Zuckerlkoalition-Aus: Warum die ÖVP den NEOS dankbar sein sollte!

Zuckerlkoalition

Die NEOS haben mit ihrem politischen Exit aus der Zuckerlkoalition der ÖVP, aber auch ganz Österreich, politisch viele Zumutungen, Streit und Hader erspart. Was für die ÖVP machtpolitisch also am Freitag und Samstag wie ein enormes Risiko aussah, könnte sich für die Partei als Glücksfall herausstellen. Schon seit Monaten ist klar, dass Andi Babler und seine eher unerfahrene Mannschaft betont links auftreten und jede Einigung konterkarieren. Wäre Karl Nehammer hier politisch zu sehr umgefallen, dann hätte die ÖVP analog zur deutschen FDP künftig Wahl für Wahl wohl drastisch verloren. Nach Jahren des linken Umfallens in Richtung Grüne will nämlich niemand im bürgerlichen Österreich ein „Weiter so“. Das scheinen nun endlich nicht nur Bundeskanzer Karl Nehammer, sondern auch einige Entscheidungsträger in der SPÖ langsam zu begreifen, wie die folgenden zwei gestrigen „Erkenntnisse“ zeigen:

Selbst innerhalb der Sozialdemokratie gestehen manche den Neos den Punkt zu: die bisherigen Einigungen und Kompromisse seien für eine Regierung noch ein gutes Stück zu wenig, für eine langfristig stabile Koalition erst recht.

https://www.derstandard.at/story/3000000251489/oevp-und-spoe-verhandeln-samstagnachmittag-weiter

Nehammer und Babler absolvierten am Freitagvormittag bereits ein langes Gespräch. Hier machte ÖVP-Chef Nehammer Babler sehr offen klar, dass er keinen Spielraum für neue (Vermögens)Steuern, dem wichtigsten Wahlversprechen der Roten, habe.

https://www.krone.at/3643142

Der Austritt der NEOS aus den Koalitionsverhandlungen der Zuckerlkoalition brachte also einen wichtigen Realismus in den Fokus der österreichischen Politik zurück. Der politische Zwist und die enormen Differenzen zwischen einem Andi Babler und seiner SPÖ auf der einen Seite und der ÖVP und der bürgerlichen Mehrheit auf der anderen Seite stehen nun offen im Scheinwerferlicht. Nicht die NEOS waren hier das Problem, sondern die linken politischen Vorstellungen der SPÖ. Diese linken Positionen waren nicht mehrheitsfähig und sind auch nicht umsetzbar, weshalb Bundeskanzler Nehammer schließlich das Ende der Verhandlungen verkündete und politisch die Verantwortung übernahm. Österreich braucht Reformen und kein Weiter-so. Das geht aber nur ohne die Babler-SPÖ und deshalb leider nun auch nur ohne Karl Nehammer.

Zuckerlkoalition

Lektion 1: Polemik statt Realismus

Das österreichische Pensionssystem ist ohne Reform dauerhaft nicht finanzierbar und vergangene politische Maßnahmen von ÖVP und Grünen haben das System sogar noch defizitärer gemacht. Es braucht also eine Pensionsreform und Reform heißt im Umlagesystem natürlich eine Ausgabenkürzung. Sei das erreichbar durch späteren Pensionsanstritt, durch Leistungskürzungen oder durch Anreize nebenher zu arbeiten. Während die ÖVP hier aus Angst vor der SPÖ in der vergangenen Legislaturperiode die Pensionszuwächse stetig erhöht hat, haben sich die NEOS einer Reform verschrieben. Am Unwillen der SPÖ hier substantiell auch nur irgendein relevantes Zugeständnis zu machen, ist die Zuckerlkoalition dann letztendlich gescheitert. Tatsächlich aber besaß die SPÖ sogar noch die politische Niedertracht, den NEOS zu unterstellen, das Pensionssystem aus neoliberalem Antrieb reformieren zu wollen. Dabei beträgt die Finanzierungslücke pro Jahr mittlerweile rund 25 Milliarden Euro. Der Schlagabtausch auf Twitter/X am Freitag sah so aus:

