Pandemien spielten in der Geschichte wichtige Rollen in der Außenpolitik, wie in der (internationalen) Wirtschaft. So wird etwa der (militärische) Aufstieg des Islam heute unter anderem indirekt Pestepidemien zugeschrieben, die den Großmächten ihrer Zeit (dem Oströmischen Reich und dem persischen Sassanidenreich) schwer zusetzten. Handelsrouten wurden durch Pandemien unterbrochen oder umgeleitet, wirtschaftliche Systeme umgeworfen. Eine Pandemie brachte dann immer die Diplomatie in Bewegung, wenn Schäden aufgearbeitet und politische Kräfteverhältnisse neu austariert und neue Allianzen geschaffen wurden. Krisenprofiteure überfielen dann oftmals kriegerisch geschwächte Nachbarländer. Wirtschaften adaptierten sich notgedrungen wenn Arbeitskräfte fehlten und wurden so zu wirtschaftlicher und ideeller Innovation gezwungen.
Handel und der Export von Krankheiten
Die alte Seidenstraße war neben ihrer Bedeutung für den Fernhandel nach Mitteleuropa leider auch ein Transportweg für den „Schwarzen Tod“ (die Pest). Wirtschaftliche Offenheit war hier ein Preis für millionenfachen Tod durch diese asiatische Pandemie, die in den letzten 2 Jahrtausenden immer wieder Europa heimsuchte. Aber Pandemien waren natürlich nie geographische Eingangsstraßen. Andererseits exportierten die Europäer ihre Infektionskrankheiten per Schiff in die Neue Welt, wo ab 1500 die Schweinepest ein Massensterben der Indigenen in Amerika auslöste. Die Spanier trafen deshalb wohl auf signifikant weniger Widerstand als sie Südamerika und die Karibik in dem folgenden Jahrhundert kolonialisierten. Die europäische Kultur breitete sich in der Folge aus und erschloss sich den amerikanischen Doppelkontinent. Es entstand als Folge davon ein globaler Welthandel, der Silber aus den Anden nach China exportierte, dort einen Wirtschaftsboom auslöste, der dann wiederum Europa mit chinesischen Waren und der chinesischen Kultur vertraut machte.
Die Auswirkungen von Pandemien
Pandemien veränderten also unmittelbar wie mittelbar die Gesellschaft und die Wirtschaft lokal wie global. Imperien und Handelsreiche wachsen mit ihnen und gehen mit ihnen unter. Die so genannte Attische Seuche beendete etwa die Hegemonie des demokratischen Athens im 5. Jahrhundert v.Chr. sowie die Klassische Griechische Kultur und schuf den Boden für die Dominanz des Militärkönigtums Sparta. Staaten wie Ökonomien müssen in der Folge einer Pandemie lernen mit dem Ausfall vieler Arbeitskräfte umzugehen. Pandemien verunsichern auch die Bevölkerungen und machen Gesellschaften wohl risikoaverser. So befreit wie vor Corona, werden Europäer und Amerikaner wohl nicht so schnell wieder in Entwicklungsländer reisen.
Der Einfluss der Pandemien auf die Wirtschaft ist also nicht zu überschätzen. Das kann ganze Gesellschaftsstrukturen nachhaltig verändern. Der Aufstieg der Städte in Mitteleuropa und des (Handwerker-) Bürgertums im Mittelalter bekam etwa einen Schub durch Pestpandemien. Viele Todesfälle ließen hier die Wertigkeit dieser Fachkräfte ungemein steigen und ermöglichten ihnen ein größeres Stück am gesamtgesellschaftlichen Reichtum zu bekommen. Der wirtschaftliche Schwerpunkt verlagerte sich vom Landadel in die produktiven Städte. Diese Städte wurden dann reicher, demokratischer und mächtiger als zuvor. Pandemien nehmen also einen enormen Einfluss auf die betroffenen Regionen und deren bestehende Strukturen.
Lackmustest „Pandemie“
Solche Pandemien legen aber zusätzlich immer auch die Schwächen des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Systems offen! Die aktuelle Corona-Pandemie ist dabei ein wunderbares Beispiel. Nicht umsonst sind Länder wie Brasilien, Peru, Südafrika und die USA mit großen gesellschaftlichen Ungleichheiten am härtesten und längsten getroffen worden. Gegenseitiges Misstrauen von Bevölkerungsgruppen, unterschiedlicher Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu finanziellen Rücklagen et cetera haben hier klar den Unterschied zu etablierten Sozialstaaten wie in Europa aufgezeigt. Vor allem was die notwendige Langatmigkeit einer Gesellschaft zur Pandemiebekämpfung betrifft. In der westlichen Hemisphäre war diese offensichtlich weit geringer ausgeprägt als in der alten Welt Europas. Die Überwindung der Krisenfolgen kann dabei Jahrzehnte dauern – wie neueste Untersuchungen zur spanischen Grippe zeigen. Laut Forschern sind Nachwirkungen dieser letzten großen weltweiten Pandemie bis in die zweite Hälfte des 20.Jahrhunderts hin spürbar.
Fazit
Historisch haben Pandemien also oft Länder geschwächt und diese Schwächen ihren Nachbarn offen gelegt. Systeme mussten adaptieren und wurden neu justiert, Wirtschaften mussten sich nach neuen Parametern ausrichten. Die diplomatischen Beziehungen wurden instabiler und Kriege wahrscheinlicher, da Länder sich neu ausrichteten. Gleichgewichte der Macht erodierten rascher als erwartet. Nichts anderes passiert nun mit dem Aufstieg Chinas und dem Handelskonflikt mit den USA, sowie einer EU, die sich ihre Rolle in einer neuen politischen Umgebung erst noch suchen muss.