Warum sich viel ändern müsste, sich aber doch nichts ändern wird – hier finden Sie unsere Analyse der kommenden Wien-Wahl 2020!
Die Ausgangslage
Die aktuellen Umfragen zur Wien-Wahl zeichnen folgendes Bild:
Die rot-grüne Regierung ist laut letzten Umfragen in der Lage in Relation zur Wahl 2015 etwa 1,5 Prozentpunkte zuzulegen. Sie kann also nur marginal von den Auflösungserscheinungen der FPÖ profitieren. Was aber trotzdem eine bessere Ausgangslage als noch im Januar 2020 ist, als die Opposition noch rund 3 Prozent stärker war. Die etwa 20% voraussichtlichen Ex-Wähler der FPÖ, die am Wählermarkt verfügbar sind, verteilen sich laut Umfragen zu 11 Prozent auf die ÖVP und zu 6 Prozent auf das Team Strache. Es bleiben also ÖVP und Team Strache als jene Parteien mit den größten Zugewinnen und die FPÖ als großer Wahlverlierer.
Damit bleiben zwei rechnerisch mögliche Koalitionen: SPÖ-Grüne und SPÖ-ÖVP und eine fiktionale Koalition als Schreckgespenst der SPÖ zur Mobilisierung ihrer Wähler, die DIRNDL-Koalition. Die Dirndl-Koalition bestünde aus der ÖVP, den Grünen und den NEOS, die allerdings laut der Umfrage vom 17.09 zusammen nur auf rund 40 Prozent kommen würden und damit keine eigene Mehrheit haben. Das sah im Januar in einer Umfrage von Research Affairs (und sogar auch im Juli) noch anders aus. Damals kamen die drei „Dirndl-Parteien“ zusammen auf 48%. Was bei einem knappen Nichteinzug Straches wohl eine knappe Mandatsmehrheit bedeutet hätte. Straches Antreten ist daher in jedem Fall ein frühes Weihnachtsgeschenk für die SPÖ. Das Szenario einer „Dirndl-Mehrheit“ ist seit den politischen Verschiebungen im Sommer unrealistisch geworden. Der SPÖ ist deshalb ihre relative Mehrheit wohl nicht zu nehmen. (Zu-)Gewinnen werden am Wahlabend wohl die meisten der Parteien.
Die Parteien
Die politische Ausgangslage der Wien-Wahl aufgeschlüsselt nach den einzelnen Parteien ist folgende:
Die Wiener Sozialdemokraten (SPÖ) – „Liste Ludwig“
Die SPÖ konnte seit Januar vor allem auf Kosten der Grünen beständig zulegen. Der direkte Konkurrent um den Bürgermeistersessel fiel mit der FPÖ weg, anders als 2015 , also hat man eher ein Problem, ein neues Feindbild zur Mobilisierung der Wähler aufzubauen, was aber nach letzten Umfragen gar nicht nötig zu sein scheint. Während sich die Opposition gegenseitig attackiert (NEOS vs. ÖVP z.B.) kann die SPÖ ungerührt aller eigenen Fehler und Skandale in den Umfragen davonziehen, und davon gäbe es einige: Krankenhaus Nord, Bildungschaos bei Kindern mit Migrationshintergrund, türkische Ausschreitungen in Favoriten (Integrationschaos), Wohnungsmangel, die Folgen des Massenzuzugs ecetera.
Das strategische „Traumszenario“ der SPÖ wäre die Absolute Mehrheit, die durch das Antreten Straches wahrscheinlicher geworden ist, als viele annehmen und zwar mit einer durchaus realistischen Punktlandung Straches knapp unter 5 Prozent und einem sehr guten SPÖ-Ergebnis um die 45 Prozent , sowie starken Kleinparteien (Links, Bierpartei). Dies würde in Kombi mit dem SPÖ-freundlichen Wahlrecht eine absolute Mandatsmehrheit bei ungefähr 45 Prozent Stimmenanteil bedeuten. Gewinnt die SPÖ also noch ein paar grüne oder blaue Wähler zu den aktuellen Umfragewerten, ist die „Absolute“ nicht unerreichbar.
