Zollpolitik a la Trump: Das „Game of Chicken“

Donald Trumps Zollpolitik hat bereits seit seiner ersten Amtszeit und nun erneut im Jahr 2025 für weltweite Schlagzeilen gesorgt. Gerade hält er mit seinen Zöllen die Aktienmärkte weltweit in seiner Geiselhaft und er droht damit, enorme handelspolitische und wirtschaftliche Verwerfungen zu provozieren. Besonders sein jüngster Tweet vom 7. April 2025, in dem er China mit weiteren Zöllen von 50 % droht, nachdem das Land Vergeltungszölle von 34 % eingeführt hatte, um auf US-Zölle zu reagieren, zeigt etwa im Falle Chinas eine klare Eskalationsstrategie. Diese Politik erinnert stark an ein Konzept aus der Spieltheorie, das als „Game of Chicken“ (Feiglingsspiel) bekannt ist. In diesem Artikel analysieren wir, wie Trumps politische Strategie diesem Modell entspricht, erklären anhand dessen die Dynamiken eines solchen Spiels und untersuchen, wie ein möglicher „Gewinn“ für die USA oder ihre Gegner in der Zollpolitik in diesem Handelskonflikt aussehen könnte.

Die unterschiedlichen Länder haben natürlich ein unterschiedliches „Blatt“ an Handlungsoptionen zur Verfügung, weshalb wir uns hier zur Erklärung des „Game of Chicken“ auf die zwei stärksten Nationen – die USA und China – konzentrieren. Anhand dieser zwei Spieler können wir alle Optionen am besten aufzeigen. Ein kleines oder mittelgroßes Entwicklungsland dagegen hat alleine wenig Chance gegen die USA aufzustehen und wird wohl jedenfalls einen mehr oder weniger kostspieligen Kompromiss suchen oder einfach auf die Naivität oder Nachsichtigkeit der USA vertrauen. Die EU-Kommission – allein zuständig für Handelsbeziehungen hierzulande – hat bereits Verhandlungen mit den USA angekündigt. Man wird also in den nächsten Wochen sehen, wer sich in der Zollpolitik mit seinen Vorstellungen durchsetzt. Viel Vergnügen beim Lesen und beim Einblick in etwas volkswirtschaftliche „Spieltheorie“!

USA versus China in der Zollpolitik

Drohungen a la Trump

Nachdem Trump in einer ersten Runde Zölle im Ausmaß von 34% gegen China verhängt hatte, reagierten diese mit Gegenzöllen gegen US-Produkte im Ausmaß von ebenfalls 34%. In Peking hatte man sich auf diese Runde offensichtlich vorbereitet und man ergriff sofort Maßnahmen, um den Aktienmarkt zu stützen und kündigte mehr Staatsausgaben und stärkere Förderungen des inländischen Konsums an. Daraufhin eskalierte US-Präsident Trump auf seinem Medium „Truth Social“ weiter und verkündete dort Folgendes:

Gestern hat China Vergeltungszölle von 34 % eingeführt, zusätzlich zu ihren bereits rekordverdächtigen Zöllen, nicht-monetären Zöllen, illegalen Subventionen von Unternehmen und massiver langfristiger Währungsmanipulation, trotz meiner Warnung, dass jedes Land, das Vergeltungszölle gegen die USA erhebt, die über die bereits bestehende langfristige Zollmisshandlung unserer Nation hinausgehen, sofort mit neuen und wesentlich höheren Zöllen belegt wird.

Daher wird China, wenn es seine 34 % Erhöhung der Zölle nicht zurücknimmt, ab morgen, den 8. April 2025, von den Vereinigten Staaten zusätzliche Zölle von 50 % auferlegt bekommen, die am 9. April in Kraft treten. Außerdem werden alle Gespräche mit China über ihre angeforderten Treffen mit uns abgebrochen! Verhandlungen mit anderen Ländern, die ebenfalls Treffen angefordert haben, werden sofort beginnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit in dieser Angelegenheit!

