der Spieltheorie gibt es natürlich viele wahnsinnig komplizierte und spannende Varianten, wofür Ökonomen schon viele Nobelpreise bekommen haben! Wir verwenden hier aber eine ziemlich einfache Variante, weil sie für die Analyse der Wahl völlig ausreicht: Baumdiagramme! Baumdiagramme listen unsere Entscheidungen auf und zeigen, was daraus folgen wird, wenn alle anderen Akteure sich auch entschieden haben, also wenn die anderen Österreicher auch gewählt haben und die Parteien in der Folge Koalitionen gebildet haben.

Baumdiagramm, bzw. Spielbaum in der Spieltheorie

Fall 1: Wir wählen bei der Nationalratswahl die ÖVP

Wir haben also die ÖVP gewählt. Das sieht man im blauen Kästchen. Nun gibt es nach der Wahl in der Folge drei realistische Koalitionen: Die Austro-Ampel mit SPÖ und NEOS, die türkisblaue bzw. blautürkise Koalition und die große Koalition mit der SPÖ. Wir sehen also, dass wir mit der Wahl der ÖVP ziemlich viele Koalitionsoptionen bekommen, ABER nicht automatisch auch einen ÖVP-Bundeskanzler (siehe violette Felder !). Liegt etwa die SPÖ vor der ÖVP,  gibt es im Falle der Austroampel einen Kanzler Babler. Liegt die FPÖ vor der ÖVP und es kommt zu blautürkis, gäbe es einen Kanzler Kickl. Das gilt aber nur theoretisch, denn diese Option schließt Kanzler Nehammer ja aus (deshalb in der Grafik durchgestrichen) !

Wir bekommen also bei der Wahl der ÖVP potentiell einen Kanzler Nehammer, einen Kanzler Babler, oder aber einen völlig Unbekannten aus der FPÖ, weil die ÖVP die Kür von Herbert Kickl zum „Volkskanzler“ ausgeschlossen hat.

Fall 2: Wir wählen bei der Wahl die FPÖ

Wir haben bei der Nationalratswahl nun die FPÖ gewählt. Die Koalitionsoptionen sind nun viel beschränkter: Es gibt nämlich nur eine mögliche Koalition und zwar mit der ÖVP.  Die Frage ist hier nur, wer die stärkste Partei ist und wer deshalb in der Folge den Kanzler stellt. Würde die FPÖ einen Kanzler Nehammer akzeptieren, wenn sie stärkste Kraft ist? Möglich, aber unwahrscheinlich. Würde die ÖVP eine Kickl-Alternative aus der FPÖ – etwa Manfred Haimbuchner oder Norbert Hofer – als FPÖ-Kanzler akzeptieren? Unter gewissen Umständen- mit Kanzler Andi Babler als Alternative- durchaus denkbar. Mit dem Kreuzerl bei der FPÖ wählt man die ÖVP also jedenfalls mit, vorausgesetzt natürlich die FPÖ kommt in die Regierung.

Die Conclusio der Spieltheorie ist es nun, sich diese Baumdiagramme genau anzusehen, sie von hinten nach vorne zu analysieren und die Wahrscheinlichkeit eines Ergebnisses einzuschätzen. Was muss ICH wählen, um etwa möglichst sicher einen Kanzler Nehammer zu bekommen? Was müsste ich wählen, um die SPÖ in der Regierung zu verhindern? Das werden wir uns nun genauer ansehen !

Die Kanzlerwahl: Nehammer, Kickl, Babler

Bei der präferierten Wahl zum Bundeskanzler ist die Lage noch relativ klar: Wer Karl Nehammer als Bundeskanzler möchte, müsste ÖVP wählen. Ähnlich gelagert ist es bei Andi Babler und  der SPÖ, sowie bei Herbert Kickl und der FPÖ. Auf linker Seite könnte man eventuell argumentieren, dass eine Stimme für die Bierpartei bzw. die KPÖ letztlich zu einer Mehrheit von SPÖ, Grünen, NEOS und BIER/KPÖ führen könnte und damit Andi Babler ebenso zum Kanzler machen würde, doch ist dieses Szenario hochgradig unwahrscheinlich. Erstens, weil die Bierpartei/KPÖ den Einzug wahrscheinlich nicht schaffen wird und zweites, weil die NEOS  eine derart linke Koalition wahrscheinlich nicht mittragen würden, wenn ÖVP-SPÖ-NEOS ebenfalls zur Wahl stünde. Es bleibt also dabei: Wer den Kanzler „wählen“ will, der muss  seine präferierte Partei direkt wählen !