FPÖ
Dagegen steht die FPÖ nach Abspaltung ihres Ex-Obmanns Strache und dessen Spesenaffäre sehr schlecht da. Die Ursache ist dabei sonnenklar aus den Umfragen abzulesen: Bis zum Herbst 2019 waren nämlich 25 Prozent stets das untere Limit in den Wiener Umfragewerten. Bei Ibiza brach man dann zwar kurz auf 20 Prozent ein, erholte sich dann aber wieder. Umfragedaten aus den Jahren 2016 und 2017 sahen die FPÖ sogar bei rund 40 Prozent für ein paar Monate. Der Fall in die Bedeutungslosigkeit kam dann im Herbst 2019 mit Straches Spesenvorwürfen. Diese sind ja ein klares Wiener Thema , da gerade die finanzstarke FPÖ Wien Strache großzügig unterstützt hat. Die Wiener Parteien sind nämlich im Vergleich zu anderen Bundesländern äußerst üppig mit finanziellen Mitteln ausgestattet. Begründet liegt dies in der großzügigen Parteiförderung, die sich die SPÖ hier seit Jahrzehnten leistet, die aber naturgemäß auch den anderen Parteien zugute kommt.
Die Spesenaffäre hat also FPÖ Wähler demobilisiert und zusätzlich schadet das Antreten ihres Exparteiobmanns Strache der FPÖ massiv. Die 4 -7 Prozent Straches machen etwa den Unterschied zu Platz 3 aus. Dazu kommt die Übernahme von klassischen FPÖ-Themen durch die ÖVP. Man wird also zwischen der Konkurrenz zerrieben, während gleichzeitig der Spitzenkandidat Dominik Nepp noch relativ wenig Profil zeigt, zumindest im Vergleich zu Strache und Blümel. Nepp musste ja nach Ibiza ungeplant einspringen, nachdem der damalige FPÖ-Wien Obmann Johann Gudenus von allen Ämtern zurücktrat.
Die neue Volkspartei aka „Team Türkis“ aka „Liste Blümel“
Großer Gewinner ist aktuell nach Umfragen die türkise ÖVP aka neue Volkspartei aka Team Blümel von Frontmann Finanzminister Gernot Blümel. Sie könnten sich mehr als verdoppeln und in vielen Bezirken die Nachfolge der FPÖ als zweistärkste Kraft hinter der SPÖ antreten. Ihre Stärke wird ihr aber wohl wenig nützen, denn trotz persönlicher Präferenzen Ludwigs dürfte der SPÖ eine starke ÖVP wohl politisch zu „teuer“ sein – die Grünen dagegen gibt es viel billiger als Koalitionspartner. Kurz und Blümel haben außerdem den langfristigen Plan der „Eroberung Wiens“ ausgegeben. Ein Plan, der wohl nicht mit einer Regierungsbeteiligung 2020 und einer damit einhergehenden Nivellierung durch die SPÖ zusammenpassen würde.
Rein strategisch betrachtet sprechen also mehrere Dinge für Alternativen zur Koalition mit der SPÖ. Eine solche wäre die Dirndl-Koalition. Da wäre erstens die Koalition mit den Grünen im Bund, sowie zweitens die bürgerlichen Schnittstellen mit den NEOS. Die ÖVP wäre also durchaus prädestiniert eine Dirndl-Koalition zu versuchen. Dabei würde wahlarithmetisch in der Theorie der Rechtskurs Blümels helfen, der Wähler von der FPÖ abziehen und so eine Mehrheit ohne SPÖ und FPÖ ermöglichen könnte. So weit wie in Wiener Neustadt sind die Wiener Grünen nicht: Dort stützten sie eine ÖVP-FPÖ Regierung von 2015 bis 2020, um die SPÖ zu entthronen.
Die Wiener Grünen
Die Grünen kommen in diesem Jahr umfragetechnisch und auch themenmäßig etwas unter die Räder. So werden ihre teuren Popup-Projekte (Radwege, Gürtelpool) äußerst kritisch thematisiert und zweitens wildert die SPÖ bei ihren Wählern. Da passt es, dass sich die Wiener SPÖ als Antithese zur Kurz-ÖVP positioniert und den Grünen als Koalitionspartner im Bund die Hände gebunden sind. Auch das Anti-Rechts Dauerbrenner-Thema der linken Wiener Grünen funktioniert 2020 bei einer schwachen FPÖ nicht. Vor allem auch dann nicht, wenn auf einmal der Finanzminister des Koalitionspartners der große Ersatz-Gegner sein soll. Das nimmt den Grünen niemand ab. Realpolitisch wird nach der Wahl wohl die gegenwärtige Koalition mit der SPÖ fortgesetzt werden, auch wenn bei den beiden Partnern seit Jahren die Luft weg ist. Schon Exbürgermeister Häupl war genervt von den Grünen und auch Ludwig würde am liebsten wohl mit Wirtschaftskammerpräsidenten Walter Ruck (ÖVP) regieren.