US-Präsident Donald Trump auf „Truth Social“ am 07. April 2025; https://truthsocial.com/@realDonaldTrump/posts/114297331052690348

China wird jedenfalls mit seinen Gegenzöllen einen Preis bezahlen, indem es den Konflikt nun eskalieren lässt. Die australische Investmentbank Macquarie schätzt, dass Trumps Zölle die chinesischen Exporte um 15 Prozent einbrechen lassen und dem Land zudem Wirtschaftsleistung in Höhe von bis zu zweieinhalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten würden. Diese Analyse gilt nur für die bisherigen 34%-Zölle. Es wird also spannend, wie China auf die neueste Provokation im Zollstreit reagieren wird!

Zollpolitik als Game of Chicken
Wenn zweite Supermächte ihren Handelskrieg austragen: Zollpolitik als „Game of Chicken“

Was sagt die Spieltheorie? „Auge um Auge“ bzw. „Tit for tat“ im „Game of Chicken“

In der Spieltheorie in der Ökonomie sind wir nun im klassischen „Tit for tat“-Spiel angekommen, was man auf Deutsch als „Auge um Auge“ übersetzen könnte. Eine Seite setzt eine Aktion und die andere Seite zieht nach. Die Idee hier ist natürlich, als Sieger vom Platz zu gehen, sobald eine Seite nicht mehr nachziehen kann. Wenn Trump etwa die 34%-Zölle gegen China nocheinmal auf 50% erhöht und China zieht wirtschaftlich nicht mehr gleich mit, dann geht Präsident Trump als Sieger vom Spielfeld. Amerikanische Produkte sind dann in China relativ wettbewerbsfähiger als chinesische Produkte in den USA, weil auf der amerikanischen Seite ein viel höherer Zöll auf ihnen liegt.

Das „Game of Chicken“ ist hierzu ein klassisches Modell der Spieltheorie, das Konfliktsituationen zwischen zwei Akteuren beschreibt, bei denen beide Seiten auf eine Kollision zusteuern, es sei denn, eine Partei gibt nach. Der Begriff stammt aus einem Szenario, das in den 1950er-Jahren in den USA populär war: Zwei Jugendliche rasten mit ihren Autos aufeinander zu und derjenige, der zuerst auswich, wurde als „Feigling“ (Chicken) bezeichnet und hatte das Spiel verloren. Wich jedoch keiner aus, kam es zur Katastrophe – beide verloren beim Autounfall möglicherweise sogar ihr Leben. Hier aber prallen nun zwei Wirtschaftsmächte in Zollverhandlungen aufeinander und bedrohen einander mit Zöllen, um dem Gegner möglichst stark zu schaden. Im „Game of Chicken“ in der Spieltheorie wird dieses Szenario als ein Zweipersonenspiel mit jeweils zwei Strategien dargestellt: Strategie 1 lautet „Konfrontationskurs weiterfahren“ (hart bleiben) und Strategie 2 lautet „Ausweichen“ (nachgeben). Die Konsequenzen der Entscheidungen – können wie folgt dargestellt werden:

  • Beide fahren ihren Kurs kompromisslos weiter („hart bleiben“): Beide Spieler erleiden den schlimmstmöglichen Ausgang, z. B. einen totalen Handelskrieg mit wirtschaftlichen Verwerfungen auf beiden Seiten.
  • Einer weicht aus, der andere fährt weiter: Derjenige, der ausweicht, verliert an Prestige oder Verhandlungsmacht, während der andere als „Sieger“ dasteht. Diesen Erfolg strebt Trump etwa besonders gegenüber kleineren schwächeren Ländern an.
  • Beide Seiten weichen aus: Es kommt zu einer kooperativen Lösung, bei der beide Seiten Kompromisse eingehen und eine Katastrophe vermieden wird.

Das Spiel ist besonders interessant, weil es hier keine dominante Strategie gibt – der beste Zug hängt davon ab, was der andere tut. Rational betrachtet wäre es für beide Seiten besser, auszuweichen und eine Kollision zu vermeiden. Doch in der Realität spielen Emotionen, Stolz und die Wahrnehmung von Stärke eine große Rolle, was das Spiel unvorhersehbar macht. Deshalb eskalieren auch gerade die Aktienmärkte, weil das Level an Unberechenbarkeit gerade ziemlich hoch ist!

