Die mit der Wahl Ludwigs etwas nach rechts gerückte SPÖ lässt nach der Wien-Wahl immer stärker erkennen wie genervt sie von den Grünen seit längerem ist. Diese fallen ja seit längerem durch linken Aktionismus (Popup-Pools und-Radwege) und radikal linke Töne (Migranten sind zu bevorzugen vor Einheimischen) auf. Und stehen allen Verkehrskonzepten in Wien kritisch gegenüber, die nicht eine Reduktion des Individualverkehrs vorsehen. Ideen einer aktivistischen Splitterpartei von denen die staatstragendere SPÖ oft wenig hält. Sie vertritt ja schließlich über 40 Prozent der Wiener und ihr politischer Horizont endet nicht am Gürtel. Ganz im Gegenteil. Bürgermeister Ludwig kann auch nicht wirklich mit der plump auftretenden Birgit Hebein und soll sich intern bereits mehrmals gegen die Grünen ausgesprochen haben.
Die Position der SPÖ
Die SPÖ ist wieder einmal der klare Gewinner der Wien-Wahl 2020, auch wenn das Ergebnis ihr drittschlechtestes Resultat in der Wiener Parteigeschichte ist. Ein Plus von rund 2 Prozent steht aber davor, womit sich Bürgermeister Ludwig zu Recht als Sieger fühlen darf. Fehlt nur noch ein passender Koalitionspartner.
Rot-Pink wäre eine politische Neuheit in Österreich die wohl einigen Charme für die SPÖ hätte. Man erspart sich etwa Rot-Grüne Konflikte die in 10 Jahren gemeinsamer Koalition immer zahlreicher wurde. Politisch dürften die NEOS auch weit billiger als die Grünen sein – vor allem wenn diese auf einen zweiten amtsführenden Stadtrat bestehen (der ihnen politisch zusteht). Dann stünde die SPÖ nämlich nach dem Wahlsieg mit einem Regierungsmitglied weniger da. Und die Grünen hätten plötzlich zwei Ressorts. Für Rot-Grün spricht die Berechenbarkeit und die gemeinsamen ideologischen Schnittmengen – Verkehrspolitik natürlich ausgenommen. Dagegen spricht die mangelnde Paktfähigkeit der Grünen Vizebürgermeisterin Hebein, die mit ihren Sagern, etwa Migranten vor Österreichern zu bevorzugen, dem SPÖ Bürgermeister ordentlich in die Parade fuhr. Ludwigs Konzept einer „Wiener Hausordnung“ sieht nämlich „Wiener zuerst“ vor. Die Neuankömmlinge aller Coleurs (In- wie Ausländer) sollen sich dann „hinten anstellen“. Eine politisch korrekte Version der „Inländer zuerst – Variante“ der FPÖ.
So hat Ludwig die NEOS zwar zuerst im Wahlkampf scharf kritisiert, ihnen dann aber eine gute Entwicklung diagnostiziert. Jeder kennt außerdem Ludwigs Affinität zur Wiener Wirtschaftskammer um Walter Ruck. Ludwig kann also mit Bürgerlichen und will das auch. Mehr Bauprojekte in Wien wären mit der Wirtschaftspartei NEOS auch drinnen.
Der linke Flügel der SPÖ
Der linke Flügel der SPÖ, etwa um den Exbürgermeister Michael Häupl, hat dagegen wenig Freude mit den NEOS. Und plädiert für eine Weiterführung von Rot-Grün. Ideologische Naheverhältnisse zu den Grünen stehen hier über dem Streit um Baustopps und der kuriosen Hebeinschen Verkehrspolitik mit ihren Popupradwegen. Transparenz, wie sie die NEOS einfordern, wäre für die Stadtverwaltung und die mit ihr verhaberte SPÖ wohl realpolitisch wie das Weihwasser für den Teufel. Dafür würde andererseits die Politik „verkehrsberuhigter“ Straßen für die SPÖ enden. Und sie müsste sich in den Außenbezirken weniger rechtfertigen. Deshalb hat sich Ernst Nevrivy, Bezirksvorsteher der großen Donaustadt, wohl schon gleich nach der Wahl gegen die Grünen und tendenziell für die NEOS ausgesprochen. Bäume würden wohl trotzdem in jedem Fall für die grünaffine Klientel auch weiterhin gepflanzt werden 😉
Die Ausgangslage der NEOS
Liberale Parteien in Österreich haben in der Regel ein Ablaufdatum. Ihre Ideologie ist im Land nie lange populär, da hier eine ausgeprägte Staatsgläubigkeit existiert und die Liberalen genau an dieser rütteln müssen um authentisch zu bleiben. Und sich dementsprechend unbeliebt machen, denn jeder weiß was eine Senkung der Staatsquote und eine Senkung der Steuern mittelfrisitig bedeutet: Es wird überall gekürzt ! Zum Vorteil der oberen 30 Prozent natürlich, die von weniger Transfers und mehr unternehmerischer Freiheit massiv profitieren könnten. Mehr Privat und weniger Staat also ! Die liberalen Parteien hängen sich daher – historisch betrachtet – in der Regel an die großen politischen Lager an. Als Flügel oder Strömung in einer anderen Partei versuchen die wenigen Liberalen dann ihre Ideale politisch durchzusetzen.