Spitzenkandidatin Birgit Hebein verstört dagegen regelmäßig ihre eigene Partei mit wenig durchdachten linkspopulistischen Alleingängen. Trotz allem wird man die 11,8 Prozent von 2015 als Grüne wohl bei der Wahl leicht ausbauen können.
Die beste mittelfristige Chance der Wiener Grünen für wahren politischen Gestaltungsspielraum wäre also ebenfalls eine Dirndl-Koalition. In dieser könnten sie gemeinsam mit den NEOS und der Wiener ÖVP eine moderne Stadtpolitik machen. Aufgrund der Wahlarithmetik mit einer linken Mehrheit, könnte man trotz Platz 3 wohl auch den Bürgermeistersessel von der ÖVP fordern. Diesen müsste die ÖVP dann wahrscheinlich gegen mehr Ressorts und eigenen Einfluss in der Stadtregierung eintauschen. Garniert wäre dies für die Grünen mit guten Aussichten als Amtsinhaber für alle kommenden Wahlen.
Die NEOS
Stabil relativ zur letzten Wahl bei 7% werden in etwa die NEOS landen. Diese sind im Wahlkampf vor allem durch zwei Dinge aufgefallen: Eine überraschende Anbiederung an die SPÖ durch einen de fakto grünen Linkskurs mit Anti-ÖVP Plakaten, sowie eine dezidierte Absage an eine türkis-grün-pinke Dirndl- Koalition. Was strategisch unklug ist, denn in (sehr unwahrscheinlichen) Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ wäre eine politische Alternative sicher Gold wert. Man spürt richtig die Verbitterung der pinken NEOS- Eliten von Meinl-Reisinger abwärts über die eigene Entfremdung von ihrer ehemaligen Mutterpartei ÖVP, nun natürlich „Liste Blümel“, die den pinken „Bobos“ mittlerweile keine Heimat mehr zu bieten scheint. Hart muss aber auch der realpolitische Blick in die Geschichtsbücher für die Liberalen sein: Die letzte Regierung in Wien mit nennenswerter liberaler Beteiligung in Österreich wurde 1879 abgewählt.
Dabei war viel mehr möglich! Noch im Januar 2020 stand man bei 10 Prozent in den Umfragen , fiel aber bis Anfang September dann auf 6 Prozent zurück. All das, obwohl die ÖVP bewusst nach rechts rückte, um das FPÖ-Potential abrufen zu können. Das wäre eigentlich eine Chance gewesen, Signale an grünaffine bürgerliche Wähler auszusenden und so gleichzeitig moderate Wähler aus beiden Koalitionsparteien zu gewinnen. Stattdessen attackiert man schrill die Regierung und die Stadt-ÖVP massiv und biedert sich der SPÖ an. Eine wohl falsche Strategie! Die einzige Machtoption war nämlich stets eine Dirndl-Koalition, da die Antipathie der in Wien fest verhaberten SPÖ gegenüber den lange „zu kritischen“ NEOS immer deutlich spürbar ist, wenn man Bürgermeister Ludwig zuhört.
Team HC – Strache
Bleibt an der Spitze der „Sonstigen“ Parteien das Team Strache. Das ist ein „Kamikaze Produkt“ des gescheiterten Ex-FPÖlers Heinz Christian Strache, dem zuerst Ibiza und dann seine Spesenaffäre auf den Kopf fielen. Dem Neoparteiobmann bleibt finanziell und freizeitgestalterisch offensichtlich nicht viel anderes übrig als weiter ein Auskommen im Gemeinderat zu suchen. Strache kann offenbar nur Politik – und das auch zum Preis totaler Selbstbeschädigung. Beschädigt durch die Justiz und seine Expartei, die immer mehr überzogene Spesenrechnungen aus den FPÖ Archiven zutage fördern und den rebellischen Exobmann naturgemäß damit konfronieren. Ziemlich offensichtlich hofft Strache illusorisch trotzdem auf ein gutes Ergebnis und eine spätere „Wiedervereinigung“ mit der Wiener FPÖ unter seiner Obmannschaft:
Man muss aber auch anderen verzeihen können. Das ist eine Grundvoraussetzung. Und viele in der Wiener FPÖ wünschen sich, dass wir erfolgreich werden als Team HC und würden sich wünschen, dass man zusammenkommt und dass ich Parteichef werde.
Strache im Standard (23.09.2020)
Gutieren werden Straches Antreten trotzdem zwischen 3 und 6 Prozent der Wiener, die HC dankbar dafür sind Wiener Missstände, wie die Islamisierung zum Beispiel, als einziger medial lange Jahre angeprangert zu haben, während alle anderen Parteien nur beschwichtigt und die Rassismuskarte gezogen haben.