Trumps Zollpolitik als „Game of Chicken“

Donald Trumps Ansatz in der Handelspolitik, insbesondere im Umgang mit China, passt perfekt zu diesem Modell. In seinem Tweet vom 7. April 2025 droht er als Reaktion auf Chinas Vergeltungszölle von 34% mit zusätzlichen Zöllen von 50 %, die am 9. April in Kraft treten sollen. Gleichzeitig bricht er alle Verhandlungen mit China ab, während er Gespräche mit anderen Ländern ankündigt. Diese Strategie ist ein klassischer Fall von „Brinkmanship“ – einer Taktik, bei der man bewusst an den Rand des Abgrunds geht, um den Gegner zum Nachgeben zu zwingen.

In diesem Szenario sind die USA und China nun die beiden Fahrer, die aufeinander zurasen. Die „Kollision“ wäre ein eskalierender Handelskrieg, der beide Volkswirtschaften schwer schädigen würde. Ein solcher Konflikt würde nicht nur die Handelsbilanzen beeinträchtigen, sondern auch globale Lieferketten stören, die Inflation in beiden Ländern in die Höhe treiben und die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzen. Für die USA könnten höhere Preise für Konsumgüter, die aus China importiert werden, die Verbraucher belasten. Für China hingegen könnte ein Rückgang der Exporte in die USA, einen ihrer größten Märkte, zu wirtschaftlicher Instabilität führen.

Trumps Drohung, die Verhandlungen abzubrechen, ist ein Signal, dass er bereit ist, hart zu bleiben – also „weiterzufahren“. Gleichzeitig fordert er China auf, die 34 %-Zölle zurückzunehmen, um die Eskalation zu verhindern. In spieltheoretischen Begriffen bedeutet dies, dass Trump China dazu bringen will, „auszuweichen“, indem es nachgibt und die Zölle senkt. Wenn China das tut, könnte Trump dies als Sieg verkaufen: Er hätte China gezwungen, seine Politik zu ändern, ohne selbst Kompromisse eingehen zu müssen. Dies würde sein Image als starker Verhandlungsführer stärken, was innenpolitisch von Vorteil wäre, insbesondere in einem Land, in dem viele Wähler seine „America First“-Politik unterstützen.

Die Rolle der Irrationalität

Ein faszinierender Aspekt des „Game of Chicken“ ist die Rolle der Irrationalität. In der Spieltheorie kann es paradoxerweise ein Vorteil sein, als unberechenbar oder irrational wahrgenommen zu werden. Wenn ein Spieler glaubt, dass der andere nicht rational handeln wird – also nicht ausweichen könnte, selbst wenn es vernünftig wäre –, wird er eher geneigt sein, selbst auszuweichen, um eine Katastrophe zu vermeiden. Donald Trump spielt die Rolle des Verrückten (aka „Madmans“) hier exzellent und würden die eher berechenbaren Chinesen nachgeben, um Schlimmeres zu vermeiden, könnte Trump dies als seinen Sieg verbuchen.

Trump hat in seiner Amtszeit wiederholt gezeigt, dass er diesen Madman-Ansatz verfolgt. Seine impulsiven Tweets, seine harten rhetorischen Attacken (wie die Anschuldigung, Handelspartner hätten die USA „geplündert und vergewaltigt“) und seine Bereitschaft, etablierte diplomatische Normen zu brechen, machen ihn für viele Gegner wie Verbündete unberechenbar. Schon während seiner ersten Amtszeit wurde dies deutlich, etwa im Umgang mit Nordkorea, als er Kim Jong-un öffentlich mit einem größeren „Nuklear-Knopf“ bedrohte. Diese Art von Kommunikation – oft über Plattformen wie X oder Truth Social – verstärkt den Eindruck, dass Trump möglicherweise nicht „ausweichen“ wird, selbst wenn es rational wäre. Öffentliche Drohungen, wie jene im Tweet vom 7. April, erhöhen den Druck zusätzlich, da ein Rückzieher für Trump einen Gesichtsverlust bedeuten würde, der innenpolitisch kostspielig sein könnte.

Fazit: Wer gewinnt das „Game of Chicken“?