Schlagabtausch SPÖ und NEOS auf X

Die Babler SPÖ setzt mangels realistischer Inhalte also auf Lügen und politische Polemik, was – siehe Silberstein – für die SPÖ leider seit Jahren nichts Neues ist. Anstatt sich den Wünschen der Bürger in einer Zuckerlkoalition mit einer Politik Mitte-rechts zu arrangieren, setzt die SPÖ lieber auf Anpatzen. Das wäre auch in einer Zweierkoalition mit der ÖVP wohl nicht anders, weshalb sich die ÖVP das auch zurecht sehr gut überlegt hat. Das Pensionssystem ist hier nur eines von vielen Handlungsfeldern, wo das linke Österreich sich in Realitätsverweigerung übt. Der politisch neutrale Rechnungshof sieht bei den Pensionen unbestreitbar großen Handlungbedarf:

Aufgrund des stark steigenden Beitrags des Bundes zur Finanzierung des Pensionssystems (um 8,2 Mrd. EUR auf 28,1 Mrd. EUR von 2020 bis 2030) in Kombination mit den sonstigen budgetären Belastungen (Energiekrise, Teuerung, COVID–19–Pandemie) ist die Nachhaltigkeit des Pensionssystems und die Finanzierbarkeit des Bundeshaushalts gefährdet. Nach Ansicht des RH bestand daher Handlungsbedarf.

https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/2023_29_Nachhaltigkeit_Pensionssystem.pdf

Lektion 2: Mit Babler ist kein Staat zu machen, er will es auch nicht!

Sowohl am Wahltag der Nationalratswahl, wie auch nach dem Verhandlungsaus der NEOS, hatte Andi Babler die gleiche zündende Idee: Er wollte sofort in die Opposition gehen. Aus diesem Grund wurde den ganzen Freitag Nachmittag in der SPÖ massiv gestritten und diskutiert, bis sich – wieder einmal – die SPÖ Wien durchgesetzt hat. Genauso war es übrigens am Tag der Nationalratswahl.

Babler wollte ein Aus der Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP forcieren, weil er sich nach dem Treffen mit Nehammer chancenlos sah, Vermögenssteuern durchzubringen. Eilig wurde eine Pressekonferenz von der SPÖ für 16 Uhr im Parlament einberufen. Plötzlich hieß es für die versammelten Journalisten aber: Bitte warten! Stunde um Stunde wurde die Pressekonferenz verschoben. Der Grund? Babler soll von der mächtigen Grande Dame der SPÖ, Doris Bures, zurückgepfiffen worden sein.

https://www.krone.at/3643142

Am Wahlabend der Nationalratswahl am 29.September 2024 war es nicht anders. Als Andi Babler am Wahlabend der Nationalratswahl frustriert den Gang in die Opposition verkünden wollte, rief ihn Ludwig per schnell gedrehtem Video aus seinem Büro zur Raison und entmachtete den Babler als Verhandlungsführer defakto am Tag der Wahl. Die SPÖ Wien glaubt zwar wohl auch nicht, dass Andi Babler und sein Kernteam gute Minister wären, aber darum geht es hier auch gar nicht. Vielmehr soll vor der Wienwahl die SPÖ im Bund mitregieren, um die Partei in Wien vor dem Machtverlust abzusichern.

Die politische Ausgangslage in den letzten Umfragen; Quelle: https://x.com/Wahlen_AT/status/1873764983496188333/photo/1

Lektion 3: Wer gegen die Mehrheitsmeinung regiert, der kann nur verlieren

Die FPÖ steht in Umfragen mittlerweile bei 35%+ und regiert in 5 von 9 Bundesländern mit, in der Steiermark gar mit einem eigenen Landeshauptmann. Was die Bevölkerung politisch verlangt, ist also amtlich. Es braucht weniger Migration ingesamt, keine weitere illegale Migration, Maßnahmen gegen die Islamisierung und vor allem endlich mehr Wirtschaftswachstum. Das bedingt ökonomische Reformen, weniger Steuern und Bürokratieabbau. Gleichzeitig müssen die staatlichen Rekordausgaben auf vernünftige Niveaus zurückgeführt werden, was eines bedeutet: Einsparungen! Bei all diesen Themen liegt die FPÖ für eine große relative Mehrheit der Wahlberechtigten politisch ziemlich gerade richtig. Mit der SPÖ wiederum können offensichtlich viele brennende Themen gar nicht gut angegangen werden. Vielen bürgerliche Wählern außerhalb der grün regierten Wiener Hofburg und des Wiener Gürtels ist das sonnenklar.