Allerdings werden deren „loyale“ Stimmen für HC in jedem Fall „verlorene“ sein , denn entweder ermöglichen Sie Ludwig die Absolute bei Straches Nichteinzug, oder sie verlängern die Spaltung der FPÖ. Wahrscheinlich bekommen Straches Wähler nach der Wahl auch ein Zerbröseln der rasch zusammen rekrutierten, inhomogenen kuriosen Strache-Partie auf Steuerzahlerkosten frei Haus serviert. Liste Pilz reloaded sozusagen. Sogar die Anklage an den Listengründer ist da eine Parallele. Nach weiteren Spesen-Enthüllungen und Anklagen wird das Team Strache in 5 Jahren ebenso politisch Geschichte sein, wie es alle anderen FPÖ-Spaltprodukte (LIF, BZÖ; TS) zu diesem Zeitpunkt waren. Eine Wiedervereinigung wird nicht stattfinden, weil die Anzahl der Überläufer zu gering war.
Vergangene Umfragen (1. Halbjahr 2020) zur Wien-Wahl
Analysiert man vergangene Wahlumfragen zur Wien-Wahl aus dem ersten Halbjahr 2020 erkennt man klare Trends: Grüne, FPÖ und NEOS haben jeweils 1/4 bis 1/3 ihrer Zustimmungswerte an SPÖ und ÖVP verloren. So legte die SPÖ von Januar bis Juni 2020 ganze 6 und die ÖVP 4 Prozentpunkte zu. Die kleinen Parteien , Strache ausgenommen, wurden also von den zwei großen Parteien etwas kannibalisiert.
Umfragen zur Wien-Wahl in den letzten 5 Jahren (bis September 2020)
Betrachtet man die letzten fünf Jahre seit der letzten Gemeinderatswahl wird das Comeback der SPÖ noch viel erstaunlicher! Die FPÖ führte im Jahr 2017 die Umfragen an und kam auf 40 Prozent (!), während die SPÖ auf unter 25 Prozent abstürzte. Mit der neuen Schwarz-Blauen Regierung stabilisierte sich die Wiener SPÖ dann als der innenpolitische Gegenpol bei rund 35 Prozent für 2 Jahre und erst seit Januar 2020 gelang es der SPÖ wieder auf über 40 Prozent zuzulegen, einem Wert, den diese seit 2015 nicht mehr erreicht hatten ! Im April 2017 hatte Schwarz-Blau sogar in Wien rechnerisch eine „Umfragen-Mehrheit“.
Wiener Probleme
Interessant ist diese Entwicklung insofern, als das innenpolitisch wohl keines der großen Probleme aus dem Jahr 2015 in der letzten Legislaturperiode „gelöst“ wurden. Die Mieten steigen ,da die Wohnungsknappheit immer noch problematisch ist; die Überfremdung im Gemeindebau schreitet voran und die Wiener ohne Migrationshintergrund sind mittlerweile die Minderheit in der Stadt. Die Parkraumbewirtschaft bleibt ebenso ein Dauerbrenner – befeuert von Anti-Auto Initiativen der Grünen. Die SPÖ verhinderte zuerst durch „Dirty Tricks“ eine von der Opposition versprochene Wahlrechtsreform und milderte später die für die SPÖ positiven Effekte unter starkem Druck der Opposition nur teilweise. Dabei verloren die Grünen 2015 nicht nur ihr politisches Rückgrat, sondern sogar auch einen feindlich abgeworbenen grünen Abgeordneten an die SPÖ. Einzig die Umgestaltung der Mariahilferstraße – großes Thema 2015 – wurde durch den erfolgten Umbau der Straße zur Zufriedenheit der meisten Anrainer erledigt.
Die Kriminalität ist im Österreich-Vergleich weiterhin hoch, während die Aufklärungsquote unterdurchschnittlich ist. So wurden in Wien 2019 so viele Straftaten zur Anzeige gebracht (173.574) wie in Niederösterreich (68.996), Oberösterreich (64.779) und der Steiermark (53.143) zusammen. Das liegt einerseits natürlich an der urbanen Umgebung, die Unterschiede sind aber dennoch ziemlich drastisch. So haben die besagten 3 Bundesländer zusammen um einiges mehr als die doppelte Bevölkerung wie Wien und ebenfalls urbane Räume von zusammen über 1 Million Einwohner. Das ginge also auf jeden Fall besser.
Wien hat zudem ein massives Bildungsproblem: In Wiener Schulen herrscht ein dramatisches Bildungschaos . Viele Schüler mit Migrationshintergrund sind nicht in der Lage nach der Pflichtschule grundsätzliche Bildungsstandards zu erfüllen. Ganze zwei Drittel der Kinder mit Migrationshintergrund erreichen etwa die Bildungsstandards im Lesen nicht.