Um zu verstehen, wie ein „Gewinn“ in diesem „Game of Chicken“ aussehen könnte, müssen wir die möglichen Szenarien betrachten:

Szenario 1: Beide weichen aus: Eine kooperative Lösung wäre möglich, wenn beide Seiten Kompromisse eingingen . Dies könnte bedeuten, dass China seine Zölle senken und die USA im Gegenzug die drohenden 50 %-Zölle absagen und Verhandlungen wieder aufnehmen würden. Ein solches Szenario würde eine Deeskalation ermöglichen und langfristig beiden Seiten zugutekommen, da ein stabiler Handel für beide Volkswirtschaften von Vorteil wäre. Allerdings würde dies von beiden Seiten die Bereitschaft erfordern, Gesichtsverluste zu riskieren, was in der aktuellen politischen Lage schwierig sein könnte. Plus: China hat die USA bisher handelspolitisch ausgenutzt, ergo wäre ein gleichwertiger Kompromiss wohl ein Sieg Chinas. Ein fairer Kompromiss würde wohl eine Adaption der Handelspolitik Chinas zugunsten der USA bedeuten.

Szenario 2: China weicht aus: Würde China einseitig seine Vergeltungszölle von 34 % zurücknehmen (und die USA ihre 34% Zoll beibehalten) könnte Trump dies als Sieg verbuchen. Die USA würden dann „großzügig“ 34% Zoll kassieren und ihre drohenden 50 %-Zölle nicht einführen! Trump wäre bestätigt darin, dass seine harte Linie gegen China zu Erfolg führt und innenpolitisch würde dies seine Position stärken, da er zeigen könnte, dass er China „zur Vernunft gebracht“ hat. Für China hingegen wäre dies ein Prestigeverlust, der die innenpolitische Stellung von Präsident Xi Jinping schwächen könnte, insbesondere wenn die chinesische Öffentlichkeit dies als Schwäche wahrnimmt.

Szenario 3: Die USA weichen aus: Sollte Trump seine Drohung nicht umsetzen – etwa aufgrund von Druck aus der eigenen Wirtschaft – und die 50 %-Zölle und vielleicht auch die 34%-Zölle doch nicht gegen chinesische Produkte einführen, könnte China dies als Sieg verbuchen. China hätte gezeigt, dass es Trumps Druck in der Zollpolitik standhalten kann, was Chinas Position in der globalen Arena stärken würde. Für Trump wäre dies ein Rückschlag, da er seine Glaubwürdigkeit als harter Verhandler teilweise eingebüßt hätte.

Szenario 4: Beide fahren weiter: Würden weder die USA noch China nachgeben, würde der Handelskrieg eskalieren. Führten die USA die 50 %-Zölle ein, könnte China mit weiteren Vergeltungsmaßnahmen reagieren, etwa durch noch höhere Zölle oder den Verkauf von US-Staatsanleihen, was den Dollar unter Druck setzen würde. Die Folgen wären für beide Seiten hart: steigende Preise, gestörte Lieferketten und eine mögliche globale Rezession. Die USA und China würden sich wirtschaftlich entkoppeln und ein neuer kalter Krieg wäre evident. China betreibt diesen ohnehin schon längst. In diesem Szenario gäbe es wohl auf den ersten Blick keinen Gewinner – beide Seiten würden verlieren und die Weltwirtschaft leiden, wobei allerdings die USA weniger vom internationalen Handel abhängig sind als China. Ergo müsste China wohl relativ einen höheren Preis zahlen.

Die USA sind hier also wohl in einer stärkeren Verhandlungsposition, vor allem da sie China mit Zöllen relativ gesehen mehr Schaden zufügen könnten! Per „Nearshoring“ kann man zudem die Produktion und die Lieferketten von China weg mittelfristig in die USA selbst oder in günstigere asiatische oder amerikanische Nachbarländer verlagern. Andererseits kontrollieren die Chinesen den Großteil der Seltenen Erden und viel wichtige Konsumelektronik – Stichwort Iphone – wird im Reich der Mitte gefertigt.

Die Frage, wer dieses „Game of Chicken“ gewinnen könnte, hängt somit von mehreren Faktoren ab: der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit beider Länder, ihrer innenpolitischen Dynamik, ihrer Fähigkeit, den Druck des Gegners auszuhalten sowie ihrer Bereitschaft, langfristige Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Es bleibt also spannend!

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Links & Quellen

https://www.rnd.de/politik/handelskrieg-mit-usa-china-geht-zum-gegenangriff-ueber-JNJRQB32XVAWRLO2IJ27APUORU.html