Eine Zuckerlkoalition mit einem Kanzler Nehammer hätte die ÖVP wohl auf Jahre politisch beschädigt. Der Wähler verzeiht nämlich nicht – siehe Steiermark – wenn sich Bundespräsident und Bundeskanzler über ein Wahlergebnis und einen politischen Trend einfach hinwegsetzen wollen. Womöglich wären in den nächsten Jahren dann mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Bundesländer an die FPÖ verloren gegangen. In einer bürgerlichen Koalition stünden der ÖVP aber nun alle Optionen offen, sich mit einer glaubwürdigen Politik zu erholen und eigene Fehler beim Budget auszubügeln.

Vom potentiellen Partner der Babler-SPÖ wäre der gemeinsame Regierungskurs in der Zuckerlkoalition dafür wohl mit schamlosen Lügen und Unterstellungen goutiert worden. Die Aktionen der SPÖ nach dem Verhandlungsaus geben darauf zumindest einen unmittelbaren Vorgeschmack. Laut einem etwas „scheinheiligen“ Andi Babler in der ZIB gab es ja „keine roten Linien der SPÖ“. Er bezichtigte Kanzler Nehammer gar der Lüge. Prominente Mitverhandler wie Sepp Schellhorn (NEOS) sehen das dann doch „ein klein wenig“ anders und wähnten sich bei Bablers Auftritt gar „im falschen Film“:

Erstaunlich . Ich sass wohl in falscher Verhandlungsgruppe . Steuern, Wirtschaft, Entlastung, Standorte, wurde alles auf rot gestellt . Von Seiten der SPÖ – also – was ist jetzt mit der Wahrheit?

Ihr seid einfach unredlich, man kann auch verlogen sagen und befindet Euch noch in den Welten des 20. jhdts

Sepp Schellhorn, NEOS-Abgeordner, Richtung Babler-SPÖ; https://x.com/pepssch

Karl Nehammer im Parlament
Am Rednerpult: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am 20.09.2023; Quelle: Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Lektion 4: Karl Nehammer war kein guter politischer Taktiker

Beim Sommergespräch 2023 hat Karl Nehammer, wohl in der Hoffnung Herbert Kickl zu schwächen, diesen als Koalitionspartner ausgeschlossen. Er ist polittaktisch völlig unnötigerweise auf den alten linken Zug aufgesprungen, was viele Linke bis zu seinem Rücktritt weder glauben noch fassen konnten. Die ÖVP war nämlich taktisch gegenüber der SPÖ immer im Vorteil, indem sie politisch zwei Optionen statt nur eine hatten. Bundeskanzler Nehammer hat jedoch freiwillig auf diese Option verzichtet und sich damit politisch völlig der linken Babler-SPÖ ausgeliefert. Das Drohpotential einer Parallelverhandlung mit der FPÖ war weg und die Forderungen der SPÖ wurden in der Folge immer unverschämter. Die Geschichte wiederholte sich: Karl Nehammer hatte sich ja ab 2021 schon einmal einem politischen Gegner, nämlich den Grünen, politisch ausgeliefert, sodass diese der ÖVP jahrelang auf der Nase herumtanzen konnten. Ihnen hat er so lange teure Budgetwünsche erfüllt bis die Republik im EU-Defizitverfahren gelandet ist.

Trotz ähnlichem Programm hat Nehammer Politik gegen die Kickl-FPÖ gemacht und Andi Babler den Ball der Zusammenarbeit zugespielt. Was diesen – schamlos wie er ist – veranlasst hat, in einem Verhandlungsmachtrausch seine eigenen politischen Dummheiten ausbügeln zu wollen. Angetrieben von seiner weit links stehenden Ehefrau, seiner mangelnden Erfahrung und seinen linksextremen Vorstellungen hatte er sich mit 20% Stimmenanteil politisch längst tief eingegraben. Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern, Konzernsteuern sollten unbedingt kommen und das mitten im dritten Jahr der Rezession. Babler pokerte persönlich so hoch gegen NEOS und ÖVP bis auch der links so konsensbereite Karl Nehammer irgendwann nicht mehr mitkonnte.