SPÖ als Regierungspartei verhindern

Wer die SPÖ als Regierungspartei verhindern will,  müsste bei dieser Wahl die ÖVP wählen. Das ist freilich auf den ersten Blick völlig unlogisch, wenn man auf das Baumdiagramm blickt. Normal wäre laut Baumdiagramm nämlich eine Stimme für die FPÖ DIE Garantie gegen eine SPÖ-Regierung, NICHT aber bei dieser Wahl ! Wer Andi Babler um jeden Preis von Regierungsämtern fernhalten will, müsste 2024 die ÖVP wählen, würde damit aber allerdings mit seiner Stimme ein gewisses Risiko eingehen ! Liegt die ÖVP nämlich vor der FPÖ, würde das die Wahrscheinlichkeit einer türkis-blauen Koalition erhöhen, wie etwa ein frustriertes Posting vom bekannten linken Blogger Rudi Fussi demonstriert:

Das wirklich absurde an diesem Wahlkampf ist, dass man drauf hoffen muss, dass Kickl Erster wird, sonst gibt’s Schwarz-Blau. Furchtbar.

Rudi Fussi; Quelle: https://x.com/rudifussi/status/1839395884385419699

Liegt die ÖVP auf Platz 1, würde die ÖVP jedenfalls den Bundeskanzler stellen – ganz egal ob sie mit SPÖ oder FPÖ koaliert. Da die Programme von ÖVP und FPÖ gut zusammenpassen, könnte ein derartiges Wahlergebnis Karl Nehammer unter Druck setzen, eine bürgerliche Mehrheit zu bilden. Liegt die ÖVP hingegen auf Platz 2, dann würde Nehammer wohl eine Koalition mit der SPÖ über eine Koalition mit Kickl präferieren, wenngleich er partout nicht die FPÖ als Koalitionspartner ausschließt. Eine maximale Stärkung der ÖVP wäre

also das Richtige für alle Türkis-Blau Fans !

Schwarz-Blau mit einer starken Migrationspolitik

Will man die ÖVP verpflichten, ihren harten Ansagen bei der Migration auch ebensolche Taten folgen zu lassen, müsste man allerdings die FPÖ wählen. Einerseits stünde die ÖVP dann im Falle einer Regierung mit der Babler-SPÖ politisch von rechts unter Druck in diesem Bereich besonders aktiv zu werden. Andererseits würde im unwahrscheinlichen Fall einer blau-türkisen Koalition in jedem Fall eine harte Migrationspolitik folgen, weil das ja der Markenkern der FPÖ ist. Die Gefahr bei dieser Koalition wäre dann aber freilich, dass man seine Stimme höchstwahrscheinlich einer Oppositionspartei gibt! Ist die FPÖ zu stark, wird nämlich niemand mit ihr regieren!

Türkis-Rot: Eine große Koalition ohne NEOS

Will man als Wähler unbedingt eine große Koalition von ÖVP und SPÖ ohne die NEOS von Beate Meinl-Reisinger als Beiwagerl, dann müsste man taktisch die SPÖ oder die Kleinstparteien wählen, die höchstwahrscheinlich NICHT in den Nationalrat einziehen. Wählt man etwa Bierpartei, KEINE, Kommunisten, Liste Gaza, MFG oder die Liste Petrovic und keine dieser Parteien käme wie erwartet ins Parlament, dann würde mit den Stimmen für die „Kleinen“ die Prozenthürde für eine Zweiermehrheit dramatisch absinken. Warum das so ist, sieht man schön an folgender Umfrage:

Hier haben ÖVP und SPÖ mit nur 46 % der Stimmen eine Mehrheit im Nationalrat, weil FPÖ, Grüne und NEOS zusammen nur auf 45 % kommen. Das ist möglich, weil 9% der Stimmen wegfallen (3% KPÖ, 3% BIER, 3% Sonstige). Die Wähler der kleinsten Parteien könnten uns am Sonntag also womöglich eine große Koalition bescheren und damit großen Frust für die NEOS. Eine Stimme für die „Kleinen“ wäre also eine Stimme für die große Koalition ohne NEOS, SOFERN freilich keine der Kleinparteien in den Nationalrat einzieht. Die Nationalratsmandate würden durch den Nichteinzug für alle anderen Parteien im Nationalrat nämlich deutlich „billiger“ werden. Das wiederum würde aber natürlich den größeren Parteien mehr helfen als den Kleineren !