Das waren im 19. Jahrhundert die Deutschliberalen, eine Sammlungsbewegung der deutschsprechenden k.u.k. Intelligenz mit später vielen Deutschnationalen. Im 20. Jahrhundert war das dann ab den 1960ern die FPÖ, wo die Liberalen einen eigenen Flügel um Leute wie Heide Schmitt formten. Um sich dann als Liberales Forum (LIF) am 4. Februar 1993 mit kurzfristigem medialem Pomp von dieser abzuspalten. Ein Experiment das schon nach 6 Jahren 1999 mit der Abwahl aus dem Nationalrat enden sollte. In Wien probierte man es sozialliberal in der Häupl Ära in den 1990ern im Wiener Gemeinderat, wurde dann aber von der SPÖ links zu Tode umarmt. Man scheiterte also auch hier. Die NEOS sind nun der vorerst letzte Versuch mithilfe des bürgerlichen ÖVP-Lagers eine liberale Bewegung am Leben zu erhalten.
Die NEOS sind deshalb zuallererst ein Produkt unzufriedener linker ÖVPler, die dann in der Folge mit den Resten des LIF und der Jungen Liberalen (JuLis) gemeinsame Sache machten. Leute wie ihr Exparteiobmann Strolz und die aktelle Parteiobfrau Meinl-Reisinger waren mit ihren liberalen urbanen Ansichten in der ÖVP einfach nicht mehrheitsfähig. Und warfen frustiert das Handtuch.
Also: Quo Vadis NEOS?
Die NEOS müssen also regieren und Ergebnisse liefern um politisch mittelfristig zu überleben. Denn die polierte urbane Rhetorik wird nicht immer funktionieren – speziell wenn es politisch um große Themen geht. Oder um Richtungsentscheide wie etwa 1999, als das Liberale Forum abgewählt wurde. Die Grünen sind auch ein warnendes Beispiel, als sie aufgrund ihrer zunehmend linksextremistischen, selbstgefälligen Oppositionsrolle 2017 hochkannt aus dem Nationalrat geflogen sind.
Regieren ist also für die NEOS zentral und sie kommunzieren das auch so politisch. Auf Dauer wird es also ohne Regierungsbeteiligung (die aktuelle Salzburg sei hier mal ausgenommen) weder bundesweit noch wienweit funktionieren. Und man wird bestenfalls bei den 5 Prozent stagnieren wie man es bundesweit tut.
Der Charm für die Bürgerlichen
Aus bürgerlicher Hinsicht wäre es auf jeden Fall positiv eine bürgerliche Partei wie die NEOS anstelle der ziemlich linken Wiener Grünen im Rathaus zu haben. Etwa als klitzkleines Korrektiv für die SPÖ. Die im eigenen Sud viel zu lange schon wandelt und alle ihre Versäumnisse mit viel Geld und Mitteln ständig selbst ausbügeln muss. Wien kann also fast nur besser regiert werden, wenn man von der Gegenwart einer Ludwig-Hebein Koalition ausgeht. Das wird Bürgerlichen also besser gefallen. Auch wenn die Neos in vielen sozialen Fragen ähnlich links stehen wie die Grünen – beispielsweise in der Frage ob man Flüchtlinge aus Moria aufnehmen sollte.
Auch politisch ist es für ÖVP und FPÖ attraktiv: Thematisch haben die NEOS nämlich eher wenig zu gewinnen! Fokussieren sie sich auf ihr Lieblingsthema Bildung werden Sie feststellen, dass 75 Prozent der Wiener Kinder Migrationshintergrund haben. Kein Bildungsbudget der Welt kann die derzeitigen Sprachprobleme von einem Gutteil der Kinder mit Migrationshintergrund schnell beheben. Die Zahl der Ghettoschulen steigt immer mehr an statt weniger zu werden, Islamkindergärten sind heute eine Realität. Die idealistischen Ansichten der NEOS aus dem bildungspolitischen Elfenbeinturm („Flügel heben“ aka Strolz) werden bei den Pädagogen in den Wiener Schulen am Boden der Realität dagegen nur ein müdes Lächeln hervorrufen. Die SPÖ wird die Bildungsagenden auf jeden Fall gerne abgeben – davon kann ausgegangen werden. Viel lieber als etwa die Verkehrsagenden, die ihre Wähler ungleich mehr interessieren.
Politischer Ausblick: Wien 2025
Eine Regierungsbeteiligung der Neos in Wien und damit ein Ausschluss der Grünen könnte folgendes bewirken: Die NEOS rücken politisch wie in der medialen Wahrnehmung immer weiter nach links und werden für die akademisch gebildeten SPÖ-Wähler zunehmend attraktiv. Gleichzeitig verlieren Sie wieder Teile ihrer bürgerlichen Wähler zurück an die ÖVP. Und die Grünen in Wien könnten aus der Opposition gleichzeitig linkes Potential von der SPÖ bei der nächsten Wahl abziehen (wie es 2019 im Bund geschah). Potential wäre laut Meinungsforschern genug da – manche sehen da noch bis zu 20 Prozent für die Wiener Grünen. Was in einer politischen Mehrheit für eine Dirndl-Koalition (ÖVP, Grüne, NEOS) bei der nächsten Wienwahl 2025 erstmalig resultieren könnte.
In der Opposition wie in der Bundesregierung würden die Wiener VP und die Wiener Grünen wohl strategisch zusammen finden. Dazu käme eine politische grüne Empörung „links liegen“ gelassen worden zu sein. Und dazu kommt, dass die SPÖ-NEOS Mehrheit mit der nächsten Wahl und dem Wiederaufstieg der FPÖ aus den Ruinen der Strache-Skandale wohl ziemlich sicher Geschichte wäre. Womit auch den NEOS 2025 die Dirndl-Koalition dann als einzige Machtoption zum – mittlerweile sicher geliebten – Weiterregieren bliebe! Die SPÖ würde 2025 auf jeden Fall zwischen oppositionellen Grünen und einer stärkeren FPÖ etwas unter die Räder kommen und wohl nicht mehr so gut abschneiden.