Was hätte Nehammer stattdessen tun müssen? Er hätte sowohl FPÖ wie SPÖ als potentiele Partner in den Koalitionsverhandlungen berücksichtigen und notfalls Parallelverhandlungen führen müssen. So hätte Andi Babler es wohl niemals gewagt, drei Monate lang mit dem schwachen politischen Blatt (Vermögenssteuern zum Beispiel) gegen zwei bürgerliche Parteien zu pokern.

Fazit

Drei politisch verlorene Monate der Koalitionsverhandlungen und nun das Verhandlungsende zeigen eines drastisch: ÖVP und SPÖ liegen politisch extrem weit auseinander. ÖVP, SPÖ und NEOS hat es offensichtlich an ausreichend Willen zum Kompromiss gemangelt, aber auch an inhaltlichen Schnittmengen. Dazu kommt die sprunghafte, ideologisch verbohrte und politisch wenig erfahrene Persönlichkeit des Andi Babler, der bereits zweimal selbst unbedingt in die Opposition gehen wollte. Eine Zuckerlkoalition wäre daher wohl nicht lange gutgegangen und wirklich viele politische Gründe sprechen klar dagegen: Siehe dazu https://www.dermaerz.at/5-gruende-warum-es-keine-oevp-spoe-neos-koalition-braucht/ Man darf sich also bei den NEOS bedanken, dass dieser Kelch eines „Vizekanzler Andi Babler“ an Österreich vorübergegangen ist.

Die ÖVP hat schließlich mit ihrem „Österreich-Plan“ bei der Nationalratswahl ein respektables Ergebnis erzielt und mit der FPÖ würde man auf dieser politischen Basis wohl ein gutes seriöses Regierungsprogramm für die kommenden fünf Jahre erarbeiten können! Mit den Grünen war die politische Performance der ÖVP ja eher durchwachsen Die mutmaßliche Budgettrickserei und das folgende politische Chaos wären für die ÖVP jedenfalls keine Empfehlung für Neuwahlen. Es gilt also wohl, sich dem Votum des Wählers zu unterwerfen und der Macht des Faktischen zu folgen: Umgehende Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ. Karl Nehammer hat sich hier leider verpokert und nun dafür seine politische Karriere beenden müssen.

Finanzielles

Liebe Leserinnen und Leser von „Der März“,

Unsere Seite ist ein Ort für kritischen Journalismus, tiefgehende Analysen und gut recherchierte Hintergrundberichte. Wir sind sehr stolz darauf, unabhängig zu arbeiten, denn das macht es uns möglich, Themen und Perspektiven zu behandeln, die in der Mainstream-Medienlandschaft oft untergehen oder anders rezipiert werden. Unsere Arbeit setzt akribische und sehr zeitintensive Recherche voraus und verursacht eben leider auch Kosten. Aus diesem Grunde sind wir auf die finanzielle Unterstützung unserer treuen Leser angewiesen. Nur mit Ihrer Unterstützung kann unser kleines ehrenamtliches Team nämlich auf Dauer bestehen bleiben und die mit der Herausgabe unseres Mediums verbundenen Kosten (Plattformfinanzierung, Lektorat, etc) abdecken. Jede Spende, egal wie klein, trägt dazu bei, unsere Arbeit zu finanzieren und unser Medium als Plattform für unabhängigen Journalismus zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Unterstützen Sie uns daher bitte heute noch und helfen Sie mit den Fortbestand unseres Mediums „Der März“ zu gewährleisten! Vielen Dank!

Sie können ganz einfach und sicher hier spenden :

Falls Sie direkt überweisen möchten, ganz ohne Paypal oder Kreditkarte, dann finden Sie hier unsere Kontodaten:

IBAN: DE46 1001 1001 2622 4193 03

BIC: NTSBDEB1XXX

Vielen herzlichen Dank für eure Treue und Unterstützung !

Das Team von „Der März“

Links & Quellen

https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/2023_29_Nachhaltigkeit_Pensionssystem.pdf