ÖVP-SPÖ-NEOS: Die Austroampel

Will man am Ende eine Austroampel aus ÖVP, SPÖ und NEOS, dann empfiehlt es sich auch hier wiederum als bürgerlicher Wähler  die ÖVP zu wählen. Würde die ÖVP nämlich auf Platz 3 hinter FPÖ und SPÖ zu liegen kommen, dann würde die Chance auf eine solche Koalition schwinden. Nur eine starke ÖVP würde sich wohl mit der linken SPÖ und den linksliberalen NEOS ins Koalitionsbett legen. Eine schwache ÖVP auf Platz 3 wäre inhaltlich bestimmt besser beraten, einen FPÖler – der wiederum nicht Herbert Kickl sein würde- zum Kanzler zu machen, um inhaltlich in der Koalition mehr Leverage zu haben. Bundeskanzler Nehammer müsste in einem derartigen Fall dann wohl zurücktreten.

ABER das ist freilich nicht die einzige Option. Wählt man die NEOS und stärkt diese, dann würde das wiederum die Chancen für eine Austroampel steigern, weil ÖVP und SPÖ alleine keine Mehrheit im Nationalrat hätten. Wer die Austroampel unbedingt will – egal ob mit Kanzler Babler oder Nehammer – ist also mit einer Stimme bei den NEOS am besten bedient. Versehen mit dem kleinen Unsicherheitsfaktor, dass die ÖVP dadurch womöglich zu schwach werden könnte !

Fazit

Es dreht sich bei dieser Wahl also alles um das Ergebnis der ÖVP ! Liegt diese am Ende auf Platz 1, dann besteht die größte Wahrscheinlichkeit für eine türkis-blaue Koalition. Liegt die ÖVP hingegen auf Platz 2, dann ist eine Koalition mit SPÖ / NEOS am wahrscheinlichsten. Wählen viele Leute die kleinsten Parteien und ziehen diese allesamt nicht ein, bekommen wir am Ende höchstwahrscheinlich eine große Koalition von ÖVP und SPÖ. Ist die ÖVP aber wiederum zu schwach und landet auf Platz 3, dann steigt die Wahrscheinlichkeit einer Regierung mit der FPÖ wieder. Ein Andi Babler wäre  als Bundeskanzler wohl schwerer zu verdauen als ein gemäßigter bürgerlicher FPÖler (Hofer, Haimbuchner, Svazek) oder gar ein Unabhängiger a la niederländischem Modell (siehe: https://www.dermaerz.at/politik-braucht-oesterreich-2024-das-niederlaendische-modell/).

Nicht wählen sollte man als Bürgerlicher mit Affinität für die große Koalition jedenfalls die SPÖ, weil eine SPÖ auf Platz 2 oder gar Platz 1 die Chancen für diese Koalitionsvariante drastisch reduzieren würde. Eine schwache, aber dafür mitregierende SPÖ scheint auch das Ziel vieler mächtiger SPÖler zu sein, was ihre Querschüsse gegen Andi Babler gut erklären würde.

Generell gilt also: Weil die ÖVP das Scharnier zu einer Regierungsbeteiligung ist, sollten die jeweiligen Wunschkoalitionspartner daher nicht zu stark sein – ausgenommen freilich die NEOS! Schuld an dieser politischen „Abhängigkeit“ von der ÖVP sind die anderen Parteien selbst. Solange die SPÖ eine Brandmauer gegen die FPÖ bildet, wird sie bei den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen von der ÖVP als Koalitionspartner abhängig sein!

Ganz anders war es übrigens 2019 ! Hier war beim taktischen Wählen vor allem gefragt, die potentiellen Koalitionspartner der ÖVP zu stärken ! Weil das Duell um Platz 1 entschieden war, wählten mehr Wähler als sonst ihre inhaltliche Präferenz. Hätten damals nicht so viele Linke die Grünen gewählt und stattdessen etwa die SPÖ präferiert, dann hätte Türkis-Blau wohl weiterregiert! So aber hatte Kurz dank des Wahlergebnisses plötzlich drei Optionen und entschied sich letztlich fatalerweise für die ihm medial und von der Wiener Blase am meisten angetragene Koalitionsoption mit den Grünen.

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