Fazit
Die SPÖ profitiert wohl in erster Linie von der Schwäche ihrer politischen Gegner, die Skandale der SPÖ (z.B. Krankenhaus Nord: Kostenüberschreitung von einer halben Milliarde Euro; Bildungschaos in den Schulen) nicht verwerten können. Ebensowenig fehlt der Fokus auf das Integrationsversagen, was durch die Ausschreitungen in Wien Favoriten für ganz Österreich klar ersichtlich wurde. Auch dass bald 2/3 der Bewohner im Gemeindebau Migrationshintergrund haben und damit viele Ausländer direkt durch Steuergeld subventioniert werden, wurde nur am Rande diskutiert, auch wenn die ÖVP dieses Dauerbrenner-Thema der FPÖ übernommen hat und aktiv kommuniziert.
Mit ein Grund für die relative Stärke der SPÖ ist wohl die Beschäftigung der Opposition mit sich selbst oder mit der Regierung. Die FPÖ kämpft mit Strache und ist mit sich selbst ausreichend beschäftigt, um medial ein schlechtes Bild abzugeben. Bei Finanzminister Blümel, dem einzig möglichen Herausforderer der SPÖ weiß man schon zuvor, dass er wohl nicht ins Wiener Rathaus wechseln wird. Im Falle einer Regierungsoption hat er dies zwar versprochen, doch ist die Aussicht auf eine SPÖ-ÖVP Koalition nur gering.
Ebenso wie eine Dirndl-Koalition aus ÖVP, Grünen und NEOS, da sich hier insbesondere die NEOS geradezu aggressiv dagegen wehren und sich lieber der SPÖ anbiedern. Abgesehen davon, dass rechnerisch heute diese Koalition keine Mehrheit hätte – auch Straches Antreten sei dafür Dank ! Straches Einzug in den Gemeinderat ist die wichtigste Garantie für den Machterhalt der SPÖ, verhindert er doch eine eventuelle weitere Stärkung der ÖVP, sowie die Wahrscheinlichkeit einer bürgerlichen Dirndl-Koalition.
Was wäre wenn: Politischer Wechsel ala Wiener Neustadt
Ein politischer Wechsel würde Wien, wie allen politischen Entitäten, die zu lange von einer Partei regiert werden, gut tun. Das wird aber wohl nicht passieren, weil sich die handelnden politischen Akteure in der Opposition spinnefeind sind, anstatt einen Wechsel von der SPÖ einzuleiten. Dazu zählt ein völlig unverständliches Verhalten der NEOS, die es sich mit allen politischen Wiener Kräften verscherzen, wie auch der peinliche „BZÖ-Team Stronach-Liste Pilz-Tripp“ des Team HC Strache – Allianz für Österreich (THC).
Für den höchst hypothetischen Fall einer Abwahl der SPÖ, würde die Partei wohl wie die Bundes-SPÖ 2017 oder die Stadtpartei in Wiener Neustadt erst einmal in internen Spaltungs- und Korruptionsskandalen versinken. Die Aufdeckung von Vergehen, Missmanagement, Freunderlwirtschaft, Vermengung aus Stadt- und Parteifinanzen aus gleich 75 Jahren ununterbrochener SPÖ-Regentschaft würde wohl so einiges Delikates ans Tageslicht fördern. Es würde vielleicht auch die einzigartige Koalition aus Wiener Gemeindebediensteten, Pensionisten, Migranten (insbesondere Muslimen) und Sozialhilfeempfängern aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen aufsprengen und so eine generelle Erosion dieser SPÖ-Wählerkoalition bewirken. Diese wird ja in erster Linie durch den Zugriff auf kommunale „Goodies“, wie den Gemeindebau, Sozialhilfe ecetera zusammengehalten und weniger durch eine gemeinsame Ideologie.
Dafür gibt es Präzedenzfälle: In Wiener Neustadt verlor die SPÖ zuerst 2015 die absolute Mehrheit und hält seit 2020 nur mehr 25% der Sitze im Gemeinderat. Das war ein rascher Fall ins Bodenlose für die SPÖ , die bis 2010 noch 26 von 40 Sitzen (also fast 2/3) besessen und seit 1945 ununterbrochen bis 2015 regiert hatte.
Links und Quellen
Peter Schöggl (21.09.2020): Wiener SPÖ könnte an Absoluter kratzen. In: „Kleine Zeitung“ vom 21.09.2020: S.5
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/wien/2074838-Wien-Wahl-im-Wasserglas.html